Der Bundesrat hat in einer Sitzung am Montagnachmittag die Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung weiter verschärft. 

«Wir brauchen nun die ganze Bevölkerung, die sich strikt an die Regeln hält», sagte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga. zur Eröffnung: «Jetzt muss ein Ruck durch unser Land gehen!». Und weiter: «Nehmt diese Massnahmen ernst: Distanz halten, Hygiene einhalten».

Der Bundesrat stuft nun Situation in der Schweiz neu als «ausserordentliche Lage» gemäss Epidemiengesetz ein. Sie erlaubt der Landesregierung in allen Kantonen einheitliche Massnahmen anzuordnen. 

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Das hat zur Folge: 

  • Alle Läden, Restaurants, Bars sowie Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe werden bis am 19. April 2020 geschlossen.
  • Ausgenommen sind unter anderem Lebensmittelläden und die Gesundheitseinrichtungen.
  • Die Schweiz führt zudem ab Mitternacht Kontrollen an den Grenzen zu Deutschland, Österreich und Frankreich ein.
  • Zur Unterstützung der Kantone in den Spitälern, bei der Logistik und im Sicherheitsbereich hat der Bundesrat den Einsatz von bis zu 8000 Armeeangehörigen bewilligt.

Diese Regelungen gelten am Mitternacht bis zum 19. April. Ab dann sind alle Läden, Märkte, Restaurants, Bars sowie Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe wie Museen, Bibliotheken, Kinos, Konzert- und Theaterhäuser, Sportzentren, Schwimmbäder und Skigebiete geschlossen. Aber auch auch Dienstleistungsbetriebe, die einen engen persönlichen Kontakt verlangen, müssen schliessen – so etwa Coiffeursalons oder Kosmetikstudios.

«Der totale Shutdown ist nicht nötig, solange sich die Bevölkerung jetzt an diese Massnahmen hält», sagte Sommaruga.

Geöffnet bleiben Läden des täglichen Bedarfs, etwa Metzgereien und Bäckereien, ferner Drogerien und Apotheken, auch Banken, Poststellen, Kioske und Hotels. Auch Werkstätten für Transportmittel können geöffnet bleiben. Sie müssen jedoch die Schutzmassnahmen befolgen. 

«Die Versorgung der gesamten Bevölkerung mit Lebensmitteln, Medikamenten und Waren des täglichen Gebrauchs ist sichergestellt, es sind genügend Vorräte angelegt», teilt der Bundesrat mit. 

Die Armee kommt zum Einsatz

Der Bundesrat erhöht in einem weiteren Schritt die Obergrenze für den Assistenzdienst von 800 auf 8000 Armeeangehörige. Dies gilt bis Ende Juni 2020. 

Die Armee soll:  

  • das Gesundheitswesen mit sanitätsdienstlichen Leistungen unterstützen, insbesondere mit Pflege, Patientenüberwachung, sanitätsdienstlichen Transporten oder Spital-Logistik unterstützen
  • Sie soll bei Bedarf logistische Aufgaben wie Transporte und Mithilfe beim Aufbau von improvisierter Infrastruktur übernehmen.
  • Sie soll im Sicherheitsbereich die kantonalen Polizeikorps entlasten, zum Beispiel durch eine stärkere Unterstützung beim Botschaftsschutz, oder das Grenzwachtkorps an Landesgrenzen und Flughäfen unterstützen.
  • Für die sanitätsdienstliche Unterstützung stehen rund 3000 Armeeangehörige zur Verfügung. 

Zum Einsatz sollen Rekrutenschulen, Durchdiener und Wiederholungskurse kommen. Diese Einsätze werden bei Bedarf verlängert. Dazu werden auch zusätzliche Truppen mobilisiert. Dazu gehören alle vier Spitalbataillone sowie fünf Sanitätskompanien. Sie sollen innert vier Tagen in den Einsatz gebracht werden.

«Wir haben seit dem 2. Weltkrieg noch nie so viele Leute aufgeboten», sagt Bundesrätin Viola Amherd zum Einsatz. 

Die Kontrollen zu den Nachbarländern werden verschärft

Die Grenzen zu Deutschland, Österreich und Frankreich werden ab Mitternacht kontrolliert und dort Einreiseverbote mit Ausnahmen eingeführt. «Schweizer und Personen mit Aufenhaltsgenehmigung dürfen weiterhin einreisen», sagt Bundesrätin Karin Keller-Sutter

Im Detail: Die Einreise aus den vier grossen Nachbarländern ist nur noch Schweizer Bürgern, Personen mit einem Aufenthaltstitel in der Schweiz sowie Personen, die aus beruflichen Gründen in die Schweiz reisen müssen, erlaubt. «Der Transit- und der Warenverkehr sind weiter erlaubt», sagt Bundesrätin Karin Keller-Sutter

Damit wolle man die Kapazitäten im Schweizer Gesundheitswesen aufrechterhalten, sagt Keller-Sutter. Der Bundesrat verfolge auch den möglichen Entscheid zu einem gesamthaften EU-Einreiseverbot

Hilfe für die Wirtschaft

Neben den Bundesräten äusserten sich weitere Vertreter, so etwa Seco-Chefin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch.

Sie sichert den betroffenen KMU weitere Unterstützung zu und erwähnt nochmals die Möglichkeit der Kurzarbeit oder Bürgschaften. Sie räumt aber auch ein, dass «noch nicht alle Fälle abgedeckt sind.» Man arbeite mit Hochdruck an Lösungen, so Ineichen-Fleisch

Auch die Banken werden helfen, hiess es weiter. Auch Sommaruga äusserte sich zu den Hilfsmassnahmen: «Zehn Milliarden wurden am Freitag gesprochen. Es wird noch mehr werden».

«Wir haben die Mittel»

Der Bundesrat sei sich bewusst, dass die Massnahmen drastisch sind für die Wirtschaft, sagte Sommaruga

Es würden auch Unternehmen in ihrer Existenz treffen, so die Bundesrätin. Sie ergänzte: «Wir sind ein reiches Land und haben die Mittel, die Wirtschaft zu unterstützen.»

Die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Personen in der Schweiz nimmt weiter zu. Am frühen Montagabend lagen dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) mehr als 2330 positive Testresultate vor, rund 150 mehr als am Sonntag. Mindestens 14 Personen starben an Covid-19.

Alle Zahlen werden weiter zunehmen, wie Daniel Koch, Leiter Übertragbare Krankheiten im BAG, am Montagabend vor den Medien sagte. Betroffen seien nun alle Kantone der Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein. «Wir brauchen mehr Massnahmen, um die Zahlen nicht weiter ins Unendliche steigen zu lassen.»

Nicht zu spät reagiert

Gesundheitsminister Alain Berset wehrte sich gegen den Vorwurf, zu spät reagiert zu haben. «Der Bundesrat hat die Situation laufend verfolgt und die Massnahmen ergriffen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt passend und umsetzbar waren.»

Einige Kantone haben die Schritte des Bundes auf ihrem Gebiet bereits umgesetzt. Ab sofort müssen sich alle Kantone an die Weisungen des Bundes halten. «Sie haben keine freie Hand mehr», sagte Berset. Lebensmittelläden müssten Massnahmen ergreifen, dass die Regeln bezüglich Hygiene und Social Distancing in ihrem Räumen eingehalten werden könnten.

Kritik für Disziplinlosigkeit

Die Mitglieder des Bundesrats appellierten unisono an die Bevölkerung, so wenige soziale Kontakte wie möglich zu pflegen, nicht zu Stosszeiten einzukaufen oder den öffentlichen Verkehr zu benutzen.

Die bisherigen Massnahmen seien teilweise ungenügend eingehalten worden, sagte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga. «Viele Menschen fühlten sich nicht betroffen, ob jung oder alt.» Die Bevölkerung müsse nun merken, dass es jeden treffen könne - Kinder, Eltern, Nachbarn. Niemand sei vor dem Virus gefeit.

Die Bevölkerung unter Hausarrest zu stellen, sei nicht wünschenswert, sagte Sommaruga. «Es ist nun eine Frage der Eigenverantwortung von uns allen».

Keine Lieferengpässe

Vom Tragen von Schutzmasken raten die Behörden weiterhin ab. Diese seien in der allgemeinen Bevölkerung «sehr wenig wirksam», sagte Koch. Nur Erkrankte und das Gesundheitspersonal sollte solche tragen. «Schutzmasken sind weltweit ein knappes Gut, gehen wir sorgsam damit um.»

Betreffend Versorgungssicherheit hielt Bundespräsidentin Sommaruga fest, dass die Schweiz im laufenden Austausch mit der EU-Kommission stehe. Die Schweiz prüfe, ob und inwieweit die neue Verordnung übernehmen würde. Die EU wolle nicht, dass in der Schweiz Lieferengpässe entstünden, sagte Sommaruga. Das habe ihr Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zugesichert.

Kanton Bern kündigt drei Zentren für Corona-Schnelltests an

Der Kanton Bern plant drei Zentren für Corona-Schnelltests. Das erste Zentrum nimmt er schon nächste Woche in Bern in Betrieb, wie der Regierungsrat am Montagabend bekanntgab.

Der Standort befindet sich demnach an der Peripherie der Stadt Bern. Testen lassen sollen sich Menschen mit Verdacht auf das Coronavirus. Innerhalb eines Tages wissen sie, ob eine Isolation von 14 Tagen oder eine Quarantäne notwendig ist.

So könnte die Anzahl von Personen in Quarantäne reduziert werden, erklärte Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg an einem virtuellen Point de Presse. Dadurch würde die Lage etwas erleichtert und das Gesundheitssystem geschont. Laut Kanton sollen später Testzentren in Thun und Biel folgen.

Die Zentren sollen sowohl zu Fuss als auch mit dem Auto gut erreichbar sein. Bei der Anfahrt mit dem Auto solle der Zugang als Drive-In ermöglicht werden, heisst es in einem Communiqué des kantonalen Führungsorgans. Für Ankommende zu Fuss sollen verschiedene Zugänge errichtet werden.

In einer Reihe werden Personen mit klaren Symptomen, also Husten und Fieber, getestet. In einer weiteren Reihe werden Personen, die zu einer Risikogruppe gehören, getestet.

Personen ohne Symptome, die nicht zu einer Risikogruppe gehören, werden nicht getestet. Sie werden angehalten, wiederzukommen, falls sich Symptome entwickeln. Personen mit starken Symptomen werden direkt an die Spitäler verwiesen.

Hilfe von Privaten

Die Hirslanden Kliniken werden das Testzentrum mit Gesundheitspersonal unterstützen, wie der Kanton schreibt. Das Testmaterial wird von der Firma Roche zur Verfügung gestellt. Das Kantonale Führungsorgan werde die Zusammenarbeit koordinieren und die Bereitstellung der entsprechenden Infrastruktur sicherstellen.

(tdr)

Mit Material von SDA