Als die «Bilanz» den Machtkampf um den Autozulieferer Walser zur Titelgeschichte macht, ist es schon zu spät: Unversöhnlich stehen sich im Kinofilm «Jagdzeit» Finanzchef Alexander Maier und der ihm vor die Nase gesetzte knallharte Turnaround-Manager Hans-Werner Brockmann gegenüber. Die beiden Protagonisten, gespielt von Stefan Kurt und Ulrich Tukur, schenken sich nichts, bis letztlich alle alles verlieren. Ein Drama, angesiedelt im Schweizer Managermilieu, das «auf wahren Begebenheiten» basiert, wie es im Vorspann heisst.

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Doch das ist weit untertrieben: Was Handlung und Hauptfiguren betrifft, ist der Film in grossen Zügen deckungsgleich mit jenen realen Ereignissen, welche die Schweizer Wirtschaftswelt im Sommer 2013 schockierten: der Suizid von Pierre Wauthier, Finanzchef der Zurich Insurance Group, der sich am 26. August jenes Jahres das Leben nahm – und in seinem Abschiedsbrief Josef Ackermann, damals Verwaltungsratspräsident der Versicherung, dafür verantwortlich machte.

Hinweise auf die realen Geschehnisse

Regisseurin Sabine Boss holte sich «Fachberatung» aus der Wirtschaftswelt, unter anderem bei Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer und der Unternehmerin Carolina Müller-Möhl. Und sie nahm sich filmische Freiheiten: Angesiedelt ist ihre Geschichte bei einem Autozulieferer statt einer Versicherungsgruppe, in einem Familienunternehmen statt einem börsenkotierten Grosskonzern, in einem gesichtslosen Bürokomplex irgendwo in der Agglomeration von Baar ZG statt in einem altehrwürdigen Firmenpalast mit Blick auf den Zürichsee – doch ansonsten sind die Parallelen unübersehbar, insbesondere bei der Figur des sensiblen und perfektionistischen Finanzchefs.

Schauspieler Stefan Kurt sieht seinem realen Vorbild nicht nur ähnlich, auch die Persönlichkeit, die er im Film darstellt, hat viele Züge von Wauthier: das ausgeprägte Pflichtbewusstsein etwa, das ihn Abend für Abend bis spät im Büro hält, aber auch seine Faszination für die japanische Samurai- und Selbsttötungsphilosophie, ein Detail, das nur wenige Eingeweihte kennen. Und so blättert Maier immer wieder in Yamamoto Tsunetomos «Hagakure: Der Weg des Samurai», einem Buch, das auch in Jim Jarmuschs «Ghost Dog» eine Hauptrolle spielte.

Auch sonst sind in «Jagdzeit» viele subtile Hinweise auf die realen Geschehnisse eingeflochten, etwa wenn sich der so arrogante wie perfide Brockmann genau jene Bemerkung erlaubt, die auch Ackermann in Bezug auf die «Zürich» fallen liess: Bei der Firma herrsche eine «Schlafwagenmentalität».

Premiere feiert der Film «Jagdzeit» am 24. Januar 2020 an den Solothurner Filmtagen, regulär im Kino zu sehen ist er ab dem 20. Februar.

Der Trailer zum Film:

Erik Nolmans
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