Wird Florida zum Schicksalstag bei den republikanischen Vorwahlen? Lange hat Marco Rubio wohl gedacht, dass es ein leichtes Heimspiel für ihn wird. Jetzt könnte es zu spät für ihn sein - mit grosser Tragweite für die gesamte Nation.

Wer trommelt für Marco Rubio?

Maryellen Kirkwood hat die Broschüren, Flugblätter und Aufkleber auf ihrem Tisch mit Steinen beschwert. Den lebensgrossen Donald Trump in Pappe neben ihr musste sie mit einem Seil an einem Lichtmast befestigen. Es ist stürmisch in Sarasota am Golf von Mexiko wenige Tage vor der möglicherweise vorentscheidenden Präsidentschafts-Vorwahl der Republikaner in Florida.

Aber der 64-Jährigen macht es nichts aus, dass der Wind ihr weisses T-Shirt mit der Aufschrift Trump ständig aufbläht wie einen Ballon. Sie gehört zu den ganz fest Überzeugten, sitzt hier - vor einem Behördengebäude - schon seit kurz vor acht Uhr morgens, rechtzeitig zur Öffnung der Türen für Frühwähler.

Und wer trommelt für Marco Rubio? Fehlanzeige. «Sie kommen meistens nur kurz am Morgen, stellen ein Plakat auf», sagt Kirkwood. «Dann sind sie wieder verschwunden.»

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Politischer Schicksalstag

Es ist symptomatisch. Für Rubio, den 44-jährigen Senator aus Florida, geht es bei den Vorwahlen am Dienstag um Alles. Verliert er gegen Trump, muss er einpacken, unweigerlich - und hat womöglich entscheidend dazu beigetragen, dem Populisten Trump den Weg zur Spitzenkandidatur zu ebnen.

Ein wirklich politischer Schicksalstag also. Trotzdem sieht es nicht danach aus, als würde sich sein Wahlkampflager nun die Beine ausreissen, um nach den für den «Homeboy» vernichtenden Umfragen zu retten, was noch zu retten ist.

Zwar reist Rubio jetzt im Staat von einer Kundgebung zur nächsten. Und Fernsehzuschauer werden mit düsteren Werbespots gegen Trump überflutet, finanziert von finanzschweren Anhängern des republikanischen Establishments, die den Multimilliardär stoppen wollen.

Vernachlässigte Parteibasis

Aber das, was man im Wahlkampf «groundwork» nennt, die Basisarbeit der Fusssoldaten, die an Türen klopfen und zum Telefon greifen, das sieht man in Rubios Kampagne kaum. Und wenn überhaupt, dann erst seit kurzem.

Trump hat das anders gemacht. Schon im November hat er in Sarasota sein Hauptquartier für den Florida-Wahlkampf eröffnet, an der State Street, der Staatsstrasse. Und dann kam er schon frühzeitig immer wieder mal nach Florida, Heimat von sechs Trump-Wohnhochhäusern, zwei Trump-Golfhotel-Anlagen und seinem Privatclub Mar-a-Lago in Palm Beach mit 58 Schlafzimmern, 33 Badezimmern und drei Bunkern.

Der «kleine Marco», wie ihn Trump nennt, konzentrierte sich derweil auf den nationalen Wahlkampf, anscheinend überzeugt davon, dass er ihn in Florida wenig nötig habe - trotz Trumps Höhenflug. Erst Anfang Februar kam seine Wahlkampfmaschine in Florida mehr in Schwung - zu spät für das «groundwork». Ein möglicherweise fataler Strategiefehler.

Rubios schlechtes Image

Die Abwesenheit hat bei vielen den Eindruck verstärkt, dass Rubio ein Karrierepolitiker ist, der eigentlich nie richtig hart gearbeitet hat - auch nicht im Senat. Es ist einer der Vorwürfe seiner Konkurrenten Trump und Ted Cruz, dass Rubio sich dort wenig habe blicken lassen. Die Schule geschwänzt habe, wie Kirkwood es formuliert; «Ein Mann, der viel verspricht, aber am Ende nichts macht.»

2010 hatte sie noch für Rubio gestimmt, im Senatsrennen zwischen ihm und dem einstigen republikanischen Gouverneur Charlie Crist. Der war damals Wunschkandidat des Establishment wie heute Rubio, sein junger Widersacher, damals Liebling der rechtspopulistischen Tea Party.

Von ihr getragen gewann Rubio - und enttäuschte seine Fans schwer, als er im Senat einen moderaten Kompromisskurs in Sachen Einwanderungsreform verfolgte.

Kein «Rubio Country»

Das macht es jetzt schwerer für ihn, sich als «wahrer Konservativer» zu präsentieren. Leute wie Kirkwood halten ihn für einen «nackten Opportunisten». Stark ist diese Strömung vor allem im nördlichen Küstenstreifen des Staates am Golf von Mexiko, auch «Redneck Riviera» genannt.

Hier ist die Hochburg der Erzkonservativen, der extremen Waffenliebhaber und fanatischen Abtreibungsgegner. Hier gibt es auch mehrere Militärbasen, viele Soldatenfamilien. Ganz klar nicht «Rubio Country».

Florida ist nicht homogen

Insgesamt hat Florida, mit 20,3 Millionen Einwohnern Nummer drei nach Kalifornien und Texas, eine vielschichtige Bevölkerungsstruktur. 19,1 Prozent sind über 65 Jahre alt, die Latinos machen 24,1 Prozent aus, die Schwarzen 16,8 Prozent, die jüdische Gemeinschaft ist ebenfalls beträchtlich.

Und: Die republikanische Wählerschaft ist nicht homogen. Von Nord nach Süd wird sie etwas gemässigter, mit dem grössten Mittelmass wohl an der westlichen Golfküste mit ihren vielen Rentnern und Zugezogenen aus dem mittleren US-Westen.

Grosse Bedeutung

Diese Vielfalt macht die Vorwahlen hier - neben der winkenden fetten Delegiertenzahl für den Nominierungsparteitag - stets besonders bedeutsam. Wer in Florida gewinnen will, braucht eine gute Wahlkampf-Organisation, die auch national funktionieren kann.

Da hat Rubio, wenn er denn das Ruder am Dienstag überhaupt noch herumreissen kann, grossen Nachholbedarf. Man muss nur den Collegestudenten John Bush sehen. Einsam steht er seit Tagen jeden Abend in Sarasota an einer Strasse, hält ein Rubio-Plakat hoch. Ein Autofahrer kurbelt sein Fenster herunter. «Geh nach Hause», ruft er 19-Jährigen zu. «Oder willst du dich mit mir prügeln?»

(sda/ccr)