Ihre lukrativsten Geschäfte waren stets diejenigen, die nicht zu Stande kamen. Den Zauderern unter ihren vermögenden Kunden hat die Kunsthändlerin Angela Rosengart (69) eine Kollektion von unvergleichlichem Wert zu verdanken. Weil sich Privatsammler und Museumsdirektoren scheuten, avantgardistische Positionen beizeiten zu erwerben, blieben Meisterwerke von Gestaltungsgenies wie Klee, Matisse und Picasso in ihrer Luzerner Galerie zurück und wuchsen der Inhaberin mit der Zeit ans Herz. «Ich bin im Grunde gar keine Sammlerin», beteuert die stolze Eignerin einer Gemäldekollektion von Weltformat. «Nur kann ich mich manchmal von einem Bild nicht mehr trennen.»

Was bei der Grande Dame der helvetischen Kunsthandelsszene und ihrem 1985 verstorbenen Vater, dem Galeriegründer Siegfried Rosengart, im Verlauf eines halben Jahrhunderts an erstklassiger Ware «hängen geblieben» ist, gilt selbst in der mit Kunstsammlungen verwöhnten Schweiz als absolut einzigartig: über 200 Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen von herausragenden Malern des Impressionismus und der klassischen Moderne, darunter eines der weltweit qualitätsvollsten Klee-Konvolute und ein ausladender Querschnitt durch Picassos Spätwerk, der in der Kunstwelt seinesgleichen sucht.

Im Zentrum von Luzern, direkt neben dem Hauptbahnhof und in bequemer Gehdistanz zum neuen Kunst- und Kongresszentrum (KKL), hat Angela Rosengart der Schweizerischen Nationalbank ein repräsentatives Gebäude abgekauft, wo sie ihre bislang privat gehorteten Schätze ab Ende März 2002 in Form einer Museumsstiftung ausbreiten wird. Im Hinblick auf die Publikumsöffnung können selbst Habitués des helvetischen Kunstbetriebs ihre Vorfreude nicht verhehlen: «Die Sammlung gehört mit Sicherheit in die höchste Liga», lobt etwa Toni Stooss, langjähriger Direktor des Kunstmuseums in Bern. Der Basler Art-Advisor Martin Schwander stuft die bevorstehende Museumstaufe als «ein Ereignis mit internationaler, wenn nicht gar weltweiter Ausstrahlung» ein. Und die Fachfrau Janet Briner aus Genf, spezialisiert auf die Schätzung von Kunstwerken, spricht von einem «Riesengeschenk für die Zentralschweiz» und vermutet: «So etwas werden wir kaum nochmals erleben.»

Die Stifterin vom Vierwaldstättersee war zeit ihres Lebens die Diskretion in Person. Und sie ist es bis heute geblieben. Von der breiten Öffentlichkeit unbemerkt, lebt Angela Rosengart in einem unauffälligen Haus in der Stadt Luzern, fährt einen dreissigjährigen Volvo, behängt sich nie mit protzigem Schmuck und verbringt ihre Winterferien in einem bescheidenen Hotel in Arosa. «Angela Rosengart hat emotionell und materiell alles in Kunst investiert», erklärt eine ihr nahe stehende Person. Dass die unprätentiöse Luzernerin bis vor kurzem in den Kunstmetropolen London und New York bekannter war als in ihrer Heimatstadt, versteht sich vor diesem Hintergrund beinahe von selbst.

Obschon die Stargaleristin gegenwärtig einem gewissen Gesinnungswandel unterliegt und ihren jahrzehntelang gepflegten Low-Key-Auftritt mit Blick auf ihre neue Rolle adjustiert, bleibt Rosengart ihrer berufsinhärenten Verschwiegenheit auch in kniffligen Situationen treu. «Wie viel ein Bild wert ist, weiss man erst, wenn man es verkauft hat», pariert sie die für ein Wirtschaftsmagazin relevante Frage nach dem Wert ihrer Sammlung überaus schlagfertig. Die über siebzig Picassos (32 Gemälde und 44 Zeichnungen) in ihrer Kollektion liessen sich nicht mit Werken aus der kubistischen oder gar der blauen Schaffensphase des Malers vergleichen, relativiert sie geschickt. Für die Letzteren werden auf internationalen Auktionen bekanntlich schon einmal fünfzig Millionen Dollar und mehr geboten.

Glücklich darf sich schätzen, wen die Multimillionärin persönlich durch ihre hochkarätige Sammlung führt. Ganz anders als in den meisten öffentlichen Häusern, wo die enzyklopädischen Schaubestände ohne erkennbare Handschrift angehäuft wurden, verbindet Angela Rosengart mit jedem einzelnen Bild eine individuelle Erinnerung. Dass die Mäzenin zeit ihres Lebens eine attraktive Frau war, hat ihr seinerzeit kein Geringerer als Pablo Picasso bezeugt. Zwischen 1954 und 1966 bat der Maestro die Luzernerin nicht weniger als fünfmal zum Porträt. Sieht man die rüstige Sammlerin heute neben einem der damals entstandenen Zeichnungen stehen, so scheint es, als habe sich seither in ihrem ausdrucksstarken Gesicht kaum etwas verändert.

Das Fundament für Angela Rosengarts stupende Karriere hat ihr Vater Siegfried Rosengart (1894–1985) gelegt, ein Bayer mit jüdischen Wurzeln. Im Auftrag seines Onkels Heinrich Thannhauser, der in München einen florierenden Kunsthandel betrieb, war Siegfried Rosengart in die Schweiz übersiedelt und hatte 1920 in Luzern eine Filiale eröffnet, die er zuerst als Geschäftsführer, ab 1928 als Partner selbstständig führen und kurz vor dem Zweiten Weltkrieg vollständig übernehmen konnte.

Vor allem in den Zwanzigerjahren erlebte die Schweiz als Kunstumschlagsplatz eine Blüte. Vermögende Sammler aus dem Ausland, nicht wenige davon aus den Vereinigten Staaten, machten auf ihren Reisen in Luzern Station, das vorübergehend hinter Paris zum bedeutendsten europäischen Kunsthandelsplatz wurde. Als Vermittler von unorthodoxer, zu jener Zeit nicht eben leicht verkäuflicher Kunst leistete der Vater echte Pionierarbeit. Wie ein Handelsreisender, erzählt man sich, sei er in den Anfangsjahren von Ort zu Ort gezogen und habe interessierten Sammlern Originale aus seinem innovativen Fundus unterbreitet. So fuhr Siegfried Rosengart – um ein gut dokumentiertes Beispiel zu nennen – am 22. Mai 1931 mit der Eisenbahn nach Basel, um den begüterten Sammler Doktor Hofmann-Stehlin in dessen Villa aufzusuchen. Im Gepäck führte er nebst diversen Zeichnungen von Matisse und Gris zwei Ölgemälde von Pablo Picasso mit sich. Für 7800 Franken kaufte Hofmann-Stehlin damals einen der beiden Picassos, «Le poète» von 1912, ein Werk, das sich heute im Besitz der Öffentlichen Kunstsammlung Basel befindet. «Hinsichtlich der Verbreitung von impressionistischer und klassisch moderner Kunst in der Schweiz hat Siegfried Rosengart einen enormen Beitrag geleistet», bekräftigt die Genfer Kunstexpertin Janet Briner, die als Verwalterin der Thannhauser-Archive mit der Materie aufs Engste vertraut ist.

Zur internationalen Klientel des Galeristen, der 1933 das Schweizer Bürgerrecht erworben hatte, zählten seinerzeit etwa die kunstvernarrte Etta Cone aus Baltimore, der Londoner Kunstseidenfabrikant Samuel Courtauld sowie der deutsche Baron von der Heydt, Besitzer des berühmten «Monte Verità» in Ascona. «Müsste ich allein von den Luzernern leben», beliebte Rosengart zu scherzen, «wäre ich längst verhungert.» Auch der Zürcher Waffenhändler Emil Bührle ging in der Galerie an der Luzerner Haldenstrasse ein und aus und kaufte Siegfried Rosengart – zu Preisen, die aus heutiger Sicht geradezu lächerlich niedrig erscheinen – Meisterwerke von van Gogh, Cézanne und Manet ab.

Lange bevor er mit millionenschweren Sammlern ins Geschäft kam, hatte Angela Rosengarts Vater durch Vermittlung eines Pariser Schriftstellers den damals noch nicht so bekannten Pablo Picasso kennen gelernt – ein Kontakt, der sich zu einer jahrzehntelangen freundschaftlichen Beziehung auswuchs und sich für die Laufbahn des Händlers als prägende Fügung erweisen sollte. Ausser mit Picasso pflegte Rosengart auch mit Georges Braque, Marc Chagall und Henri Matisse einen vertraulich-engen Umgang und trug massgeblich zur Verbreitung von deren Werken in Museen und Privatsammlungen auf der ganzen Welt bei.

Bei allem, was der Vater tat, stand immer sein untrügliches Gespür für grosse Malerei und die Ablehnung alles Zweitklassigen im Vordergrund; das Prinzip, nie ein Bild zu kaufen, nur weil es Gewinn versprach, ohne einem rigiden Qualitätsanspruch standzuhalten. «Als Sammler kaufen und als Händler verkaufen», lautete der Ehrenkodex des Bajuwaren, den Zeitzeugen als dominant und humorvoll beschreiben.

Seiner 1932 in Luzern geborenen Tochter war Siegfried Rosengart ein ebenso strenger wie liebevoller Lehrmeister. Ihr Interesse an der Kunst wusste er dadurch zu wecken, dass er das Einzelkind schon in jungen Jahren auf ausgedehnte Museumsbesuche mitnahm. Auf diesem frühen pädagogischen Fundament wuchs eine beinahe symbiotische Beziehung, die umso inniger wurde, als die Mutter an einer schweren Diabetes litt und den Platz an der Seite ihres aktiven Gatten nur ansatzweise auszufüllen vermochte. Als Teenager interessierte sich Angela eine Zeit lang brennend für das klassische Griechenland und verschlang alles, was ihr dazu in die Hände fiel. «Ich wollte später unbedingt Archäologie studieren», blickt sie auf diese Phase zurück. Doch eine höhere Ausbildung schien für ein Mädchen seinerzeit nicht unbedingt erforderlich, und so kam es, dass der autonome Berufswunsch nie in Erfüllung ging.

Mit sechzehn, unmittelbar nach Abschluss des neunten Schuljahrs, trat Angela Rosengart als «Lehrmädchen» in die Galerie ihres Vaters ein. Dieser hatte beim Skifahren kurz zuvor einen schweren Beinbruch erlitten und benötigte im Geschäft dringend eine Hilfe. Mit selbst verdientem Geld erwarb Angela kurze Zeit später ihr erstes Kunstwerk: eine Zeichnung von Paul Klee für fünfzig Franken! Siegfried Rosengart förderte die Entwicklung seiner Tochter nach Kräften, versorgte sie mit Literatur über Malerei und machte sie zu seiner ständigen Begleiterin auf sämtlichen Reisen zu Sammlern und Kunden. Als er ausnahmsweise einmal allein nach Paris gekommen war, soll man ihn scherzhaft gefragt haben: «Herr Rosengart, haben Sie sich von Ihrer Tochter scheiden lassen?»

Die einnehmende Art des Vaters, gepaart mit einer hoher Sachkenntnis, verschaffte dem Duo prioritären Zugang zu Picassos Atelier, einem Ort, den viele Bewunderer als eine Art heiligen Schrein betrachteten. Ende der Vierzigerjahre hatte sie der Vater erstmals nach Paris mitgenommen und dort dem spanischen Malerfürsten vorgestellt. Insgesamt kann sich Angela Rosengart an über fünfzig Besuche bei Picasso erinnern: «Wenn er im Raum war, sah man nur noch ihn», erinnert sie sich an seine einschüchternde Präsenz. «Er frass mich praktisch auf mit seinen Augen.» Seine wechselnden Gefährtinnen und deren Kinder nutzte der Künstler zwar regelmässig als Gestaltungsvorlage; Aussenstehende porträtierte er hingegen fast nie, was besagten Rosengart-Bildnissen innerhalb seines Œuvre eine besondere Stellung verleiht. Zu etwas drängen liess sich Picasso in den wenigsten Fällen, und wer bei ihm etwas allzu direkt ansprach oder gar insistierte, erreichte oftmals das Gegenteil. «Hätte ich ihn von mir aus gefragt, ob er eine Zeichnung von mir anfertigt, wäre ich vermutlich vor der Türe gelandet», sagt die Auserwählte.

Gleichsam an der Quelle durften Vater und Tochter aus dem Eigenbestand des Künstlers auswählen. Um dieses Privileg so gut wie nur möglich zu nutzen, verbrachten die Rosengarts ihre Ferien über Jahrzehnte hinweg ausnahmslos in Südfrankreich in der Nähe von Nizza, wo seinerzeit auch Henri Matisse und Marc Chagall arbeiteten. Angelas Mutter blieb während der ausgedehnten Atelierbesuche jeweils alleine im Hotel zurück: «Sie hatte Hemmungen, weil sie kein Französisch konnte», erklärt entschuldigend die Tochter.

Mit dem Vater verstand sich Angela derweil fast ohne Worte. Ihre visuellen Vorlieben waren nahezu deckungsgleich, was bei den Ankäufen zu einer seltenen Harmonie führte. 1957, Angela war damals 25 Jahre alt, machte sie Siegfried Rosengart zu seiner Geschäftspartnerin. Von da an wurde nicht mehr nur das Künstlerische, sondern auch das Finanzielle gemeinsam geregelt. «Die Buchhaltung führten wir fortan gemeinsam», bestätigt Angela Rosengart. «Und der Gewinn wurde am Jahresende jeweils durch zwei geteilt.» Ihre individuellen Schätze, Bilder, von denen sie sich nicht mehr trennen konnten, legten die beiden trotz weitestgehender Übereinstimmung gleichwohl nie zusammen, sodass bis Mitte der Achtzigerjahre zwei separate Privatsammlungen existierten. Erst nach dem Ableben des Galeriegründers wurden die Kollektionen zusammengeführt.

Wie der Vater handelte auch Angela Rosengart, wie sie versichert, zeit ihres Lebens nur mit Kunstwerken, die ihr auch selber gefielen: «Die Kunden merken doch, ob man von einem Werk voll überzeugt ist oder dieses nur verkaufen will», sagt sie. Unglaublich, aber wahr: Bis vor kurzem bewahrte die heute Alleinstehende ihre liebsten Bilder noch in einem unscheinbaren Mehrfamilienhaus auf; eine Kollektion immerhin, deren Wert sich – konservativ gerechnet – auf 300 bis 400 Millionen Franken veranschlagen lässt. «Ich wollte inmitten meiner Sammlung leben», erklärt sie den kalkulierten Leichtsinn. Als grosszügige Leihgeberin an Museen in aller Welt schien es ihr nichts auszumachen, dass jahrzehntelang – von den Nachbarn offenbar unbemerkt – Millionenwerte über das Trottoir vor ihrem Haus getragen wurden. Erst als die Museumspläne in Luzern durchsickerten, liess Rosengart ihre Schätze vor anderthalb Jahren aus Sicherheitsgründen in einen Banksafe verfrachten.

Im gleichen Gebäude, in dem die Stifterin wohnt, befinden sich seit den Siebzigerjahren auch die Präsentationsräume der Galerie, wo sie bis dato ihre solvente Kundschaft empfängt. Interessenkonflikte, die sich aus ihrer Doppelrolle als Händlerin und Sammlerin ergeben könnten, scheint Angela Rosengart nicht zu kennen. «Die Sammlung war immer direkt neben dem Verkaufslager untergebracht», verrät sie verschmitzt. «Wir haben sie nur den Kunden nicht mehr gezeigt.» An eine wasserdichte Trennung der Bestände glaubt auch der Berner Kurator Toni Stooss: «Wenn sie beschlossen hatte, dass etwas in die Sammlung kommt, dann war es unverkäuflich.»

Einem rigorosen Verkaufs- beziehungsweise Eintauschverbot unterliegt auch die Stiftung, die Angela Rosengart 1992 gründen liess, um ihrem Vater und sich selbst ein unverrückbares Denkmal zu setzen. Mit dem frei gewordenen Nationalbankgebäude an der Pilatusstrasse 10, einem neoklassizistischen Prachtsbau, wo inskünftig über 200 Werke aus der phänomenalen Moderne-Sammlung zu sehen sein werden, scheint ein würdiger Ausstellungsrahmen garantiert. Die mit Art-déco-Elementen veredelte Zweigstelle sei mit Abstand das schönste Gebäude aus dem redimensionierten Filialnetz der Schweizerischen Nationalbank, sollen Architekturfachleute befunden haben. Kein Geringerer als der frühere SNB-Präsident Hans Meyer, ein Verehrer der schönen Künste, war es im Übrigen, der die Immobilie an bester Zentrumslage der Stiftung Rosengart für 13 Millionen Franken verkauft hat.

Die Umbaupläne und ein detailliertes Konzept für die Platzierung ihrer Preziosen auf einer Netto-Ausstellungsfäche von 1300 Quadratmetern hat die Sammlerin gemeinsam mit dem Basler Architekten Roger Diener entwickelt. Im Soussol, wo sich einst die stahlgepanzerten Tresorräume der SNB befanden, werden in einer stillen, konzentrierten Schau über hundertzwanzig zumeist kleinformatige Zeichnungen und Bilder von Paul Klee zu sehen sein, während das Erdgeschoss – gleichsam als lautstarkes Gegengewicht – den grossformatigen Leinwanderuptionen von Pablo Picasso vorbehalten bleibt. Den ganzen, nicht minder beeindruckenden Rest der Sammlung, ausgesuchte Spitzenwerke von Künstlern wie Cézanne, Monet, Renoir, Kandinsky, Braque, Léger, Matisse und Modigliani, lässt Rosengart im ersten Stock aufhängen. Hier befindet sich auch der grosse Sitzungssaal der Währungshüter, der in seinem Originalzustand belassen wurde und erschöpften Museumsbesuchern dereinst als Ruhezone dienen soll.

Über die Zusammenarbeit mit der Museumsstifterin ist Diener, der Architekt, des Lobes voll. Ihr Verhalten sei «ebenso dezidiert wie charmant», charakterisiert er die autoritäre Anmut, die Angela Rosengart auszeichnet. Eine Museumsstiftung zu planen und in die Tat umzusetzen, ist kein Sonntagsspaziergang. Umso bemerkenswerter, dass sich die bald siebzigjährige Mäzenin das Heft nie aus der Hand nehmen liess und ihre persönlichen Vorstellungen – wirkungsvoll unterstützt von zwei vormaligen Luzerner Stadträten – vollumfänglich durchgesetzt hat. «Ich sage meine Meinung, wenn ich glaube, dass etwas falsch läuft», postuliert die vermeintlich stille Luzernerin, die sich schon als kleines Mädchen gezwungen sah, Muskeln zu bilden, um neben ihrem dominanten Lehrmeister zu bestehen; ein Training, das ihr bis heute zugute kommt: «Ich sehe zwar sanft aus», lächelt Rosengart, «kann aber, wenn es sein muss, auch dreinhauen.»

Auf eine Verpflegungsstätte in ihrem Museum hat die Puristin bewusst verzichtet. Was sie verabscheut, ist jegliche Form von Event-Kultur. Der publikumswirksamen und heute in der Kuratorenszene so beliebten Gegenüberstellung von Werken aus verschiedenen Epochen kann Rosengart nichts abgewinnen. So hat sie der designierten Kuratorin des Museums präventiv untersagt, irgendwelche Wechselausstellungen zu veranstalten. Die Qualität der Sammlung ist es, die das Publikum nach Luzern ziehen wird. Davon ist Angela Rosengart überzeugt.

Kein Degas, kein Gauguin, kein van Gogh, und auch Vertreter der surrealistischen Schule sucht man an der Pilatusstrasse vergeblich: Werden Kritiker dies nicht als störende Lücke empfinden? Im Gegenteil, glaubt der Experte Martin Schwander. Gerade diese Parteilichkeit bei der Künstlerauswahl, sagt er, sei das Salz in einer echten Privatkollektion. «Was ich nicht mag, befindet sich auch nicht in der Sammlung», ergänzt die Hausherrin selbstbewusst. «Die Besucher müssen meinem Geschmack folgen.»

Gemessen an dem, was sie in ihrem Leben erreicht hat, ist die resolute Kunstenthusiastin erstaunlich jung und neugierig geblieben. Auf dem Gebiet des zeitgenössischen Schaffens kennt ihre Experimentierfreude allerdings Grenzen. Raumgreifende Materialschlachten und installative Videokunst findet sie – mit einem Wort – grauenhaft: «Da lasse ich den Laden herunter.» Auch ins Theater zieht es Rosengart nicht mehr so häufig wie früher: «Was ich total auf der Latte habe, ist Shakespeare in Bluejeans», bekennt sie mit trockenem Humor.

Ihre Handelsaktivitäten will Rosengart nach der Museumseröffnung auf jeden Fall «genau so wie bisher» weiterführen. Was das heisst? Auktionen besuchen, Korrespondenz führen, telefonieren, Kunden empfangen, Beratungsgespräche führen, Dokumentationen erstellen, Leihgesuche prüfen, Versicherungsfragen abklären, Transportfirmen beauftragen, Buchhaltung nachführen und so weiter und so fort … Angestellte hat Rosengart nicht. Die Galerie führt sie seit dem Tod ihres Vaters alleine!

Ans Aufhören denkt sie keinen Augenblick: «Ich werde dies wohl nie aufgeben», erklärt sie. «Oder kennen Sie einen Kunsthändler, der vorzeitig aufgehört hat?» Ihr Vater, Siegfried Rosengart, wurde fast 92 Jahre alt und arbeitete bis an sein Lebensende. «Wir haben keine Sammlung. Wir haben einfach schöne Bilder», pflegte der Galeriegründer zu sagen. Von der erklärten Absicht, eine Sammlung aufzubauen, will heute auch seine Tochter nichts wissen: «Es hat sich so ergeben.»

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