Je nach Weinbaugebiet können Rebsorten bekanntlich verschiedene Namen haben. Das wäre an sich kein Problem, wenn es nicht gleichlautende Rebsortennamen gäbe, die in verschiedenen Weinbaugebieten unterschiedliche Varietäten bezeichnen. Eine von diesen Sorten ist der Humagne Rouge.

Er gilt zwar heute als Walliser Spezialität, aber seine Wurzeln hat er im Aostatal. Dort heisst er allerdings nicht Humagne Rouge, sondern Cornalin! Cornalin? Ja, so heisst auch eine andere Rotweinsorte, die ebenfalls im Wallis als Spezialität angebaut wird, die aber mit dem Cornalin aus dem Aostatal nichts gemein hat.

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Verwirrung um Namen

Rekapitulieren wir: Der Humagne Rouge ist identisch mit dem Cornalin d’Aoste, während es sich beim Cornalin du Valais um eine alte Walliser Sorte handelt, die bis in die 1970er-Jahre im Wallis als «Landroter» oder «Rouge du Pays» bezeichnet wurde. Die Frage, wie denn der Cornalin d’Aoste zu seinem Walliser Namen «Humagne Rouge» gekommen ist, konnte bislang nicht geklärt werden, denn es besteht keine verwandtschaftliche Verbindung zwischen der weissen Walliser Sorte Humagne Blanc und dem Humagne Rouge. Wie ein DNA-Test gezeigt hat, ist der Humagne Rouge jedoch mit dem Cornalin du Valais (also dem «Landroten») verwandt. Er ist nämlich das Resultat einer natürlichen Kreuzung zwischen dem Cornalin du Valais und einer unbekannten, wahrscheinlich verschwundenen Rebsorte.

Wie auch immer! Der Humagne Rouge gelangte also aus dem Aostatal über die Alpen ins Wallis und konnte dort Fuss fassen. Allerdings führte er eher ein Nischendasein, und in den 1960er-Jahren galt er im Wallis als nahezu ausgestorben. Nur noch gerade fünf oder sechs Parzellen waren mit Humagne Rouge bestockt. Das Wallis galt damals als das Land der unkomplizierten Alltagsweine, denn die önologischen Erzeugnisse, die in «d’Üsserschwiz» gelangten, waren mehrheitlich anspruchslose Tropfen. Fendant und Dôle zu trinken, die typischen Walliser Massenweine, war – je nach Standpunkt – vaterländische Pflicht oder kulinarische Folklore.

Qualität statt Quantität

Dass die Mehrzahl ihrer Erzeugnisse niemanden zu begeistern vermochte, hatte die Genossenschaftskellerei Provins und die Weinhandelshäuser, die den Markt kontrollierten, solange nicht gestört, als sich ihre Rebensäfte im Inland absetzen liessen. Das ging lange gut – bis zu den Weinschwemmejahren 1982, 1983 und 1984. Die massive Überproduktion machte mit einem Schlag deutlich, dass man in einer Sackgasse angelangt war.

Wie in anderen, von vergleichbaren Krisen geschüttelten europäischen Weinbauregionen waren das die Geburtsjahre einer neuen, ambitionierten und önologisch bestens ausgebildeten Generation von Winzerinnen und Winzern, für die als Selbstkelterer klar war, dass der Weinbau im Wallis nur dann eine Zukunft hat, wenn man auf Qualität setzt.

Diese neue Generation von qualitätsorientierten Selbstkelterern war es auch, die den alten, aber in Vergessenheit geratenen Rebsorten wie dem Humagne Rouge wieder vermehrte Aufmerksamkeit schenkte und sie dadurch nicht nur vor dem Aussterben bewahrte, sondern ihnen zu neuem Ansehen verhalf. Mehr noch! Der Humagne Rouge, der als spät reifende Sorte nur an besten Lagen gepflanzt werden kann, ist inzwischen zu einem der roten Vorzeigegewächse vieler Qualitätsproduzenten und mit 134 Hektaren Rebfläche im Wallis zur viertwichtigsten roten Rebsorte hinter Pinot noir, Gamay und Syrah avanciert.

Begleiter zu Fleisch und Wild

Mit ihrer sortentypischen Aromenpalette von Kirschen, Waldbeeren, aber auch Veilchen, Kräutern und Gewürzen sowie ihrem stoffig-fleischigen, aber gleichwohl saftig-eleganten und von feinen Tanninen geprägtem Körper präsentieren sich die Humagne-Rouge-Weine als eigenständige, finessenreiche Gewächse mit einem recht guten Alterungspotenzial.

Bei Tisch sind sie als Essensbegleiter für kräftige Fleisch- und Wildgerichte zu empfehlen. Dies umso mehr, als das allgemeine Qualitätsniveau beeindruckend hoch ist, wie in jüngster Zeit durchgeführte Vergleichsdegustationen eindrücklich zu zeigen vermochten.

Folgende kürzlich verkostete Humagne-Rouge-Weine der Jahrgänge 2013 und 2014 sind besonders zu empfehlen: