Snoozy und Quail scharren aufgeregt in der Erde. Stephan Hilber, der Besitzer der beiden kleinen, wolligen Lagotto-Hunde, ist sofort bei ihnen, schiebt sie sanft zur Seite und gräbt am Fusse einer stattlichen Eiche den ersten Trüffel aus der Erde. «Ich muss schnell sein, sonst sind die Trüffel weg», sagt Hilber, «denn auch meine Hunde wissen, was gut schmeckt.» Als Belohnung für ihren Fund und als Motivation für die weitere Suche erhält jeder der beiden Hunde etwas Leberpâté aus der Tube. Am nächsten Fundort ist Hilber nicht rasch genug, er klaubt nur noch einen Trüffelrest aus Quails Schnauze. Nicht weiter tragisch. Am Ende der Tour hat der Trüffelsucher doch ein gutes Dutzend der edlen Knollen beisammen. Und das im Zürcher Weinland, in Wäldern, in denen vor Hilber noch kaum jemand nach Trüffeln gesucht hat.

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Es ist ein junger Trend und sicher einer der faszinierendsten im Schweizer Delikatessenmarkt. Erst vor knapp zehn Jahren tauchten die ersten Schweizer Trüffel auf den Tellern einiger angesehener Spitzenlokale auf. Gab es in den neunziger Jahren in der Schweiz nur knapp eine Handvoll Trüffelsucher, die hauptsächlich für den Eigenbedarf und ohne grosse Publizität nach der Delikatesse gruben, hat ihre Zahl im vergangenen Jahrzehnt stark zugenommen. Tuber uncinatum heisst der gar nicht so seltene Leckerbissen, zu Deutsch: Burgundertrüffel, den in unserem Land mittlerweile Hunderte von Trüffelliebhabern mit ihren Hunden aufspüren. Sie sorgen dafür, dass einheimische Trüffel in der Gastronomie nicht nur in ihrer reinen Form auftauchen, sondern zusehends auch zu Schweizer Trüffelbutter, einheimischem Trüffelkäse und anderen getrüffelten Produkten verarbeitet werden.

Kostbare Alternative. «Für Burgundertrüffel werden mittlerweile rund 600 Franken pro Kilogramm bezahlt, sechsmal mehr als für frische einheimische Morcheln und zwanzigmal mehr als für frische Steinpilze», erzählt Hilber. Und trotz ihrem noch relativ bescheidenen Bekanntheitsgrad gehören sie in der Gastronomie bereits zu den drei beliebtesten Trüffelarten. Zwar können sie preislich nicht mit den weissen Albatrüffeln mithalten, die in guten Jahren bis zu 8000 Franken pro Kilogramm kosten, und auch nicht mit den schwarzen Trüffeln aus dem südfranzösischen Périgord, die beinahe doppelt so teuer sind wie Burgundertrüffel. Dennoch sind sie zu den Importtrüffeln eine mehr als geschmackvolle Alternative.

Während viele Trüffelsucher den neuen Boom auf den Wandel des Klimas zurückführen, das mit seinem mediterranen Einschlag auch nördlich der Alpen zu einem vermehrten Wachstum der edlen Knollen geführt haben soll, hat der französische Spitzenkoch Jean-Marie Dumaine dafür eine ganz andere Erklärung. Er zeichnet in seinem soeben erschienenen Buch «Trüffel, die heimischen Exoten» nach, dass etwa im süddeutschen Raum noch bis in die dreissiger Jahre des 20.  Jahrhunderts Trüffel in grossen Mengen gesucht wurden. Unter den Nazis entwickelte sich dann aus kaum nachvollziehbaren Gründen eine trüffelfeindliche Ernährungspolitik. 1935 bereits liessen die Nationalsozialisten die Produktbezeichnung «deutsche Trüffel» verbieten. Bis heute dürfen in Deutschland im Gegensatz zur Schweiz grundsätzlich keine Trüffel gesucht werden. Ein Verbot, das sich auf den ganzen Trüffelmarkt nördlich der Alpen ausgewirkt habe, so der deutsche Trüffelexperte Nikolai Wojtko. Dabei gab es in den zwanziger Jahren auf Bouillondosen der Marke Liebig noch Werbebildchen, auf denen badische Pilzsucherinnen mit Körben voller Trüffel abgebildet waren. In der Schweiz existierte zwar nie ein Verbot, doch sei anzunehmen, so Dumaine, dass noch im 19.  Jahrhundert auch hierzulande intensiv nach den schmackhaften Pilzen gesucht worden sei. Eine Tradition, die im 20.  Jahrhundert nicht zuletzt aufgrund der Entwicklungen in Deutschland völlig in Vergessenheit geriet.

Mit welcher Begeisterung Schweizer Trüffelsucher heute ihrem Hobby nachgehen, zeigte sich im September am erstmals von der neu gegründeten Schweizerischen Trüffelvereinigung in Bern durchgeführten Trüffelmarkt. Rund zwei Dutzend Trüffelsucher verkauften die Ausbeute der ersten Wochen ihrer herbstlich-winterlichen Arbeit. Körbe voller Herbsttrüffel wurden dabei präsentiert, die grössten einige hundert Gramm schwer. Die Burgundertrüffel sind zwar nicht die einzige Sorte, die man hierzulande findet, sie machen aber doch etwa 90 Prozent der Funde aus.

Vorsicht vor Betrügern. Beliebt ist das Zürcher Weinland, eine der Gegenden, in denen Stephan Hilber seit einigen Jahren mit seinen italienischen Lagotto-Hunden nach Trüffeln sucht. Nicht aufs Geratewohl, sondern sehr gezielt. Burgundertrüffel wachsen vor allem in Symbiose mit Laubbäumen, vorab Eiche und Haselbäumchen, sofern die Böden kalkhaltig und locker sind. Das ist in vielen Tälern des Aargaus und auch im Norden des Kantons Zürich der Fall, wo Hilber mit seinen Hunden Trüffel aufspürt. Hilber, der über die Hundezucht zum Hobbytrüffeln gefunden hat, holt in einer guten Saison einige Dutzend Kilo der Delikatesse aus der Erde. Mehr als genug, um damit das eine oder andere Lokal zu beliefern.

Da die Gastronomie aufgrund der oft sehr unregelmässig ausfallenden Funde nicht zuverlässig beliefert werden kann, hat sich Hilber Alternativen ausgedacht. Gefunden hat er den Toggenburger Starkäser Willi Schmid, der mit Hilbers jüngsten Funden einen Trüffelkäse kreiert hat, der am Swiss Cheese Award in Neuenburg 2010 bereits mit einem Diplom ausgezeichnet wurde. Zu Recht, denn der edle und teure Trüffelkäse aus Büffelmilch wird seinem Namen mehr als gerecht, derweil die Mehrzahl der als getrüffelte Käse verkauften Produkte im Schweizer Lebensmittelhandel vor allem mit synthetisch hergestelltem Trüffelöl versetzt werden.

Köche, die bis vor wenigen Jahren ausschliesslich Alba- oder Périgordtrüffel auf der Menukarte hatten, sind von den einheimischen Knollen begeistert. «Es ist reine Vertrauenssache, wenn ich von einem Händler Trüffel kaufe, und einheimische Trüffel sind meistens frischer als Importware», sagt etwa Werner Tobler, Spitzenkoch aus dem luzernischen Hochdorf. «Auch wenn ich Périgord- oder Albatrüffel sehr schätze, benötige ich nur noch wenige Kilogramm davon. Von den Burgundertrüffeln habe ich im vergangenen Jahr aber rund 120 Kilogramm verarbeitet.» Tobler gehört neben einer Handvoll weiterer Schweizer Köche zu den Vorreitern des Trüffelbooms. Bisher waren einheimische Trüffel auf Wochenmärkten oder im Delikatessenhandel kaum zu haben, wurde doch ausschliesslich die Spitzengastronomie damit beliefert. Das dürfte sich in den nächsten Jahren ändern, glaubt Stephan Hilber, denn das Interesse am Trüffeln sei ungebrochen. Hilber sieht dies an der Nachfrage nach geeigneten Trüffelhunden, die er seit zehn Jahren züchtet. Zwar kann man vielen Hunderassen das Trüffeln beibringen, doch haben sich vor allem die italienischen Lagotto-Hunde bewährt, die auch in ihrer Heimat für die Trüffelsuche eingesetzt werden.

Wie sehr sich aufgrund der hohen Preise und des veränderlichen Geschmacks Betrügereien im Trüffelmarkt häufen, ist aus Italien und Frankreich hinlänglich bekannt. Immer wieder fliegt ein Skandal auf, beispielsweise wenn minderwertige chinesische Trüffel auf den Märkten des Périgord oder des Piemonts als einheimisch und darum weit teurer verkauft werden. Trüffel aus China sind laut der Schweizerischen Trüffelvereinigung im Jahr 1995 erstmals auch in der Schweiz aufgetaucht. Findige Importeure hätten diese unter die von blossem Auge kaum zu unterscheidenden Périgordtrüffel gemischt und so ein Mehrfaches der Importpreise erzielt. Die Schweizerische Lebensmittelkontrolle fand in Würsten und Käse gar eingefärbte Champignons und Olivenstückchen, die als Trüffel deklariert waren.

Echt sind die Trüffel, die Hilber nach seiner Tour durch das Zürcher Weinland in einer Tupperwaredose verstaut. Die Suche hat sich gelohnt, vergessen sind die Nachmittage, an denen er ohne den kleinsten Fund nach Hause zurückkehren musste. Und mit der jüngsten Ausbeute von gut einem halben Kilogramm der schmackhaften Edeldelikatesse sind seine Hoffnungen auf eine ertragreiche Saison gestiegen. Denn diese dauert bei günstigen Bedingungen bis in den Februar hinein.