Seit Putin am Gashahn dreht, versuchen sich einige Medien mit tiefschürfenden Meldungen zur drohenden Energieknappheit gegenseitig zu übertrumpfen. In diesem Fahrwasser wittern ewiggestrige Nachzügler offenbar ihre Chance, noch mal eine Lanze für die veralteten Explosionstreiblinge zu brechen und gegen die unaufhaltsam anrollende E-Mobilität zu treten. 

Das ist lustig, weil die Argumente und Forderungen so unbedarft sind. Hier sind die fünf aktuell dümmsten Aussagen zur E-Mobilität: 

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

1. Manche Politiker rufen, das Verbrennerverbot per 2035 solle man überdenken.

Tja, könnte man schon, aber man müsste es dann nicht auf später verschieben – sondern früher in Kraft setzen. Denn 2035 wird es in Europa längst keine Stinker mehr zu kaufen geben. Hat ein disruptives neues Produkt erst einmal die 1-Prozent-Hürde überwunden, ist der Siegeszug nicht mehr aufzuhalten. Für die E-Mobilität heisst das: Vor Ende des Jahrzehnts ist auf unserem Kontinent Schluss mit Kolbenmotoren. Schon vorher setzt aber eine Ausdünnung ein, die die ersten Tankstellen verschwinden lässt. Das wiederum bewegt noch mehr Leute zum Umsteigen, nicht zuletzt weil wegen einbrechender Nachfrage die Treibstoffpreise rapide steigen werden.

Der Gastautor

Christoph Erni ist CEO der Juice Technology AG in Bachenbülach. Das Unternehmen ist ein Anbieter von Ladesystemen für Elektrofahrzeuge, inklusive mobiler Geräte bis hin zu fest montierten Schnellladern. Bei den mobilen 22-kW-Ladestationen bezeichnet sich Juice Technology als Weltmarktführer. Das Unternehmen mit Sitz in Bachenbülach ZH wurde im Jahr 2014 gegründet.

Christoph Erni von juice world.
Quelle: ZVG

2. Bidirektionales Laden wird als Ei des Kolumbus angepriesen.

Nur spricht keiner davon, dass die Technologie dafür unglaublich kompliziert ist und es die Ladestationen massiv verteuert. Keiner denkt daran, dass man dann das Automobil nicht mehr ‘auto mobil’ nutzen kann, weil spontane Fahrten nicht mehr möglich sind, da zu diesem Zeitpunkt der Akku vielleicht gerade entladen wurde. Keiner erwähnt, dass Autohersteller gar nicht plötzlich drei Mal soviele Ladezyklen auf ihren Akkus wollen, weil das nur zu kürzerer Lebensdauer und vielleicht mehr Garantiefällen führt. Vergünstigtes Überschussladen dagegen braucht nur clevere Software, aber nicht mehr Hardware. Das wird kommen und deshalb lohnt es sich auch, an jedem Parkplatz eine Lademöglichkeit zu installieren.

3. E-Autofahrer sollen auf den ÖV umsteigen, fordern die Grünen.

Nun gut, das ist jetzt wirklich zu scheinheilig. Wenn die Grünen ausgerechnet jene bashen, die mit nur einem Sechstel der Verbrennerenergie herumfahren, dann haben sie vor ihrer eigenen SUV-Phobie kapituliert. Nur dagegen zu sein, ist halt noch kein Parteiprogramm. Aber konstruktiv wäre zum Beispiel, am Stadtrand Umsteigebahnhöfe mit Ladestationen zu fordern und zu fördern.

4. E-Autos wollen schnellladen und generieren Netzspitzen.

Das mit den Netzspitzen stimmt schon. Aber dauernd schnellladen wollen nur die Verbrennerfahrer, denn sie verwechseln laden mit tanken. Tanken geht so: Man fährt an einen möglichst unwirtlichen, zugigen Ort und hält dann über fünf Minuten lang eine stinkende Zapfpistole ins Auto. Klar, das will man schnell hinter sich haben. E-Auto laden geht so: Fünf Sekunden einstecken, dann normal arbeiten oder Freizeit geniessen, fünf Sekunden ausstecken, abfahren. Deshalb reichen für 95 % der Ladevorgänge normale Ladestationen, mit denen das Netz sogar stabilisiert werden kann.

5. Wo kommt denn der Strom für die E-Autos her?

Das Beste kommt immer zum Schluss. Denn halten Sie sich fest: Wir werden keine Kilowattstunde mehr Strom brauchen als heute, selbst wenn alle Fahrzeuge nur noch elektrisch unterwegs sind. Für jeden Liter Benzin, der in Crissier aus Rohöl raffiniert wird, braucht es 1,5 kWh Strom. Bei Diesel sind es sogar über 2,5 kWh. Heute noch brauchen alle immatrikulierten Fahrzeuge im Schnitt um die 10 Liter Benzin oder 6 Liter Diesel auf 100 Kilometer. Macht also 15 kWh Strombedarf, und dabei sind Förderung, Tanker-, Zug- und Strassentransporte, Pumpen und Licht an der Tankstelle noch nicht einmal eingerechnet. Aber mit 15 kWh fährt ein E-Auto heute schon 100 Kilometer. Den Umweg übers Öl kann man sich also getrost sparen.