Ich fahre zusammen mit einem Manager von DaimlerChrysler zum Business Lunch. Die Ampel wechselt auf Gelb, und ich gebe demzufolge noch schnell Gas. Die Strassen sind etwas feucht. Beim Beschleunigen bricht das Heck vor Begeisterung über den Schub aus, und ich kurble wie ein Wilder am Lenkrad, um die «Vette» auf der Strasse zu halten. Wir schauen uns beide an, bleich, und beschliessen, gemächlicher weiterzufahren. Zum Glück hat sich das vor dem Lunch zugetragen – danach bin ich vorsichtiger.

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Dabei wurde ich bei der Fahrzeugübernahme noch gewarnt: «Halten Sie das Lenkrad fest, wenn Sie Gas geben.» Ich wertete das als zwar freundlich gemeinten Ratschlag, den ich indes nicht wirklich ernst nahm. Nun weiss ich: Eine Corvette ist selbst für hartgesottene Sportwagenfahrer ein Wildpferd.

«Vette – the best Porsche you can get!», heisst es ja bekanntlich. Die Corvette wirkt viel grösser als ein 911er, weil sie flacher und breiter daherkommt. Die Corvette ist entweder als Targa oder als Cabriolet erhältlich. Das Targadach habe ich allerdings wegen zu kalter Temperaturen nie abgenommen. Ich habe mir aber sagen lassen, dass das Brausen ohne Dach selbst bei moderaten Geschwindigkeiten kaum erträglich sei.

Das Herzstück der Corvette ist der Sechs-Liter-V8-Motor. Damit entdeckte ich die schönste Art, meine Familie zu wecken:

morgens in die Garage steigen, den Starter drücken und es beben lassen. Das Grollen und Orgeln erfreut die Ohren. Eine Stunde später ergibt sich das grösste Problem, das ich mit diesem Sportwagen habe: Das Image ist nicht businesstauglich. Ich stehe also in meinem dunkelblauen Nadelstreifenanzug vor diesem überpotenten Achtzylinder und weiss: Hier passe ich nicht rein.

Es ist Jahre her, seit uns Harry Hasler die Corvette als «geilen Schlitten» näher gebracht hat, aber die Assoziation mit der Macho-Figur ist geblieben. Für die ältere Managergeneration hat der US-Sportwagen, dessen Geschichte bis 1953 zurückreicht, ja durchaus Mythos-Charakter. Meiner Generation fehlt dieser Hintergrund.

Wobei der Wagen durchaus alltagstaugliche Facetten hat. Er fährt sich etwas hart, aber nicht unkomfortabel. Der Benzinverbrauch liegt trotz den grossvolumigen Brennräumen bei für diese Kategorie eher moderaten 14,7 Litern. Der Kofferraum nimmt hinter den beiden komfortablen Ledersitzen immerhin 634 Liter Gepäck auf – echte Kerle brauchen nicht mehr.

Zurück zum Herzstück: Der Sechs-Liter-V8-Motor liefert 404 PS und stemmt 546 Newtonmeter Drehmoment auf die Kurbelwelle. Wer kein «Warmduscher» sein will, bestellt am besten die Power-Variante mit Sieben-Liter-Motor, 512 PS und 637 Newtonmetern. Die Corvette verfügt über ein ähnliches Traktionskontrollsystem (ESP) wie vergleichbare deutsche Sportwagen, es arbeitet aber weniger sensibel und greift später ein. Die etwas schneller eingreifenden Systeme ermöglichen es auch einem Schmalspur-Cowboy wie mir, einem solchen Wildpferd die Sporen zu geben, ohne dass sich der Wagen gleich quer stellt. Aber keine Angst, auch die Corvette lässt sich sicher durch die Strassen lenken.

Grosse, gut ablesbare Instrumente und eine einfache Bedienbarkeit kennzeichnen das Cockpit. Schade, dass es zu wenige Ablagefächer hat. Was ich als Option bestellen würde, ist das Head-up-Display, das einem immer die Geschwindigkeit vor Augen führt: Zur Schadensbegrenzung sollte dieser Wagen nicht ohne dieses digitale Gewissen ausgeliefert werden. Als Spielerei zeigt es noch die Querbeschleunigung an. Wie im Kampfjet. Und aus Harry Hasler wird Tom «Top Gun» Cruise.

Das Beste ist der Preis der Corvette, insbesondere der neuen Z06 in der Power-Version mit 512 PS: So viel Leistung und Fahrspass bietet für 107 950 Franken zurzeit wohl kein anderer Sportwagen. Das Fahrzeug soll in 3,9 Sekunden auf 100 beschleunigen – schneller als ein Porsche 911 Turbo, ein Ferrari F430 oder ein Lamborghini Gallardo, und dies für weniger als den halben Preis. Solche Fakten machen die Rakete aus Kentucky zum unschlagbaren Angebot. In der Rubrik «Wirtschaftlichkeit» habe ich die superteuren Sportwagen zu 200 000 Franken und mehr gar nicht zum Vergleich herangezogen.

Fazit: Es gibt kein männlicheres Auto als eine Corvette. Porsche, Ferrari oder Lamborghini – die Corvette verbläst sie alle.

Chevrolet Corvette

Coupé C6 6.0 V8
Antrieb: Hinterrad
Motor: 6,0 Liter
Leistung: 404 PS / 297 kW
Drehmoment (1): 546 Nm bei 4400 U/min
Energieeffizienz (2): G
Tankinhalt: 72 Liter

(1) Der Drehmomentverlauf in Abhängigkeit von der Drehzahl ist massgebend für die Motorelastizität (Durchzugskraft) sowie für das Beschleunigungs- und das Steigvermögen eines Autos.

(2) Neu ist seit 2003 die Angabe der Energieeffizienz für Personenwagen, eingeteilt in die Kategorien A bis G, wobei A für energieeffizient und G für energieineffizient steht. Die Kategorie wird ermittelt, indem der Treibstoff-Normverbrauch und das Leergewicht in ein Verhältnis zueinander gesetzt werden.