BILANZ: André Jaeger, sind Edelchampagner ihr Geld wert?
André Jaeger: Ich unterscheide zwischen denen, die durch Marketing teurer geworden sind, und denen, die bei Blinddegustationen exzellent abschneiden. Allgemein gilt, dass die Selektion, die Produktion, das Wissen, die Investitionen und die immense Arbeit, die in einem Spitzenchampagner stecken, ihren Preis wert sind.
Wer sind die Konsumenten?
Es gibt zwei Typen. Die Cüplitrinker, die den Champagner einfach hinunterspülen, weil es zum guten Ton gehört, sich aber nicht weiter interessieren. Und die Kenner, die Connaisseurs, die Ehrfurcht haben und Wissen mit Genuss verbinden. Champagner ist eben auch ein Getränk, das bewusst genossen sein will.
Welches sind Ihre Favoriten?
Ich bin ein Lusttrinker. Ich habe sehr gerne schöne, frische, junge Champagner mit einer feinen Perlage und einer betonten Frucht. Etwa einen Belle Epoque von Perrier-Jouët oder einen Grand Siècle von Laurent-Perrier. Die liebe ich sehr. Ebenso den Cuvée Saint-Vincent Grand Cru Blanc de Blancs von Legras. Er hat eine wunderbare Struktur, wenig Dosage und animiert zum Trinken. Ein echtes Erlebnis ist auch der Pommery Apanage. Einfach grandios, leicht und spritzig. Weiter gehört Gosset absolut zu meinen Favoriten. Drapier habe ich ebenfalls sehr gern, ein weniger bekanntes Haus, fein und elegant. Was man am liebsten trinkt, hängt auch immer ab von der Tageszeit, der Verfassung und der kulinarischen Begleitung.
Welcher Ablauf empfiehlt sich bei einem Essen mit Champagnern?
Das ist etwas vom Aufregendsten überhaupt. Ideal sind sechs Personen oder die doppelte Anzahl. Dann kann man zu jedem Gang einen anderen Champagner servieren. Oder aber bei einem Dreigänger jeweils zwei, vielleicht sogar drei verschiedene. So etwas ist sehr reizvoll. Zum Apéritif am besten eine leichte Cuvée. Zum Fisch einen Blanc de Blancs, etwa den Cramant von Mumm oder den Deutz Blanc de Blancs oder den Comtes de Champagne von Taittinger. Danach ein leichtes Fleisch, weiss oder rot, oder auch Geflügel und dazu ein kräftiger, älterer Champagner, womöglich sogar ein Rosé, zum Beispiel der Millésime von Pol Roger oder der Blason Rosé von Perrier-Jouët.
Und nach der Hauptspeise steigt man um auf andere Getränke?
Nein. Käse und Champagner ist etwas ganz Erstaunliches. Ein Gruyère verträgt sich bestens mit einem alten Champagner, also einem Bollinger Grande Année R.D. oder einem Dom Pérignon Œnothèque. Dessert und Champagner ist dagegen schwieriger. Entweder gibt man bei einem Brut etwas Cassis hinzu, um die Brücke zum Zucker zu schlagen, oder man nimmt einen Demi Sec, etwa den Grande Dame Carte Jaune, der eine leichte Süsse hat.
Wie verschafft man sich einen Überblick?
Es gibt einfach unendlich viele Sachen in der Champagne. Die muss man alle probieren und kennen lernen. Champagner muss man deshalb häufig trinken. Bismarck hat gesagt, mehr als 10'000 Flaschen Champagner kann der Mensch im Leben nicht trinken. Aber 10'000 schafft man schon.