Zu seinen Heldenzeiten legte sich Dominique Biedermann mit Konzerngranden wie Peter Brabeck oder Daniel Vasella an und zwang die Lenker der Weltkonzerne Nestlé und Novartis fast in die Knie.
 
Jetzt ist alles etwas kleiner beim 59-jährigen Gründer der Genfer Anlagestiftung Ethos. Seine Gegnerinnen sind die Post-Pensionskassenchefin Françoise Bruderer und die Basler Rechtsprofessorin Monika Roth. Am 5. Dezember traten sie abrupt aus dem Verwaltungsrat zurück, weil sie das Machtgebaren Biedermanns nicht mehr hinnehmen wollten. Für den Vorreiter guter Unternehmensführung geht es plötzlich nicht mehr um hehre Governance-Prinzipien, sondern um Menschliches, Allzumenschliches: Eitelkeit, Macht und Familiendrama. Um sein Lebenswerk also.
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Heikler Wechsel

Der Konflikt begann, als Biedermann vor zweieinhalb Jahren den Posten des operativen Leiters an Vincent Kaufmann übergab und das Präsidium von Verwaltungsrat und Stiftungsrat übernahm. Für den Zuchtmeister der Corporate Governance ein heikler Wechsel: Schon seit längerem verfügen die Gebote guter Unternehmensführung, dass der Chef nicht direkt ins Kontrollgremium wechselt. Nicht nur vertat Ethos damit eine Chance, nach den Kämpfen gegen Doppelmandate und Salärexzesse ein neues Feld aktiv zu besetzen. Es verstiess auch indirekt gegen die eigenen Prinzipien, denn die Stiftung gehört dem International Corporate Governance Network (ICGN) an, das derartige Wechsel ächtet.
Françoise Bruderer (l.) und Monika Roth

Konflikte in der Führungsriege: Die Ex-Verwaltungsrätinnen Françoise Bruderer und Monika Roth (v.l.).

Quelle: ZVG

Im Verwaltungsrat kam es zu heftigen Diskussionen. Man einigte sich mit Biedermann, dass er mit der Übernahme des Präsidiums auch seine eigene Nachfolgeplanung angehe. Eine Konstellation war besonders heikel: Mit Yola Biedermann leitete die Ehefrau des Gründers den wichtigsten Bereich, Corporate Governance. Sie hatte Kaufmann ausgebildet, er war sogar einmal ihr Stellvertreter. Unter Kaufmann seine Ex-Chefin, über ihm der Präsident und Gatte seiner Unterstellten – kaum ein leuchtendes Beispiel für Best Practice der Unternehmensführung.

Treuer Romand ohne Widerworte

Das Fatale daran: Biedermann bewies geradezu exemplarisch, warum der direkte Wechsel eines CEO auf den Präsidentenposten problematisch ist. Weiterhin trat er als Aushängeschild von Ethos auf. Der Verwaltungsrat ermahnte ihn, Kaufmann besser aufzubauen, doch das gelang nur schleppend, was auch an den mangelnden Deutschkenntnissen des Nachfolgers lag.
 
In den Kontrollgremien drängten vor allem Bruderer und Roth auf eine Beschleunigung der Nachfolgeplanung für das Ehepaar – offenbar zu dessen Unmut. Denn als im September Vizepräsident Claude-Victor Comte unerwartet verstarb, berief Biedermann nicht etwa Roth zur Vizepräsidentin, wie es aus Diversitätsgründen gerade bei einer Ethos eigentlich geboten gewesen wäre. Zum Zug kam der Waadtländer Philippe Doffey – ein treuer Romand ohne Widerworte.
Vincent Kaufmann

CEO Vincent Kaufmann

Quelle: Keystone

«Elementare Grundsätze»

Für Bruderer und Roth ein weiteres Signal, dass die Nachfolgeplanung weiter auf die lange Bank geschoben würde. Unterstützung fanden sie zunächst bei dem ehemaligen Zuger Regierungsrat Hanspeter Uster, seit Juni Vizepräsident des Stiftungsrats. So entspann sich im Vorfeld der VR-Sitzung vom 5. Dezember ein Disput: Biedermann wollte durchsetzen, dass die Planung der Nachfolge von Yola Biedermann an seinen Zögling Kaufmann delegiert würde.
 
Uster widersprach jedoch in einer Mail («Lieber Dominique») scharf. Eine derartige Delegation verstosse gegen das Obligationenrecht: «Mich überrascht, dass du trotzdem eine Delegation als möglich erachtest; eine solche ist verboten.» Uster teilte Biedermann mit, dass allein die Vizepräsidenten über die Nachfolgeplanung für Yola Biedermann entschieden: «Du bist, da jeder Entscheid in der Nachfolgeplanung direkt oder indirekt deine Frau betrifft, für die Nachfolgeplanung Direktion im Ausstand.» Und ermahnte den vermeintlichen Musterknaben der Corporate Governance wie einen Schulbuben: «Es geht hier nicht um Spezialfragen, sondern um elementare Grundsätze der Governance.»
Hanspeter Uster

Verwaltungsrat Hanspeter Uster

Quelle: ZVG

Grosse Erschütterung

An der Sitzung am 5. Dezember eskalierte der Konflikt. Biedermann schlug vor, zunächst eine Autoevaluation bei dem langjährigen HSG-Professor Martin Hilb in Auftrag zu geben, bevor die Nachfolgeplanung angegangen werde. Für Bruderer, die dieses Thema am stärksten forciert hatte, der ultimative Beweis, dass Biedermann es mit der Nachfolgeplanung nicht ernst meinte – sie entschloss sich zum Rücktritt.
 
Noch grösser war die Erschütterung von Roth an diesem Tag – allerdings aus einem anderen Grund. Ethos war in der epischen Schlacht um den Bauzulieferer Sika erstmals als Nebenkläger aufgetreten und kämpfte an der Seite des aufständischen Verwaltungsrats gegen den Verkauf an Saint-Gobain. Die treibende Kraft war auch hier Biedermann, der mit dem Entscheid voll ins Risiko ging: Bei einer Niederlage müsste sich Ethos an den Verfahrenskosten beteiligen, die sich für die Stiftung auf eine halbe Million belaufen könnten – mehr als einen Jahresgewinn. Da galt es, die Kosten tief zu halten.

«Treuwidriges Verhalten»

Bisher war es Roth, die für Ethos den anwaltlichen Beistand geleistet hatte. Für 2017 hatte sie eine Rechnung von 39'445 Franken geschickt – angesichts der gesamten Anwaltskosten des Falls von mehr als 20 Millionen Franken ein eher homöopathischer Betrag. Doch Biedermann war er zu hoch: Er wollte Roths Honorar um etwa 10'000 Franken drücken. Das Traktandum schob er am Vorabend der VR-Sitzung nach, allerdings ohne Dokumentation. An der Sitzung liess er Papiere verteilen, die die zu hohe Honorarforderung Roths belegen sollten.
 
Diese seien «inhaltlich unwahr, bewusst unvollständig und dienen dazu, Unwahrheiten zu verbreiten», schrieb Roth anschliessend an ihre Ratskollegen. «Sie wurden ganz bewusst so aufgesetzt von Dominique Biedermann und unterstützt von einem willfährigen Direktor Vincent Kaufmann, der munter mitmachte.» In einer weiteren Mail direkt an Biedermann schrieb sie: «Dein Verhalten ist treuwidrig und absolut schikanös mir gegenüber.»

«Noch nie erlebt»

Biedermann bat seinen Vize Uster um Vermittlung, doch ohne Erfolg. «Ich hatte mit Monika Kontakt, sie will keine Verhandlung und hält an ihrer Rechnung fest», schrieb er per Mail – und erteilte seinem Präsidenten eine weitere Rüge. Speziell sei, «dass die Unterlagen erst am Sitzungstag verteilt wurden, nicht am Vormittag oder zu Beginn der Sitzung, sondern erst beim betreffenden Traktandum.» Er merkte an: «Ich war und bin seit 35 Jahren in verschiedenen Räten tätig, eine solche Massregelung eines Ratsmitglieds durch einen Präsidenten habe ich noch nie erlebt.»
 
Für Biedermann ging der Schuss nach hinten los: Ethos muss die Rechnung zahlen, und Roth legte ihr Mandat mit dem VR-Sitz nieder. Eine kleine Rache gönnte sie sich noch: «Was die Akten anbelangt, so umfassten diese sehr viele Ordner; diese verbleiben bei mir aus Beweisgründen für meine Forderung und mein Mandat. Sollte Ethos Kopien wollen, so kostet das pro Kopie CHF 2 sowie die Kosten des Hilfspersonals, das die Kopien machen müsste (gegen Vorauskasse).»
 
Biedermann schickte Roth und Bruderer ein Schreiben der Genfer Kanzlei Bianchi-Schwald mit der Drohung einer Ehrverletzungsklage. Sein Vize Uster stellte sich plötzlich wendig auf seine Seite und schoss via «SonntagsBlick» auf die Ex-Verwaltungsrätinnen: «Das grösste Kapital von Ethos ist die gute Reputation. Deshalb sind diese Vorwürfe auch so schwerwiegend.» In der Tat – besonders, wenn sie stimmen.
 
Dieser Text erschien in der Januar-Ausgabe 01/2018 der BILANZ.
Dirk Schütz
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