Sein Auftritt ist wie aus einem Spaghettiwestern: Ed Fagan (49) hat das zweifelhafte Kunststück geschafft, in dem berüchtigten Berufsstand der amerikanischen Haftpflichtanwälte als der Berüchtigtste zu gelten. «Wenn ich irgendwo aufkreuze, wissen alle, dass sie Ärger bekommen», knurrt Fagan und übertreibt nicht. Seine Waffen sind Pressekonferenzen und – oft nur angedrohte – Klageschriften. Ed Fagan schiesst aus der Hüfte, mimt Solidarität und Empörung, manipuliert glänzend die Presse und lässt seinem Gegner keine Chance. Wer in den Vereinigten Staaten Geschäfte macht, Niederlassungen oder Aktionäre hat, verliert immer, selbst wenn er vor Gericht obsiegt: Er verliert Gesicht und mehr Geld durch abstürzende Kurse oder Boykotte als durch Schadenersatz. Ob im Fall der Schweizer Nazigold-Banken, gegen die er im Oktober 1996 die erste Sammelklage einreichte, der deutschen Industrie in der Zwangsarbeiterfrage, der österreichischen Atomkraftgegner im Streit um Temelin, der Hinterbliebenen des Seilbahntunnelbrandes von Kaprun oder der Opfer des Wundermedikaments Lipobay/ Baycol aus dem Hause Bayer – Fagan gibt sich als Wohltäter und Held, als der «Menschenrechtsanwalt», wie er sagt. Reportern pflegt er zu berichten, wie wohl es tue, durch seinen Beruf Gutes tun zu können.

Fagans vorerst letzter Coup: Anfang Juni stellte der Anwalt in Zürich eine Sammelklage gegen die Schweizer Banken UBS und Credit Suisse und die amerikanische Citigroup vor, welche die Opfer des südafrikanischen Apartheid-Regimes entschädigen soll. Eine Erweiterung der Klage auf DaimlerChrysler, Siemens, IBM, die Deutsche Bank und andere wird derzeit geprüft. Es geht – Bescheidenheit war Fagans Sache nie – um eine Summe von mindestens 80 Milliarden Franken.

Die Getreuen
«Ich bin Anwalt, da habe ich Freunde nicht nötig», lautet einer der Lieblingssprüche Fagans. Von Verbindungen etwa mit ehemaligen Kommilitonen von der Cardozo School of Law in New York ist denn auch nichts bekannt. Eng vertraut ist der New-Yorker allenfalls mit Kollegen, die von seinem Engagement profitieren. So mit seinem Kompagnon Carey D’Avino. Oder mit dem Münchner Statthalter Michael Witti, dessen Kanzlei so etwas wie Fagans deutscher Naziopferentschädigungs-Subunternehmer ist. In der Schweiz pflegt Fagan eine ungewöhnliche Allianz: Norbert G. Gschwend, Appenzeller Unternehmer, führt seit Jahren einen Privatkrieg mit den Banken. Gschwend wandte sich im Januar 1997 erstmals an Fagan, als dieser, Wachmann Christoph Meili im Schlepptau, die Schweizer Banken an den Pranger stellte. Aus der anwaltschaftlichen Tätigkeit Fagans entstand eine freundschaftliche Zusammenarbeit: Gschwends Gloria International Multiconsulting GmbH mit Sitz in Herisau agiert heute als Organisations- und PR-Maschinerie für Fagans europäische Kampagnen. In Südafrika hat Fagan in Dumisa Nstebeza, dem ehemaligen Vorsitzenden der Untersuchungskommission für Wahrheitsfindung und Wiedergutmachung, sowie Xolela Mangcu, Leiter der Steve-Biko-Stiftung, seine Alliierten. Erzbischof und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu sprach dem US-Anwalt ebenfalls sein Vertrauen aus. Privat ist Fagan von gewinnendem Wesen, beim Bier mit Journalisten gibt er gern die Geschichte vom treu sorgenden Familienvater mit zwei Kindern und fünf Meerschweinchen zum Besten.

Die Widersacher
Fagan, der noch während der Unterzeichnung der Zwangsarbeiter-Vereinbarung per Handy mit Stuart Eizenstat aus dem US-Finanzministerium um Honorare feilschte, hat zu seinen New-Yorker Anwaltskollegen Melvyn Weiss und Deborah Sturman ein gespanntes Verhältnis. Auch der Washingtoner Jurist und Sammelklagen-Spezialist Michael Hausfeld hält von Fagan wenig. Ihr Kollege, klagen sie, beschädige das Ansehen aller Restitutionsanwälte, sein Aktionismus schade der gerechten Sache. Zahlreiche Anwälte in der Schweiz und Österreich stören sich ebenfalls an den Praktiken des New-Yorkers. «Wir sorgen uns um das Ansehen unseres Standes», beklagt sich Niklaus Studer, Präsident des Schweizer Anwaltverbandes. Einen Schritt weiter geht der Linzer Jurist Albrecht Zauner, der Fagan vor ein österreichisches Gericht bringen will. Auf wenig Unterstützung kann Fagan seitens der südafrikanischen Regierung hoffen. Ein Sprecher von Präsident Thabo Mbeki sagte, die Regierung werde keine Haltung zu der jüngsten Sammelklage einnehmen. Bei der UBS leitet der Chef der Rechtsabteilung, Peter Kurer, die Verteidigung, bei der Credit Suisse setzt sich ein Team von schweizerischen und amerikanischen Anwälten mit Fagan auseinander.

Die Enttäuschten
Fagan fiel in seinen ersten Jahren als Anwalt eher durch protzige Büros und Steuerschulden auf. Seinen Durchbruch schaffte der gebürtige Texaner 1994 durch eine verlorene, aber extrem publicityträchtige Klage gegen Hollywood-Star Sylvester Stallone. Die forsche Gangart ihres Bruders führte dazu, dass sich Fagans Brüder Wayne und Avraham Fagan von ihm abwandten. Er habe sich sehr verändert, bedauerte die Familie. Der Schweizer Wachmann Christoph Meili wartet in Kalifornien bis heute auf die von Fagan versprochenen Millionensummen. Um schlampige Arbeit und verpasste Gerichtstermine im Fall der 52 000 Holocaust-Überlebenden ging es im August 2000 bei einem standesethischen Verfahren gegen Fagan, bei dem seine ehemalige Sekretärin Jane Warshaw als Kronzeugin auftrat. Wenig später erschien in der «New York Times» ein vernichtender Artikel des Journalisten Barry Meier, der einer Klageschrift gleichkam.

Die Polit-Connection
«Links von Attila dem Hunnen», stehe er, beschied Fagan eine Frage nach seiner politischen Position. Wenig verwunderlich, dass kaum jemand den Schulterschluss mit ihm sucht. George W. Bush versprach im Wahlkampf drastische Massnahmen zur Eindämmung der «frivolen» Klagewut. Selbst der World Jewish Congress mit seinem Präsidenten Edgar M. Bronfman und dem Generalsekretär Israel Singer sowie Ex-Senator Al D’Amato, die allesamt eine bedeutende Rolle im Kampf um die Entschädigung von Nazi-Opfern spielten, distanzierten sich von Fagan. Unter Präsident Bill Clinton und seiner Gattin Hillary Rodham Clinton, beide selbst Juristen, hatte Fagan noch einen besseren Stand, Einladung ins Weisse Haus inklusive.
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