Die Türen sind vernagelt, die Fenster dunkel, ein Schornstein, aus dem kein Rauch mehr kommt: Die Ram Brewery in Wandsworth im Südwesten Londons sieht in diesen Tagen ziemlich verlassen aus. Rundherum ragen Baukräne in den kalten Januarhimmel, es rattert, überall wird gebaut und gewerkelt, die britische Hauptstadt erlebt einen neuen Bauboom. Nur auf dem Gelände der Brauerei ist es still.

Sie liegt an der Kreuzung Wandsworth High Street und Ram Street; Ram, englisch für Bock, war der Namensgeber der Brauerei. Noch heute hängt das Bild eines Bocks mit goldenen Hörnern über der Tür. Seit 2006 ist die Ram Brewery, die bis dahin älteste Brauerei Grossbritanniens, geschlossen. Wegen finanzieller Engpässe hatte die Eigentümer-Familie Young sie an einen Londoner Immobilienentwickler verkauft.

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Doch erst jetzt, knapp acht Jahre später, kommt wieder Leben in die Brauerei. Die chinesische Investorengruppe Greenland Holding Group Co. aus der Millionenmetropole Shanghai, die in China die höchsten Hochhäuser baut, hat das Areal erworben und wird ein Hochhaus, Wohnungen und Läden in der alten Brauerei errichten. Die umgerechnet etwa 723 Millionen Euro schwere Investition ist nur eines von vielen Immobilienprojekten in London, die von asiatischen Firmen finanziert werden. Das treibt Mieten und Preise und verschärft die sozialen Spannungen.

Gerade für die Chinesen wird es wegen der zunehmenden Regulierung des heimischen Immobilienmarktes interessant, im Ausland und vor allem im sicheren Hafen London zu investieren. Aufgrund steigender Preise – sie legten 2013 im Schnitt um zehn Prozent zu – gewinnt die Stadt weiter an Attraktivität.

660 neue Wohnungen in der Brauerei

«London ist das wirtschaftliche Zentrum Europas», sagt Zhang Yuliang, der Vorsitzende der Greenland-Gruppe, «wer hier investiert, hat weltweiten Einfluss.» Sein Unternehmen, das seit 1992 der Shanghaier Stadtregierung gehört, investiert damit zum ersten Mal im Vereinigten Königreich. In China beschäftigt Greenland mehr als 10.000 Mitarbeiter, die Gruppe baut in mehr als 80 Städten im Reich der Mitte. 661 neue Wohnungen, ein 36-stöckiges Hochhaus und 9500 Quadratmeter für Läden und Restaurants sollen in der Ram Brewery entstehen, auch ein Museum und eine Mini-Brauerei sind geplant.

Immobilienexperten erwarten für dieses Jahr eine Vielzahl chinesischer Investitionen in der britischen Hauptstadt. «Dies ist nur die Spitze des Eisbergs, es wird deutlich mehr dieser Projekte geben», sagt Simon Barrowcliff vom Immobilienfinanzierer CBRE in London. «Die Chinesen wollen ihr Geld ausserhalb Chinas investieren. Sie haben zu Hause viele Kunden, an die sie verkaufen können.»

Viele Chinesen aus der Mittel- und Oberschicht kaufen inzwischen Wohnungen und Häuser im Ausland, dürfen sie doch in Städten wie Shanghai nur noch zwei Apartments pro Haushalt besitzen. Einer Studie von Jones Lang LaSalle zufolge haben die chinesischen Immobilieninvestitionen in London seit 2010 um beachtliche 1500 Prozent zugelegt, allein 2013 stiegen sie um 175 Prozent.

Land der Bildung

«Der Wunsch zur Diversifizierung ist einer der Hauptgründe, warum Chinesen in Grossbritannien kaufen», sagt Simon Henry, Co-CEO des Internetportals Juwai.com, das weltweit Immobilien an Chinesen vermittelt. «Die chinesische Regierung will, dass der Heimatmarkt nicht überhitzt und dass mehr im Ausland investiert wird.»

Grossbritannien hat in China den Ruf, das Land der Bildung und der guten Universitäten zu sein, chinesische Eltern schicken deshalb ihre Kinder zum Studium auf die Insel und kaufen Wohnungen für sie. Die britische Regierung will deshalb noch mehr chinesisches Geld anlocken und vereinfacht derzeit die Visumregeln für Touristen und Geschäftsleute aus China. Londons Bürgermeister Boris Johnson wirbt gezielt um chinesische Studenten.

Neben den privaten Käufern kommen nun auch die chinesischen Entwickler nach London. Die Greenland-Gruppe investiert gleichzeitig in ein neues Luxushochhaus im Finanzdistrikt Canary Wharf; Dalian Wanda kündigte im Juni an, am Südufer der Themse ein neues Luxushotel errichten zu wollen. Auch die chinesische Vanke-Gruppe, Marktführer im Bereich Wohnimmobilien, plant, in London zu investieren.

Die Stadt wird mehr und mehr zur internationalen Immobilienhauptstadt, die wachsende Bevölkerung, kaufkräftige Kunden und stabile Bedingungen machen London zum attraktivsten Standort der Welt. Das ergab eine Umfrage der Vereinigung ausländischer Immobilieninvestoren AFIRE Anfang Januar.

Wo die Königin ihre Pferde trinken liess

Der Zustrom ausländischen Kapitals macht nun lange vernachlässigte Objekte wie die Ram-Brauerei wieder interessant. «Einige Stadtteile werden jetzt wiederentdeckt. Wandsworth hat Potenzial», sagt Simon Barrowcliff von CBRE. Im Jahr 1581 soll auf dem Areal die erste Brauerei Britanniens errichtet worden sein, das Ram Inn. Der Legende nach liess Königin Elisabeth I. auf dem Weg nach Windsor hier ihre Pferde tränken, seit 1831 gehörte sie zum Brauerei-Imperium der Familie Young.

1974 wurde die Brauerei in Brewery Tap umbenannt. Noch bis nach der Jahrtausendwende zogen Pferde die Brauereiwagen durch Wandsworth. 2006 entschied sich John Young, der Geschäftsführer der Young's-Gruppe, die Brauerei zu verkaufen. Der Ururenkel des Gründers sagte damals: «Mein Kopf hat mein Herz besiegt.»

Die Anwohner der Brauerei nehmen ihm das noch heute übel. «Es sind viele Versprechungen gemacht worden, was alles dort geschehen soll», sagt Allan Stewart, der im «Spread Eagle Pub» gegenüber der alten Brauerei ein Bier trinkt. Der 65-Jährige war früher Postbote in Wandsworth; er weiss noch, wie es war, als die Brauerei in Betrieb war und der Schornstein qualmte. «Meine Freunde haben dort gearbeitet», sagt er und nimmt noch einen Schluck.

Wer soll das alles kaufen?

Allan Stewart ist skeptisch angesichts des Baubooms, der die britische Hauptstadt erfasst hat. «Wer soll das alles kaufen? Niemand baut bezahlbares Wohnen für uns», sagt er. Genau das will die Greenland-Gruppe ihrem Vorsitzenden Zhang Yuliang zufolge anbieten: bezahlbares Wohnen für die Mittelklasse. Doch der Chinese meint damit nicht unbedingt die britische Mittelklasse, sondern die chinesische, für die eine Wohnung in London ein weiterer Bestandteil ihres Portfolios wird.

«Chinesische Investoren sind tendenziell bodenständig», sagt Simon Barrowcliff von CBRE. 1000 Pfund pro Quadratmeter, etwa 1200 Euro, seien für chinesische Käufer akzeptabel, so Barrowcliff. Wie viel die Wohnungen in der alten Brauerei am Ende kosten sollen, ist noch nicht bekannt.

Die Greenland-Gruppe hat im vergangenen Jahr bereits in New York, Los Angeles und Australien investiert, in diesem Jahr will Zhang Yuliang vor allem in Kanada, Frankreich und Singapur zukaufen. 13 Milliarden Renminbi Umsatz, etwa 1,6 Milliarden Euro, sollen die Investments im Ausland in diesem Jahr einbringen.

2015, so der Plan, soll der Auslandsumsatz schon 30 Milliarden Renminbi, rund 3,6 Milliarden Euro, betragen, Greenland will zum grössten chinesischen Immobilienunternehmer im Ausland werden. London spielt dabei eine entscheidende Rolle. Zhang Yuliang ist den Berichten zufolge schon dabei, nach weiteren Objekten in der britischen Hauptstadt Ausschau zu halten.