BILANZ: Herr Straubhaar, Sie verlassen das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI), um sich eigenen Forschungsinteressen zu widmen. Konnten Sie das am HWWI nicht?

Thomas Straubhaar: In meiner Funktion bin ich vor allem mit dem Management des Instituts beschäftigt. Künftig möchte ich mehr von meiner Zeit dafür einsetzen, bessere Antworten auf Fragen nach neuen ökonomischen Realitäten zu formulieren.

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Seit der Finanzkrise ist es eine ökonomische Realität, dass Banken eine Unmenge von gesetzlichen Bestimmungen umsetzen müssen. Hilft das der Finanzsystemstabilität insgesamt oder nur dem Portemonnaie der Juristen und Wirtschaftsprüfer?

Wir haben mit den Basel-Regelwerken möglicherweise einen falschen Referenzrahmen geschaffen. Diese Standards führen zum Teil zu Monopolen, falschen Anreizen und zu Marktineffizienzen.

Gewisse Banken bleiben «zu gross zum Sterben». Würde ein taugliches Abwicklungsverfahren das Dilemma entschärfen?

Ja. Dass Unternehmen insolvent werden, kann nicht verhindert werden. Wir müssen schauen, dass Firmen nicht zu gross werden.

Wie bitte?

Durch ihre schiere Grösse hebeln einige Bankinstitute die Marktwirtschaft aus. Es kann nicht sein, dass Gewinne privatisiert und Verluste vergemeinschaftlicht werden. Auch wenn es um die Umsetzung von Basel III geht, haben Grossbanken längere Spiesse als kleinere Institute. Der Aufwand für die Umsetzung bleibt nämlich für Grosse und Kleine gleich. Das läuft in die falsche Richtung.

In der Bevölkerung brodelt es auch nach Annahme der Abzocker-Initiative, der Unmut drückt sich in Volksbegehren wie der 1:12-, der Mindestlohn- und der Erbschaftssteuer-Initiative aus. Wie stehen Sie zu den jeweiligen Vorlagen?

Mindestlöhne, die so hoch sind, um davon leben zu können, vernichten Arbeitsplätze. Gering Qualifizierte sind die Leidtragenden. Ich sehe auch keinen Bedarf, Löhne gesetzlich zu regeln. Das soll eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und -nehmer bleiben. Wenn mich persönlich die Lohnspanne in einem Unternehmen stört, kann ich dies ja auf die eine oder andere Weise boykottieren. Die Erbschaftssteuer wäre ebenfalls kontraproduktiv …

… kontraproduktiv?

Mit der Erbschaftssteuer würde der Anreiz zum Sparen untergraben. Erstaunlicherweise befürworten Kreise, die sich sonst für einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen einsetzen, eine solche Steuer. Offenbar gilt dies nicht für Vermögen.

ThomasStraubhaar: Der 56-jährige Berner Ökonom ist Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) und Universitätsprofessor für Volkswirtschaftslehre.