Wer die Agentur der Liechtensteiner Grafikdesignerin Karin Beck-Söllner ansteuert, darf sich ein wenig wie in den Ferien fühlen: erhaben über die Geschäftigkeit und den steten Verkehrsfluss des Rheintals, aufgehoben in einer Dorfidylle, die noch geprägt ist von schönen alten Holzhäusern. Durch ein Wäldchen geht es in Serpentinen hinauf auf 786 Meter über Meer. Hier liegt auf einer Sonnenterrasse am Fuss des Dreischwesternmassivs das Dorf Planken, die mit 430 Einwohnern kleinste
Gemeinde des Fürstentums. «Als wir unser neues Haus bauten mit meiner Agentur darin», erzählt Karin Beck-Söllner, «haben sich manche schon gewundert und gefragt, ob das nicht zu entlegen sei für ein Büro.» Schliesslich residierte die Grafikdesignerin zuvor drunten in Triesen bei Vaduz in einem modernen Industriegebäude. Gewohnt hat sie damals im Gegensatz dazu sehr traditionell: im alten Bauernhaus der Grosseltern mit kleinen, niedrigen Räumen in Planken. «Nach fünf Jahren in London war es ein krasser Wechsel, wieder zurückzukehren», erinnert sie sich. «Aber es hat mir gutgetan, dieWurzeln zu spüren.» Anknüpfen an dem, was gut ist, stand auch im Vordergrund, als das Haus der Grosseltern zu eng wurde für das Ehepaar mit Sohn Janosch und der Alltag in einem zeitgemässen Familienhaus am Heimatort neu organisiert werden sollte. «Wir haben das Haus geplant, als unser Bub noch ganz klein war und mir klar wurde, dass ich mein Leben anders gestalten musste, ohne die aufwendigen Fahrten hinunter nach Triesen», erklärt Karin Beck-Söllner.

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ÜBERBLICK. Auf 786 Metern, oft über dem Nebelmeer, liegt der Neubau im Dorf Planken. Vom offenen Küchen-Ess-Bereich wie vom Home Office unter demselben Dach sieht man durch grosse Panoramascheiben auf die Schweizer Berge.

Mit dem Auftrag an Architekt Ivan Cavegn, ein Familiendomizil plus Büro zu entwerfen, verbanden die Bauherren gleich den Wunsch nach einem Holzhaus. «Wir wollten einen Bezug herstellen zur typischen Bauweise des Dorfs, wollten dessen Charakter aufnehmen, aber natürlich ganz zeitgemäss leben», sagt das Ehepaar, das sich in der Nachbarregion Bregenzerwald gründlich umgeschaut hatte: «Die Vorarlberger sind ja bekannt für modernen Holzbau.»

Das Minergiehaus sollte dem steilen Hanggrundstück, das die Bauherrin geerbt hatte, angepasst werden, ohne zu sehr ins Gelände
einzugreifen. Da ohnehin ein Betonsockel erforderlich war, entschied sich das Ehepaar für Sichtbeton auf Eingangsniveau und im ersten Obergeschoss. Die obere Ebene des Wohnteils mit den Schlafzimmern ist in Holzelementbauweise ausgeführt. Für den Bürotrakt gab es zunächst auch die Variante eines zweistöckigen separaten Baus, die aber aus Kostengründen ausschied. Deshalb galt es, in einem gemeinsamen Baukörper Arbeit und Privatleben auch optisch zu separieren. «Ich wollte nicht», so Karin Beck-Söllner, «dass der Eindruck entsteht: Sie hat jetzt ihr Büro in einem Raum zu Hause.»

Panoramafenster zum Paradies: Mit einer überzeugenden Lösung klärte Architekt Ivan Cavegn die unterschiedlichen Funktionen: Der Geschäftsbau im Privatgebäude springt als schwarz gerahmte Riesenvitrine sofort ins Auge. Die Trennung zwischen Berufs-und Familienwelt fällt überzeugend aus. Von der Strasse her führt der Weg über gemeinsame Stufen zunächst links in die Agentur und dann über zwei weitere Stufen, vorbei an einem intimen Innenhof, zum Eingang des Privathauses. Den Weg entlang der Lärchenholz-Fassade benutzt auch die Agenturchefin, wenn sie morgens ihr Haus verlässt, um arbeiten zu gehen. Obwohl es auch einen inneren Schleichweg durch den Heizungsraum gäbe, «gehe ich bewusst aussen herum», sagt Karin Beck-Söllner.
Das Erdgeschoss des Büros mit seinen drei Arbeitsplätzen und der Kaffeeküche erweitert sich sommers um die Wiese, die direkt durch eine Glastüre zugänglich ist. Hier wie im Obergeschoss mit dem Besprechungsraum und dem Schreibtisch von Karin Beck-Söllner rahmen grosse Panoramascheiben die atemberaubenden Ausblicke in die Landschaft: Jenseits der weiten Rheintalebene geht der Blick zur Kette der Schweizer Alpen und an klaren Tagen bis zum Bodensee. Kommen Karin Beck-Söllners Kunden an trüben Wintertagen hinauf nach Planken, staunen sie oben über die unerwartete Klarsicht: «Wir liegen über dem Nebelmeer.» Wie im Wohntrakt prägen wenige Materialien die Büroräume: Auch hier sind die Böden in Anhydrit gegossen,Wände und Decken aus Sichtbeton, die Schreiner-Einbauten sind weiss lackiert, und das Lärchenholz der Fassade ist bei den Fensterrahmen nach innen gezogen. Die Zukunft ist mitgeplant. In dem 75 Quadratmeter grossen Büro sind auf den beiden Etagen alle Anschlüsse gelegt,um es später eventuell in eine Einliegerwohnung umzurüsten. In den Familienräumen nebenan haben die Bauherren sich jene Grosszügigkeit und Helligkeit geschaffen, auf die sie zuvor im Bauernhaus verzichten mussten.Denn so gemütlich es dort auchwar – «im alten Haus brauchten wir in der Küche auch tagsüber fast immer künstliche Beleuchtung». Nun führt die Treppe in Sichtbeton vom Eingang hinauf in einen lichten Grossraum, der sich zur Breitseite nach Süden mit deckenhohen Glasschiebetüren öffnet und an der Westseite gegen das Rheintal hin ebenfalls über ein deckenhohes Panoramafenster verfügt. Sowohl die Nahsicht auf das mit Kräutern und Bodendeckern begrünte Garagendach als auch die Fernsicht auf die Felder im Tal, auf Schaan, den Eschener Berg und die schneebedeckten Berggipfel tragen Farbe und Vielfalt in den Raum.

Drinnen dominieren klare Strukturen: An den lang gezogenen Küchenblock schliesst sich der zwei Meter lange Esstisch in massivem Buchenholz an. Die Stühle im Thonet-Stil stammen von den Grosseltern und wurden ergänzt mit einigen Exemplaren von Antiquitätenhändlern. Perfekt unperfekt. In der Wand zwischen Küche und Esstisch ist bereits der Kamin eingebaut. Eine Feuerstelle gehört zu den Projekten für die Zukunft.

DIE KÜCHE - mit  Blick auf die Schweizer Berge.

An der nüchternen Bauweise des Hauses imponiert dem Ehepaar die Möglichkeit, auch weiterhin gestalterisch wirken zu können: «Es darf alles noch Werkstattcharakter haben», sagt Karin Beck-Söllner, «und es gefällt uns, dass man im Beton die Spuren der Arbeit sieht. Wenn man Kinder im Haus hat, sollte es nicht so perfekt sein, dass man ständig aufpassen muss.» Sohn Janosch hat auf der 50 Quadratmeter grossen Holzterrasse, die sich an die Küche anschliesst, Platz zum Fussballspielen. Im zweiten Obergeschoss haben sich die Eltern, wiederum mit Blick aufs Bergpanorama, eine Sofaecke geschaffen, die im Gegensatz zum extravertierten KüchenEssBereich
einen Rückzugsort bietet. Vor den Schlafzimmern gibt es hier im Flur noch einen Leseplatz, dessen bodentiefes Fenster das Gartengrün ins Innere holt. «Ursprünglich wollte ich einen Kubus», erkärt Beck-Söllner im Dachgeschoss. «Doch es war ein Satteldach vorgeschrieben, und nun sind wir auch froh über die schönenRaumhöhen, die wir hier haben.» Nach vielen Jahren, in denen die Fahrten zum Arbeitsplatz auch mental eine Distanz zum Privatleben schufen, sei es eine grosse Umstellung gewesen, das Büro zu Hause zu haben, gibt Karin Beck-Söllner zu. «Aber jetzt habe ich mich daran gewöhnt. Die Entscheidung war richtig. Sie hat mein Leben leichter gemacht.» Dazu trägt auch der Geist des Ortes bei: «Ich geniesse die Ruhe hier. Sie und der Blick sind inspirierend für meine Arbeit.»