Mehr als 56 Millionen Iraner sind aufgerufen zu bestimmen, ob sie dem moderaten Präsidenten Hassan Ruhani eine zweite Amtszeit gewähren oder einen politischen Wechsel wollen. Hauptrivale ist Ebrahim Raeissi, der Spitzenkandidat des erzkonservativen Klerus. Die beiden anderen Kandidaten gelten als chancenlos.

Bei der Wahl zeichnet sich eine grosse Beteiligung ab. Vor vielen Wahllokalen in Teheran bildeten sich am Freitag laut Augenzeugen lange Schlangen. Medienangaben zufolge gab es auch in den Provinzen eine lebhafte Beteiligung.

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Die Iraner wählen ihren neuen Präsidenten in einem schwierigen politischen und wirtschaftlichen Umfeld. Die Regionalmacht gewinnt immer grössere Bedeutung über die Golf-Region hinaus und mischt in etlichen Konflikten mit. Das 2015 mit mehreren Grossmächten getroffene Atomabkommen beendete die wirtschaftliche und politische Isolierung des Landes. Der Iran verpflichtete sich, sein Atomprogramm auf rein zivile Zwecke zu beschränken. Im Folgenden die wichtigsten Themenkomplexe:

Verfeindetes Saudi-Arabien

Die beiden Staaten prägt eine innige Feindschaft und Rivalität. Der Iran versteht sich als Schutzmacht der Schiiten, Saudi-Arabien als die der Sunniten. Die beiden Ölproduzenten unterstützen in allen grossen Konflikten in der Region jeweils miteinander verfeindete Gruppierungen. Die Beziehungen zwischen den beiden Regionalmächten sind seit der Hinrichtung eines prominenten schiitischen Predigers und Regimekritikers in Saudi-Arabien Anfang 2016 auf einem Tiefpunkt.

Syrischer Bürgerkrieg

Im Bürgerkrieg in Syrien steht der Iran an der Seite von Präsident Baschar al-Assad, der in Russland seinen wichtigsten Verbündeten hat. Die Führung in Teheran unterstützt die libanesische Hisbollah-Miliz, die mit Assads Truppen gegen die Rebellen kämpft. Gemeinsam mit Russland und der Türkei hat der Iran Friedensgespräche in der kasachischen Hauptstadt Astana ins Leben gerufen. Die drei Länder einigten sich unlängst auf die Errichtung von Sicherheitszonen für Zivilisten in Syrien.

Der Iran unterstützt die Schiiten, die in Syrien eine kleine Minderheit stellen. Assad gehört den Alawiten an, die zum schiitischen Islam zählen. Die anderen Golf-Staaten, allen voran Saudi-Arabien, helfen sunnitschen Rebellen finanziell und mit Waffen.

Stellvertreterkrieg im Jemen

Im Jemen führen der Iran und Saudi-Arabien einen Stellvertreterkrieg. Der Iran leistet den schiitischen Huthi-Rebellen Beistand, die die Regierung des Präsidenten Abd-Rabbu Mansur Hadi gestürzt haben und ihr Korruption vorwerfen. Saudi-Arabien wirft dem Iran vor, den Huthi militärisch zu helfen, was die Regierung in Teheran bestreitet. Saudi-Arabien, das an den Jemen grenzt, bekämpft die Huthi-Rebellen unter anderem durch den Einsatz der Luftwaffe und will der international anerkannten Regierung Hadis wieder zur Macht verhelfen.

Zur Israelfrage

Der Iran erkennt Israel nicht als legitimen Staat an. Präsident Hassan Ruhani schlägt gemässigtere Töne an als sein Vorgänger Ahmud Ahmadinedschad, der Israel immer wieder massiv bedroht hat. Doch auch Ruhanis Regierung und Ajatollah Ali Chamenei, der letztlich das Sagen im Iran hat, haben Israel mit Vernichtung gedroht. Ruhani hat erklärt, sein Land stehe an der Seite der Palästinenser.

Im März 2016 unterstrich der Iran mit einem Raketentest seine feindliche Haltung: Auf den Geschossen stand laut iranischen Medien «Israel muss ausradiert werden». Ruhani wirft den Hardlinern vor, damit das Atomabkommen zu gefährden.

Konflikt mit den USA

Die USA und den Iran verbindet eine turbulente Geschichte. Jahrzehntelang unterstützten die USA Schah Reza Pahlavi, der 1941 an die Macht kam und für Folter und Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht wurde. 1979 wurde der Schah im Zuge der Islamischen Revolution gestürzt und floh in die USA. Im November 1979 besetzten Studenten die US-Botschaft in Teheran, um die Auslieferung des Schahs zu erzwingen. Im April 1980 scheiterte ein Versuch des US-Militärs die 52 Geiseln zu befreien. Sie durften Anfang 1981 gehen, die USA gaben im Gegenzug iranisches Vermögen frei.

Massenkundgebungen gegen die USA sind im Iran keine Seltenheit. Seit Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump hat sich das Verhältnis der beiden Staaten verschlechtert, auch weil Trump eine Aufkündigung des Atomabkommens angekündigt hat. Er hat die Regierung in Teheran nach eigenen Worten nach einem iranischen Raketentest «verwarnt». Ajatollah Ali Chamenei nennt die USA ein Symbol der Verlogenheit. Anlässlich des Jahrestages der Revolution im Februar protestierten Hundertausende Iraner gegen Trump. Demonstranten trugen Spruchbänder mit der Aufschrift «Tod Amerika» und verbrannten US-Flaggen.

Finanzierung bleibt Hürde

Ruhani warb bei der Bevölkerung für das Atomabkommen mit dem Versprechen, die Wirtschaft werde nach Ende der Sanktionen einen Aufschwung erleben. Nach der jahrzehntelangen Isolierung stehen Investitionen in Infrastruktur und Ölindustrie an. Zahlreiche internationale Konzerne witterten gute Geschäfte. Bislang haben sich ihre Hoffnungen aber noch nicht erfüllt. Zu viele Rahmenbedingungen wie rechtliche Vorgaben sind noch unklar. Die grösste Hürde für die Unternehmen ist die Weigerung vieler Banken, Geschäfte mit dem Iran zu finanzieren. So konnte beispielsweise die Fluggesellschaft IranAir bislang nur drei Airbus-Flugzeuge von insgesamt 100 bestellten übernehmen, weil sie bar bezahlt wurden.

Insgesamt wächst die Wirtschaft des Iran wieder. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet für 2016 mit einem Anstieg der Wirtschaftsleistung von 4 bis 5 Prozent. Vor dem Atomabkommen traute der IWF dem Iran nur ein Plus von 1,3 Prozent zu. Viele Iraner sind mit der Entwicklung aber unzufriefen. Offiziellen Angaben zufolge liegt die Arbeitslosigkeit bei 12 Prozent. Unabhängige Analysten gehen sogar von 20 Prozent aus.

Stützbein Ölindustrie

Die Wirtschaft des Iran wächst vor allem dank der Ölexporte. Nachdem die Sanktionen gegen das Land im Zuge des Atomabkommens weitgehend aufgehoben wurden, will der Iran Marktanteile zurückgewinnen. Bei der Ende letzten Jahres beschlossenen Förderkappung von Opec- und Nicht-Opec-Ländern zum Stopp des Ölpreisverfalls setzte Opec-Mitglied Iran deshalb eine Ausnahmeregelung durch und durfte seine Förderung leicht erhöhen. Insidern zufolge konnte der Iran mit dem Verkauf seiner Öllagerbestände sogar Kapital aus der Förderbremse schlagen. Derzeit wird eine Verlängerung diskutiert. Der Iran ist bereit, daran teilzunehmen, sofern bei den Opec- und Nicht-Opec-Staaten Konsens herrscht.

(sda/reuters/jfr)