Im Rennen um den Elysee-Palast wird ihm ein strahlender Sieg vorhergesagt: Emmanuel Macron wird als grosser Favorit für die Präsidentenwahl in Frankreich gehandelt. Doch der überraschende Triumph des Donald Trump in den USA und die Absage der Briten an die EU zeigen, dass Auguren irren können. Ein Sieg des Parteiunabhängigen gegen die rechtsextreme EU-Gegnerin Marine Le Pen ist kein Selbstläufer, meint Ökonom Holger Sandte von der Bank Nordea: «Dass Le Pen Präsidentin in Frankreich wird, ist nicht wahrscheinlich, aber auch nicht unmöglich.»

Es dürfte eminent wichtig werden, wer seine Wähler tatsächlich mobilisieren kann: «In Umfragen ist Macron zwar der Favorit, doch die Wahlbeteiligung könnte entscheidende Bedeutung haben», sagt Frankreich-Experte Julien Manceaux von der Bank ING. Rund ein Drittel der Franzosen weiss Umfragen zufolge noch nicht, für wen sie bei der Wahl stimmen sollen.

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Zudem sorgen die Eigenheiten des Wahlrechts für zusätzliche Spannung. Denn das Rennen um die Präsidentschaft läuft über zwei Runden: In der ersten am 23. April treten nicht weniger als elf Kandidaten an. In einer jüngsten Umfrage des Instituts Opinionway hat Le Pen dabei mit 24 Prozent knapp die Nase vorn. Dem von seiner eigenen Bewegung «En Marche» getragenen links-liberalen Kandidaten Macron werden 23 Prozent zugetraut. Beide würden dann am 7. Mai in die Stichwahl einziehen. Dann dürfte Macron laut den Demoskopen den Spiess umdrehen und die Rechtsextreme mit 62 zu 38 Prozent deutlich distanzieren.

Rechnung mit vielen Unbekannten

Doch dies ist eine Rechnung mit vielen Unbekannten: So können die ausgeschiedenen Kandidaten per Wahlempfehlung noch ein gehöriges Wort mitreden. Die Linke ist derzeit in zwei grosse Lager gespalten, die sich jeweils hinter dem sozialistischen Kandidaten Benoit Hamon und dem populären Alt-Linken Jean-Luc Melenchon versammeln. Die beiden zerstrittenen Aussenseiter repräsentieren manchen Umfragen zufolge zusammen mehr als ein Viertel der Wählergunst. Doch da sie nicht geschlossen antreten, droht beiden das Aus nach der ersten Runde.

Ob ihre Anhänger in der Stichwahl weitgehend geschlossen zum ehemaligen Wirtschaftsminister Macron überlaufen, ist fraglich: Denn in der Linken hat es für böses Blut gesorgt, dass sich der sozialistische Ex-Ministerpräsident Manuel Valls auf die Seite Macrons geschlagen hat. Hamon hat die Wähler aufgerufen, den an diesem «morbiden Spiel» Beteiligten die Quittung zu geben.

Wenige Stimmen machen den Unterschied

Le Pen habe in der zweiten Wahlrunde eine reelle Chance zu gewinnen, wenn sie ihre Unterstützer zur Wahlurne bringe, die ihres Gegenkandidaten aber in grosser Zahl zuhause blieben, meint Nordeas Europa-Chefvolkswirt Sandte: «Wenn es knapp wird, kommt es auf die Unterschiede in der Mobilisierung an – davon können Hillary Clinton und David Cameron ein Lied singen.»

Er spielt damit auf Niederlagen der US-Demokratin Clinton und des früheren britischen Premiers an. Clinton sah in vielen Umfragen vor der US-Wahl bereits wie die sichere Siegerin aus, musste sich dann aber doch dem Anti-Establishment-Kandidaten geschlagen geben. Selbst in Bundesstaaten, die die frühere Aussenministerin eigentlich fest für sich eingeplant hatte, schnitt der von der Wut auf den Washingtoner Politbetrieb getragene Trump überraschend stark ab. Mancherorts machten nur wenige Tausend Stimmen den Unterschied aus.

Droht Meinungsforschern nächstes Fiasko?

Und auch in Grossbritannien hatte sich der konservative Premier David Cameron mit der Ausrufung des Referendums über die EU-Mitgliedschaft im Juni 2016 verrechnet und nahm nach dem Sieg der EU-Gegner seinen Hut. Buchmacher wie auch Demoskopen hatten es nicht für wahrscheinlich gehalten, dass der von prominenten Populisten befürwortete EU-Ausstieg von der Bevölkerung mehrheitlich befürwortet würde.

Droht den Meinungsforschern nun in Frankreich das nächste Fiasko? Laut Ökonom Holger Schmieding von der Berenberg Bank könnten so vermeintlich banale Faktoren wie das Wetter und das Freizeitverhalten der Franzosen so manche Vorhersage über den Haufen werfen: «Falls es viele Bürger vorziehen, vor dem Feiertag am 8. Mai für ein langes Wochenende aufs Land zu fahren, statt zur Wahl zu gehen, könnte dies Macron eher schaden als Le Pen. Sie kann auf eine entschlossene Wählerschaft zählen.»

Der 8. Mai ist als Tag des Sieges über Nazideutschland im Zweiten Weltkrieg offizieller Feiertag in Frankreich. Wenn ein Triumph Macrons oder womöglich Le Pens an diesem symbolträchtigen Datum endgültig feststehen sollte, werden laut dem Direktor des Deutsch-Französischen Instituts (dfi), Frank Baasner, die Folgen der Wahl weit über die Landesgrenzen hinaus ausstrahlen: «Macron hat sich für Europa stark gemacht. Das ist eine klare Konfliktlinie zu Le Pen, die sich von den Deutschen abgrenzen will.»

(sda/ccr)

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