Vor zwei Jahrzehnten dominierten im Genfer Weinbau noch die weissen Sorten, allen voran der Chasselas. Mit ihm war rund die Hälfte der Rebfläche bestockt. Heute werden auf den 1400 Hektaren Rebland zu 60 Prozent rote Sorten angebaut, darunter so exotische Varietäten wie der piemontesische Nebbiolo oder der spanische Tempranillo. Genfs Weinwelt ist im Umbruch und hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten so schnell verändert, dass man die Frage, was heute typisch ist für die Genfer Weinbauregion, mit einer ausweichenden Antwort beantworten muss: Typisch ist die grosse Vielfalt.

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Zwar haben die beiden traditionellen Genfer Leitsorten – der Chasselas bei den weissen und der aus dem Beaujolais zugewanderte Gamay bei den roten Varietäten – nach wie vor die Nase vorn. Doch die reinsortig aus ihnen gekelterten Gewächse dominieren nicht mehr das meist breit gefächerte Weinsortiment der neuen, innovativen Winzergeneration.

Der wohl deutlichste Ausdruck dieses weltoffenen Genfer Geistes, des schon in der Vergangenheit viel beschworenen Esprit de Genève, ist die Realisierung des gleichnamigen Weinprojekts. Am Anfang stand die Idee, einen Rotwein als Botschafter der Genfer Weine zu kreieren. Dass dabei nicht auf internationale Sorten wie Merlot oder Syrah gesetzt wurde, sondern der hier bestens akklimatisierte, fruchtig-würzige Gamay im Vordergrund stehen sollte, ist auch Ausdruck des Esprit de Genève, der geschickt Tradition mit Innovation zu verbinden weiss. Der Genfer Vorzeige-Cru ist eine Assemblage, bei welcher der Gamay mit einem Anteil von mindestens 50 Prozent die Hauptrolle spielt. Die Gamay-Trauben müssen dabei aus klar definierten Parzellen kommen, und der Ertrag ist auf 50 Hektoliter pro Hektar beschränkt. Weitere 20 Prozent sind für die beiden in Genf gut adaptierten Sorten Gamaret und/oder Garanoir reserviert.

Während der Gamaret die Assemblage mit seinen dichten Gerbstoffen und einer soliden Struktur bereichert, steuert der Garanoir Geschmeidigkeit und Finesse bei. Um den beteiligten Winzern die Möglichkeit zu geben, ihren Esprit de Genève individuell zu konzipieren, dürfen bis maximal 20 Prozent weitere rote Sorten verwendet werden. So werden viele Abfüllungen mit einem kleinen Anteil Merlot, Pinot noir, Cabernet Sauvignon oder einer anderen Varietät abgerundet. Zudem müssen die Weine ganz oder teilweise in Eichenfässern ausgebaut werden und eine Zulassungsdegustation passieren.

Als mit dem Jahrgang 2004 der Esprit de Genève lanciert wurde, beteiligten sich zehn Winzer mit insgesamt 10000 abgefüllten Flaschen am neuen Projekt. Vom Jahrgang 2010 füllten bereits 17 Winzerbetriebe ihren eigenen Esprit de Genève ab. Gemeinsam, aber gleichwohl mit individueller Handschrift – so lautet das Motto, das zur erfolgreichen Realisierung des überzeugenden Vorhabens beigetragen hat. Tatsächlich bergen solche Neulancierungen ein nicht geringes Risiko, die Weinliebhaber weniger zu beglücken als vielmehr zu verärgern. Dies vor allem dann, wenn allzu offensichtlich versucht wird, auf einer gegenwärtigen Modewelle mitzusurfen. Diese Klippe haben die am Projekt Esprit de Genève beteiligten Winzer jedoch elegant zu umschiffen verstanden. Abgesehen von der einheitlichen äusseren Aufmachung mit den Bordelaiser Flaschen und der identischen Etikettengestaltung zeichnen sich die verschiedenen Weine innerhalb des vorgeschriebenen Spektrums durch Eigenständigkeit und ein hohes Qualitätsniveau aus.

Bei der Verkostung einer Auswahl von 2010er-Esprit-de-Genève-Gewächsen vermochten insbesondere die Interpretationen von Christian Guyot, Les Vallières, Domaine Les Hutins, Domaine de la Vigne Blanche, Cave des Oulaines und der Cave de Sézenove zu überzeugen. Was aber alle Weine der Appellation auszeichnet, ist, dass keiner sich mit modischer Üppigkeit und vordergründig-süsslicher Fruchtkonzentration anzubiedern versucht. Anders gesagt: Die Weine, die sich als önologische Interpretation des Genfer Geists verstehen, vermögen mit Finessenreichtum und nobler Eleganz zu beeindrucken. Und dies zu einem demokratischen Preis von rund 20 Franken!Rudolf Trefzer

Informationen zu den beteiligten Betrieben und Bezugsnachweise: