Es ist noch gar nicht lange her, da war eine Frau allein in einer Hotellobby eine anrüchige Sache. Allein reisende weibliche Hotelgäste erhielten oft das schlechteste Zimmer direkt über der Anlieferung, im Restaurant wurden sie am Tisch neben der Küche platziert.

«Bis vor kurzem wurden Businesshotels für Männer mit Macht und Geld konzipiert, aber heute gibt es einen bedeutenden neuen Gast: die reisende Managerin ab 27.» Jürgen Bartels, CEO der Hotelgruppe Le Méridien, kennt den europäischen Reisemarkt sehr genau:

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25 Prozent der Geschäftsreisenden sind heute Frauen. Tendenz steigend. In den USA liegt der Anteil bereits bei 40 Prozent. Diese Entwicklung hat eine kleine Revolution in der Hotellerie ausgelöst.

Erhöhte Sicherheitsvorkehrungen wie der gut beleuchtete Frauenparkplatz direkt neben dem Ausgang, die Zimmertür mit doppeltem Schloss und Türspion, übersichtliche Korridore mit Überwachungskameras sowie der aufmerksame Nachtportier gehören heute weitgehend zum Standard gepflegter Stadthotels. Auffallender ist, dass die Innenarchitektur und Ausstattung der Hotel- und Badezimmer vermehrt auf Frauen zugeschnitten wird, selbst wenn die Zimmer – wie etwa beim «Méridien» oder «Park Hyatt» – einen modernen Unisexcharakter mit warmem Design und natürlichen Materialien haben. Über raumhohe Spiegel, Bügelbrett mit Dampfbügeleisen, Walk-in-Garderobe, Kaffeemaschine, Markenpflegeprodukte und einen leistungsfähigen Haarföhn freuen sich heute auch männliche Gäste.

«Die Details sind entscheidend»

Frauen auf Geschäftsreise verbringen durchschnittlich mehr Zeit im Hotelzimmer und sehen darin eine private Ruhezone; oft ziehen sie den Roomservice dem öffentlichen Solomenü im Restaurant vor. Sie sind anspruchsvoller und fordern mehr von einem Hotel als Männer, sind aber in der Regel nicht bereit, für Extradienstleistungen mehr zu bezahlen. Absolute Priorität bei der Hotelwahl haben Lage und Sicherheit, was auch etwas kosten darf. Dabei tendieren Frauen bei Long-Distance-Businesstrips zu den grossen Ketten, während sie auf kurzen Geschäftsreisen in nahe Städte oft die kleinen Boutiquehotels mit persönlichem Charakter vorziehen.

Die führenden Hotelketten erfüllen zwei wichtige Kriterien für Geschäftsfrauen unterwegs: Sie geben ihren Gästen die beruhigende Gewissheit, dass in allen Häusern der betreffenden Gruppe konstant dieselbe Qualität zu erwarten ist. Und sie bieten dank ihrer Grösse oft ein Spa und einen attraktiven Fitnessbereich.

Businesshotels
Wohlfühloasen


Wo Geschäftsfrauen gerne absteigen.


Die Adressen:


Lady’s First, Zürich, Tel. 01 380 80 10, www.ladysfirst.ch, EZ ab Fr. 195.–


Florhof, Zürich, Tel. 01 261 44 70, www.florhof.ch, EZ ab Fr. 220.–


Victoria-Jungfrau, Interlaken, Tel. 033 828 28 28, www.victoria-jungfrau.ch, EZ ab Fr. 430.–


Myhotel Bloomsbury, London, Tel. +44 20 76 67 60 00, www.myhotels.co.uk, EZ ab £ 150.–


Hilton on Park Lane, London, Tel. +44 20 74 93 80 00, www.london-parklane.hilton.com, EZ ab £ 189.–


Four Seasons Hotel George V, Paris, Tel. +33 149 52 70 00, www.fourseasons.com, EZ ab € 600.–


Relais Saint-Sulpice, Paris, Tel. +33 146 33 99 00, EZ ab € 155.–


Artemisia, Berlin, Tel. +49 30 873 89 05, www.frauenhotel-berlin.de, EZ ab € 54.–


Alexander Plaza, Berlin, Tel. +49 30 24 00 10, www.alexander-plaza.com, EZ ab € 130.–


Gastwerk, Hamburg, Tel. +49 40 89 06 20, www.gastwerk-hotel.de, EZ ab € 115.–

Dabei stehen diejenigen Hotelgruppen, die den Details grösste Aufmerksamkeit schenken, auf der Gewinnerseite. «Die Details sind entscheidend», sagt Four-Seasons-Chef Isadore Sharp. «Man kann gar nicht genug Zeit dafür verwenden. Man weiss nie, welches Detail schliesslich den Gast berührt.» Trotz markant wachsendem Anteil allein reisender Managerinnen und Unternehmerinnen unterscheidet Sharp bewusst nicht zwischen männlichen und weiblichen Geschäftsreisenden: «Die Grundbedürfnisse von Mann und Frau sind dieselben. Unser oberstes Ziel ist es, dass sich jeder Gast beim Betreten eines ‹Four Seasons› so wohl wie möglich fühlt und am Ende seines Aufenthalts ein gutes Gefühl mit nach Hause nimmt. Dazwischen soll er mit echter Freundlichkeit umsorgt werden und keine Angst haben, in einem fremden Umfeld zu sein.» Um im knallharten Positionierungskampf der Hotelgruppen an der Spitze zu sein, setzt Four Seasons auf 2000 verbindliche Servicestandards. Dennoch hat jeder der weltweit 58 Betriebe ein eigenes Gesicht.

So hat man im Pariser Flaggschiffhotel «Four Seasons George V» einen Avantgarde-Floristen engagiert. Mit einem Millionenbudget veranstaltet dieser täglich ein neues Blumenspektakel in den öffentlichen Räumen. Das Resultat ist berauschend und passt zum erfrischend souveränen Empfang. Auf kleine Aufmerksamkeiten wird im ganzen Haus grosser Wert gelegt: Springt man ins Hallenbad, legt ein guter Geist ein Fläschchen Evian neben das Badetuch. Am Wellness-Empfang stehen frische Fruchtsäfte, Tee und Kaffee kostenlos bereit. Alleinreisende, die ihr Abendessen per Roomservice ordern, finden auf dem anrollenden Tisch ein Buch zur Lektüre. Wenn immer möglich, werden Frauen im Zimmer von Mitarbeiterinnen bedient. Regelmässige Gäste können ihre Kleider zwischen zwei Paris-Aufenthalten im Hotel lassen: Beim nächsten Besuch hängen diese dann gereinigt im Zimmer.

Erzrivale Ritz-Carlton, weltweit mit 57 Hotels vertreten, umgarnt insbesondere Businesswomen mit dem «Technology Butler», der bei Problemen mit dem «mobilen Büro» Laptop rund um die Uhr zur Verfügung steht.

Bei Hilton trägt man den Bedürfnissen von allein reisenden Damen insofern Rechnung, als ihnen kein Zimmer im Erdgeschoss zugeteilt und an der Rezeption diskret mit Zimmernummern umgegangen wird. Unlängst hat das «Hilton on Park Lane» in London einen separaten «Women Floor» eingerichtet und den 22. Stock zur männerfreien Zone erklärt. Die Etage kann nur mit Hilfe eines entsprechenden Zimmerschlüssels betreten werden. Das Hotel beherbergt jährlich rund 10 000 geschäftsreisende Frauen, doppelt so viele wie vor zehn Jahren.

In manchen Dorint-Hotels liegen Ersatzstrumpfhosen im Zimmer bereit. Gäste in deutschen Hyatts können «Personal Spa Videos» über den Fernseher anwählen und mit fachmännischer Anleitung im Zimmer Power-Yoga, Body-Shaping oder Qi-Gong betreiben. Wer einen Begleiter für einen geschäftlichen Anlass, einen Mietpartner für die Oper oder einen Personal Shopper zum Einkaufen braucht: Der Concierge jedes gut geführten Kettenhotels wird solche Anfragen umgehend richten können.

Weniger ist mehr

Der Vorteil kleiner, charmanter Stadt-hotels: Die Atmosphäre ist intimer, der Empfang persönlicher, die Einrichtung individueller. Hotels wie der «Florhof» in Zürich, das «Relais Saint-Sulpice» in Paris, das «Alexander Plaza» in Berlin oder das «Gastwerk» in Hamburg verzeichnen rund 30 Prozent allein reisende Frauen unter ihren Gästen. Wie bei Four Seasons werden in diesen Häusern Frauen nicht anders behandelt als Männer. Die Gäste sollen sich einfach wie daheim fühlen – oder sogar noch besser als daheim. Und es ist nichts da, worüber sie sich ärgern können.

Der Prototyp eines zeitgemässen Boutiquehotels für Individualistinnen ist das «Myhotel Bloomsbury» in London. Sobald man das Haus betritt, fallen Hektik und Stress von einem ab. Es gibt viele gute Hotels in London, aber das «Myhotel» (von dem es inzwischen zwei attraktive Ableger in den Stadtteilen Chelsea und Paddington gibt) dreht die Idee des Boutiquehotels in Richtung aktueller Bedürfnisse ein Stückchen weiter. Die moderne Geschäftsfrau will nicht nur schlafen, konferieren und essen. Sie will vielleicht noch vor dem Frühstück alle Sinne bei einer Yoga-Stunde wecken, zwischen zwei Terminen eine Anti-Aging-Gesichtsbehandlung einschieben und vor dem Schlafengehen ihre Lieblings-CD hören – kurz: sich erholen von Businesszwängen und Stadtchaos, auch wenn es nur für ein paar Stunden ist.

Was genau ist es, dass das «Myhotel Bloomsbury» zu einem so gefragten Ort bei Frauen wie auch bei Männern macht? Sicher nicht der erste Eindruck. Es ist nicht die Art von Hotel, die einem auf den ersten Blick den Atem raubt, aber das war auch nie beabsichtigt. Architekt Sir Terence Conran hat eine Formel verfeinerter Zurückhaltung angewandt und zusammen mit einem Feng-Shui-Meister eine Oase der Kontemplation geschaffen. «Eine Fusion aus asiatischer Spiritualität und westlichem Lifestyle», wie Conran erklärt. Die Einstellung «weniger ist mehr» gilt auch für die Preise: Die Zimmer sind, für Londoner Verhältnisse, erschwinglich. Zum Wohlfühlkonzept gehört die warmherzige Hotelcrew, die überdurchschnittlich gut bezahlt wird und keine Trinkgelder annimmt. Dem Gast wird während des Aufenthalts ein Mitarbeiter als Personal Assistant zur Seite gestellt, um ihm das Leben in London zu erleichtern oder etwa dafür zu sorgen, dass man zu Premierentickets kommt und auf der Gästeliste eines angesagten Clubs steht. Schon bei der Buchung wird einem das Formular «mypreferences» zugestellt, auf dem persönlichen Vorlieben in Musik und Film oder Lieblingsduft und Lieblingsfarbe ange-geben werden können.

Ein Auslaufmodell sind die reinen Frauenhotels. So empfängt das bis letzten Sommer ausschliesslich Frauen zugängliche «Lady’s First» im Zürcher Seefeldquartier inzwischen auch Männer als Gäste. Letztere sind allerdings nur in den unteren Etagen des Hotels willkommen. Die obersten beiden Etagen, wo sich auch ein schmucker Wellnessbereich befindet, bleiben den Frauen vorbehalten. Das frauenspezifische Angebot hält sich in Grenzen: Eine «Annabelle» liegt auf dem Nachttisch, und zu den Badezimmerutensilien gesellen sich Tampons und Binden.

Zum Umdenken gezwungen

Wirtschaftliche Not zwang das einstige Frauenhotel zum Umdenken. Selbst weibliche Stammgäste blieben plötzlich fern – etwa Künstlerinnen mit wochenlangen Engagements am Opernhaus, die am Wochenende ihre Partner ins Hotel bringen wollten und nicht durften. Nun bemüht sich Gastgeberin Daniela Balmelli für eine weitere Öffnung des Hotels für Männer, die in Ausnahmefällen und in Absprache mit allen weiblichen Gästen auch mal die pittoreske Dachterrasse betreten dürfen.

Eines der letzten Stadthotels, die nur Frauen («Gästinnen») beherbergen, ist das «Artemisia» in Berlin. Hier gelten feministische Prinzipien und Normen: Wer als «normale» Frau wie jeder normale Mensch behandelt werden will, mag sich wie im falschen Film vorkommen.

Zu den Schweizer Grandhotels, die frühzeitig die Bedeutung allein reisender Geschäftsfrauen erkannt hat, zählt das «Victoria-Jungfrau» in Interlaken. Im Dezember eröffnete der spektakuläre Wellness-Erweiterungsbau «Espa», dessen Ambiente durch Ruhe und Klarheit besticht und die Geschlechter in getrennten Zonen entspannen lässt – eine Seltenheit im deutschsprachigen Raum. Das Roomservice-Angebot enthält neben den Klassikern auch leichte Gerichte aus der Spa-Cuisine. Frauen, die nicht gern alleine im Restaurant speisen, können sich am «Begegnungstisch» austauschen. Und die Hotelzimmer werden bei jeder Renovationsetappe noch wohnlicher – wer einmal eine der neuen Juniorsuiten im Spa-Trakt bezogen hat, will gar nicht wieder weg. Frau oder Mann.