Menschen versammeln sich vor Bildschirmen, wenn irgendwo auf der Welt ein Fussball-Finale ansteht. Oder sich Adlige andernorts das Ja-Wort geben. Oder Staatsoberhäupter auf Staatsoberhäupter treffen. Aber sowas? «Watching a screen of people on CNBC watching FB not trade on Nasdaq. Have finally found a pastime more time-wasting than actual FB», brachte es Time-Kolumnist James Poniewozik heute Nachmittag auf Twitter auf den Punkt.

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Ausgerechnet auf Twitter. Einem der grössten Konkurrenten von Facebook, dessen Börsengang seit Wochen, ja seit Monaten die Massen in den Bann - und heute eben vor den Bildschirm - zog. Ein Börsengang, der Tag für Tag mehr zum Schmunzeln und Kopfschütteln anregte - bis nun endlich der Höhepunkt erreicht war. «Facebook ist wie Griechenland. Millionen Menschen, aber kein Geschäftsmodell», unkte WebTV-Moderator Rob Vegas. 

Von wegen Kursfeuerwerk

Da sassen und standen sie (und ich) also um 17 Uhr, mitteleuropäischer Zeit, vor den Bildschirmen - und warteten und warteten. Zugleich skurril und kultig wie ein Kapuzenpulli. Technische Probleme und die Angst, dass eine allzu volatile Börseneröffnung die Märkte kräftig durchschütteln würde, liess die Nasdaq-Verantwortlichen zögern. Sehr lange zögern. 30 Minuten später war klar: Das von einigen euphorischen Stimmen herbeigeredete Kursfeuerwerk entpuppte sich als müder «Pfupf» - derart müde, dass selbst der CNBC-Kommentator leicht gelangweilt schien und sich in Galgenhumor flüchtete: «Lassen Sie uns von etwas Erfreulicherem reden - Europa...»

Trotzdem gibt es für das heutige Börsen-Debut nur ein Fazit: ein Aufsteller! Und zwar gerade deshalb, weil die Aktie nach dem ersten Handelstag genau dort wieder landete, wo sie viereinhalb Stunden zuvor gestartet war. Dieses Nullsummenspiel, das mutmasslich nur durch massive Stützungskäufe zustandegekommen war, ist Ausdruck dafür, dass die Anleger die Gefahr einer Dotcom-Blase 2.0 zumindest erkannt (noch nicht gebannt) haben.

Erinnern Sie sich noch an die Zeiten des «Neuen Marktes»? Als man eben mal 5000 Euro in Aktien mit so klangvollen Namen wie EM.TV investieren konnte und quasi im Handumdrehen Millionär war? Als das Geschäftsmodell (siehe Rob-Vegas-Tweet) keine Rolle spielte - Hauptsache das «www» war Programm?

Der viel zitierte Angstschweiss

Natürlich ist die Bewertung auch auf einem Kurs von 38 Dollar schwindelerregend. Facebook wird von den Anlegern auch nach lauem Start mit annähernd 100 Milliarden Dollar bewertet. Zur Einordnung: Im 1. Quartal wiesen Mark Zuckerberg & Co. einen Umsatz von 1,06 Milliarden aus. Mit anderen Worten: Selbst bei einer noch so optimistischen Jahresprognose dürfte das Kurs/Umsatz-Verhältnis - kurz KUV - irgendwo im Bereich eines Vielfachen von 25 zu liegen kommen. Das ist kein Wert, der einem besonnenen Anleger den viel zitierten Angstschweiss auf die Stirn treibt - nein, hier japst er verzweifelt nach Luft.

Ein Aufsteller ist das Börsendebüt aber per se deshalb, weil es stattgefunden hat. Denn ein Listing verlangt per Definition Transparenz - bis dato nicht unbedingt eine Stärke von Zuckerberg. Er muss dann konsequent mehr als jene Zahlen offenlegen, die als reiner Marketing-Gag dienen.

Etwa jene, wonach Facebook mehr als 900 Millionen Nutzer habe. Wäre das Soziale Netzwerk ein Land, wäre es nach China und Indien weltweit die Nummer drei, folgerte eine Agenturmeldung an diesem historischen Tag. Beeindruckend. Aber die Zahl der 900 Millionen Nutzer sagt überhaupt nichts darüber aus, was unter dem Strich hängen bleibt. Und darauf kommt es in der Wirtschaftswelt letztlich an. Das haben die Anleger heute erkannt. Zumindest ansatzweise.

Ja, auch ich bin regelmässiger Nutzer von Facebook. Aber Aktionär? «Gefällt mir nicht.»