Es gibt nicht viele Schweizer, die nach 1950 den Bau eines eigenen Fahrzeugs wagten. Dr. Emil Enzmann ist eine der wenigen Ausnahmen. Der Landarzt aus Schüpfheim im Entlebuch, von Kindesbeinen an Autonarr, nutzte sein gestalterisches Talent und seine medizinischen Kenntnisse, um einen effizienten, genügsamen, sicheren und gebrauchstüchtigen Sportwagen zu bauen. Bekannt wurde dieser als Enzmann 506.

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Auf den Gedanken, ein leichtgewichtiges Fahrzeug auf VW-Chassis-Basis zu bauen, kam Porsche-Fahrer Emil Enzmann, als er eines Tages im väterlichen Garagenbetrieb ein gebrauchtes VW-Chassis fand. Aus Neugierde machte er das Chassis mit Sitzen, Lenkung usw. fahrtüchtig und staunte über die Agilität und Handlichkeit. Nach und nach gediehen die Ideen, erste Skizzen entstanden, und rasch zeigte sich die charakteristische Enzmann-Formgebung. Darauf begann Enzmann mit 1:1- Modellen zu experimentieren. Als Praktiker musste er sich in den entstehenden Sportwagen setzen, musste am «lebenden» Objekt testen können, wie es sich anfühlte. Also entstand ein Holzmodell, bei dem Holzlatten über Spanten genagelt wurden und dieses auf das Käfer-Chassis aufgesetzt wurde. Die Höhe des Nackenschutzes, die Lage des Lenkrads, die Sitzposition, alles wurde am Modell in Originalgrösse erprobt.

Der nächste Schritt war dann der Bau einer Karosserie. Das wirre Lattengebilde des Mockups wurde nun mit Blech verkleidet, es entstand eine «Meisterform». Diese wiederum war die Basis für die Herstellung einer Negativform (bei einem Bootsbauer am Neuenburgersee) aus Polyester. Das Spezielle an der Karosserie waren die fehlenden Türen. Die rundliche Form bestand aus einem Stück und war dank minimaler Öffnungen sehr steif und bog sich kaum durch. Dank der guten statischen Eigenschaften konnten die Wandstärken zwecks Gewichtsoptimierung minimiert werden.

Übersteigen statt einsteigen

Wegen der fehlenden Türen waren andere Wege nötig, um ein halbwegs kommodes Entern des Innenraumes zu ermöglichen. Enzmann sah links und rechts eine Trittnische vor. Der Fahrer überstieg die dank der flachen Form niedrige Seitenwand und stieg ins Innere. Bei der Gestaltung der Sitze nutzte Landarzt Enzmann seine anatomischen Kenntnisse und seinen praktischen Sinn. Er modellierte eine Form aus Sand, setzte sich hinein, rekelte sich und gab dem Sitz sozusagen den letzten und sehr persönlichen Schliff. Von dieser Urform wurde eine Arbeitsform abgeleitet, die dann als Basis der Sitzfabrikation bei einem spezialisierten Hersteller von Kunststoffstühlen für die Produktion der Sitze genutzt werden konnte. Leicht mit Schaumgummi gepolstert und mit Kunstleder überzogen, gehörten die Enzmann-Sitze zum Besten, was Ende der 1950er-Jahre auf diesem Gebiet gebaut wurde.

Wichtig war dem Arzt die passive Sicherheit. Von Anfang an waren die Fahrzeuge mit Sicherheitsgurten (Beckengurte!) ausgerüstet, ein integrierter Überrollbügel sorgte für Schutz bei einem Überschlag, ein gepolsterter Pralltopf vor dem Beifahrer minderte die Folgen eines Unfalles. Auch das Gepäck konnte so festgezurrt werden, dass es sich bei einem Unfall nicht in Flugobjekte verwandelte.

Das Chassis stammte vielfach von Unfallautos

Ganz unverändert wurden die Volkswagen-Chassis nicht belassen, welche nicht – wie man erwarten könnte – von VW geliefert wurden, sondern durch Enzmann entweder Unfallfahrzeugen oder teilweise gar Neuwagen vom freien Markt entnommen wurden (die Karosserien verkaufte man jeweils wieder an Versicherungen). Neben dem Standard-Volkswagen-Motor mit 1192 Kubikzentimetern Hubraum und 30 PS Leistung (Stand 1959) konnte man den Enzmann auch mit getunten Motoren bis 45 PS bestellen. Und wem auch das nicht genug war, der bestellte einen Motor aus dem Porsche-Angebot. Mit nur 520 bis 550 Kilogramm Gewicht schüttelte der Enzmann 506 so Fahrleistungen aus dem Ärmel, welche auch einem damaligen Porsche gut anstanden.

1956 konnten die ersten Testfahrten durchgeführt und der Wagen am Comptoir Suisse in Lausanne präsentiert werden. 1957 wagten die Enzmanns aus Schüpfheim die Grossoffensive im nördlichen Ausland und mieteten einen Stand an der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt (IAA). Die Standnummer 506 wurde zur Typenbezeichnung.

Anders in der Schweiz: Der Auftritt am Genfer Autosalon 1957 war Emil Enzmann verwehrt worden, sodass er seine Autos vor dem Eingang der Messehalle aufstellte und Kunden damit herumfahren liess! Später, unter anderem 1960, klappte es dann mit einem offiziellen Auftritt in Genf, denn inzwischen war Volkswagen offizieller Aussteller. Somit konnten auch Aufbauten gezeigt werden. 1964 präsentierte die Chemiefirma Ciba-Geigy die Enzmann-Karosserie an der Schweizerischen Landesausstellung Expo in Lausanne.

Bis 1959 waren rund 60 Karosserien hergestellt worden, die Suche nach Volkswagen-Chassis bereitete aber einigen Kummer. Die Tatsache, dass Volkswagen einen eigenen Sportwagen, den Karmann-Ghia, baute und verkaufte, machte die Geschäfte der Enzmann-Familie zudem nicht einfacher. Deshalb wurden lediglich rund 100 Fahrzeuge/Karosserien gebaut, die letzten Karosserien wurden 1968 ausgeliefert. Trotz weitgehend stabiler Preise während der ganzen zehn Jahre – das Basismodell wurde für 9800 Franken angeboten, die schnelleren Okrasa-Versionen kosteten 11500 Franken – stellte sich der ganz grosse Erfolg nicht ein.

Von den rund 100 gebauten Fahrzeugen sollen rund 40 überlebt haben. 30 Enzmann-Sportwagen werden noch gefahren, die übrigen sind Restaurationsobjekte. Sogar in den USA fahren heute noch Enzmann-Fahrzeuge.

New Enzmann: Die Marke lebt weiter – auf Sparflamme

Neuauflage
Trotz der geringen gebauten Stückzahl ist ein Enzmann-Besitzer heute nicht alleine, wenn er in Probleme fährt. Kari Enzmann, Sohn von Pionier Emil Enzmann, setzt die Tradition fort, baut auf Bestellung in Bischofszell den Enzmann 506 wie seit eh und je auf. New Enzmann nennt man die seit einigen Jahren produzierten Sportfahrzeuge. Bisher sind es nicht ganz zehn Autos. Auch bei Restaurationen wird Hilfe geboten.