Es war ein denkwürdiges Hochamt der Enthüllungen: Im Gartenrestaurant The Boathouse im New Yorker Central Park präsentierte Major Boothroyd, besser bekannt unter dem Kürzel Q, der internationalen Presse einen neuen Flitzer für den bekanntesten Geheimagenten Ihrer Majestät.

Es war der 13. November 1995, und an diesem Tag war, bis auf Q, so ziemlich alles neu. Der Hohepriester aller hübschen Luxusspielereien enthüllte keinen verbesserten Aston Martin DB5 und auch keinen Ferrari 355 GTS – sondern einen Roadster aus deutscher Schmiede, den BMW Z3. Und sein Fahrer, Bond, James Bond, war ebenfalls ein anderer: der gebürtige Ire Pierce Brosnan. Auch sein Chef, M, war neu, eine Frau! Später, während der pompösen Premiere von «Golden Eye» in der Radio City Music Hall, ging es weiter mit Neuem. Bikinischönheiten waren nicht mehr comme il faut und das Rauchen auch nicht. Miss Moneypenny durfte 007 eine Abfuhr erteilen, und die Amazonen-M gab ihrem Agenten den neuen Tarif mit auf den Weg: «Bilden Sie sich nichts ein, Sie sind ein Relikt des Kalten Krieges und ein misogyner Dinosaurier.»

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Schockschwerenot! Schlimm genug, dass die Premiere von «Golden Eye» nicht wie zuvor üblich in London, sondern in New York stattfand. Die britische Presse war not amused und bemerkte sauertöpfisch, ihr Sachverständiger in Angelegenheiten des Geschmacks sei ein Euro-Kasperl geworden. Statt makelloses britisches Design italienischer Zwirn von Brioni, Schweizer Omega-Uhren sowie nun auch noch ein deutsches Auto. Und im allerneuesten Bond-Film, «Quantum of Solace», führt – der Schrecken will kein Ende nehmen – auch noch ein Deutscher mit Schweizer Pass Regie. Wo ist da der alte Kulinariker geblieben, dieser Globetrotter des Hedonismus?

Mal halblang. Die Brit-Kreation James Bond aalte sich immer im Luxus, der nach dem jeweiligen Zeitgeist wechselte. Die freie Marktwirtschaft musste im ganzen Westen verteidigt werden. Warum sich ihrer Güter also nicht überall bedienen? Eines blieb in viereinhalb Jahrzehnten dabei unverändert: Bonds Hang zum Edlen und Teuren.

BESCHEIDENE ANFÄNGE. Natürlich hatte der berühmteste Agent der Welt bescheiden begonnen. Es herrschte Kalter Krieg, und Protz war nicht angesagt. So bretterte er damals noch nicht im Aston Martin durch die Gegend, sondern fuhr einen Sunbeam Alpine Series 5 («James Bond jagt Dr. No», 1962) und nippte Smirnoff-Wodka. Zu den Schlapphüten gehörte er trotzdem nie; konsummässig war Bond stets eine Klasse für sich.

Deshalb klopften die Fundamentalfans dem Erfinder Ian Fleming sofort auf die Finger, wenn sie in seinen Romanvorlagen Genussgüter-Peinlichkeiten entdeckten, wenn der Autor etwa das Parfum Vent vert fälschlicherweise Dior zuschrieb statt Balmain oder wenn er seinen Bond im Restaurant Spargel mit Sauce béarnaise bestellen liess. Würg, zu Spargel gehört Sauce mousseline! Fleming, selbst ein Mann eleganter Lebensart, behauptete, derartige Fehler bewusst einzubauen, um seinen Verleger mit der Lawine von Reklamationsbriefen davon zu überzeugen, «wie wichtig ich bin». Andere, die ihn besser kannten, behaupteten, so stilsicher sei er eben gar nicht. Egal. Bond wurde zur Autorität exzellenten Geschmacks. Denn wenn die Zuschauer unterhalten werden wollen, sind sie weniger auf der Hut. Die bewegten Bilder dringen tief ein, Posen, Moden und Güter hinterlassen sofort ihre Wirkung. Sehr zur Freude der einschlägigen Industrie.

Kein Wunder, dass sich Firmen jeglicher Couleur um werbewirksame Beteiligungen an den Agentenmissionen reissen und dafür Millionensummen aufbringen. Bisheriger Gipfel war «In tödlicher Mission», 1981, mit einem regelrechten Markengerangel: Lotus, Seiko, Yamaha, Philips Oil, British Airways, Griechenland Tourismus, Mercedes traten auf, und – als besonderer Gag – Citroën mit einer speziell motorisierten Ente mit verstärkten Stossdämpfern und Überrollbügeln. Der heimliche Star kurbelte den Verkauf des Alternativgefährts wieder kräftig an. Auch der Boden jener Orte, an denen Bond wirkte, entpuppte sich als fruchtbar: Côte d’Azur, Florida, New York, Bermudas, Jamaika, Venedig, Engadin («Im Geheimdienst Ihrer Majestät», 1969). Die Wahl der Hotels und Clubs entspricht gehobenem, aber nie überkandideltem Stil: Es sind immer Luxushäuser der Kategorie Relais & Châteaux. Wenn er in «Goldfinger», 1964, golft, dann mit Bällen von Penfold, Schlägern von Cotton und Schuhen von Saxone. Diese Details allerdings nimmt nur wahr, wer selber golft. Beim Chic des Outfits geht es darum, sich von den Accessoires blenden zu lassen – und, im Idealfall, einem Golfclub beizutreten.

Bond ist kein Schlemmer, auch wenn er in den luxuriösesten Fresskapellen zu Tisch sitzt. Wichtiger ist die Begleitung schöner Ladys. Speisen als metropolitaner Flirt, jede Sentenz ein kulinarischer Happen, der so erregt wie ein Stückchen Toast mit Beluga-Kaviar. Ausgiebiger als alle lasziv-erotischen Diners bleibt das Frühstück. Da langt Bond wirklich zu. Er hat die Dame erobert, die am Morgen ein makelloses nacktes Bein aus der flauschigen Seidendecke streckt und mit mattglänzenden Lippen einen maliziösen Post-coitum-Blick auf James und seinen Marmeladentoast wirft.

Eine gewisse Haltlosigkeit zeigt er beim Trinken. Mancher Botticelli-Engel hält mit, aber nur, um später mit der Gesinnung einer Lucrezia Borgia Bond killen zu wollen. Zu Abendflirts öffnet er gerne eine Flasche Dom Pérignon, Bollinger oder Taittinger. Der Martini, gemixt aus drei Teilen Gordon’s Gin, einem Teil Wodka, einem halben Teil China Lillet und Zitronenschale, ist geniesserischem Belauern vor kommenden Fights vorbehalten.

TURBO-HASARDEURE. Entstanden im Kalten Krieg, war Bond in den Fleming-Romanen Beschützer des Champagners, der Playgirls und Sportwagen vor den gierigen Griffen wodkasaufender Russen. Mit den Verfilmungen wurden daraus ironische Koexistenz-Juxe und aus den Russen Kapitalhaie und Brachial-Nabobs, die besitzgierig alle Macht und Güter an sich zu reissen versuchen, gewissermassen Super-«Heuschrecken». Bocken die Volkswirtschaften, werden Regierungen mit geklauten Atombomben oder Weltkriegen erpresst, und Bond muss den Raffzähnen das Handwerk legen. Nicht von ungefähr sind die Turbo-Hasardeure eine Mixtur aus Hitler und Howard Hughes, weshalb sich Bond dorthin begeben muss, wo sie im Luxus schwelgen: nach St. Moritz, Venedig, Florida oder auf die Bahamas. Als das Schilthorn als Kulisse für «Im Geheimdienst Ihrer Majestät» diente, hiess es nachher, die Besucherzahlen im Berner Oberland hätten klar zugenommen – Zahlen wurden aber keine genannt.

Der gelungenste Global Player der Finsterlinge bleibt «Goldfinger» Gert Fröbe. Das grösste Goldreservoir der Welt, Fort Knox, will er knacken. «Das ist Gold, Mr. Bond», deliriert er, «schon mein ganzes Leben lang habe ich seine Farbe geliebt, seinen Glanz, seine göttliche Schwere.» Jeder fanatische Sammler kennt den Zwang, vom Objekt der Begierde einfach alles besitzen zu wollen. Hundert Goldbarren? Goldfinger will alle in seinen Besitz bringen. Aber wie? «Der Mensch hat den Mount Everest bezwungen», philosophiert er, «er hat den Grund des Ozeans erforscht, Raketen auf den Mond geschossen, Atome gespalten. Er hat Wunder vollbracht auf allen Gebieten menschlichen Strebens, nur nicht in der Kriminalität.» 007 hat das «Wunder der Kriminalität» verhindert, von Dr. No über Largo und Stromberg bis Ernst Stavro Blofeld.

Den Hang zu Glanz und Glamour interpretierte jeder Bond-Darsteller auf seine eigene Art. Als zu Beginn der sechziger Jahre der Entscheid gefallen war, die Fleming-Romane zu verfilmen, schwebte dem Autor eigentlich David Niven vor, der mit seinem Menjoubärtchen und den süffisanten Stirnfalten wirkte, als wäre er in einem der braunen Schuhleder-Clubs geboren, deren Holztäfelungen so aussehen, als würden sie seit hundert Jahren immer wieder in teuren Tabak und Roastbeef getaucht. Die Produzenten zuckten jedoch zurück; sie brauchten den amerikanischen Markt und entschieden sich für den Schotten Sean Connery, bei dessen Anblick man – wenn man genau hinschaut – erkennt, dass seine Anzüge nicht aus der Savile Row stammten. Ganz gezielt leicht vulgär (mit zu kurzen Hosenbeinen), um eben die Amis zu ködern. Auch seine animalische Erotik eignete sich nicht so recht für eine snobistische Haltung im abgewetzten Club-Ledersessel.

Erst mit den Falten gewann er britische Klasse und trank Martini nur «shaken, not stirred». Dom Pérignon wird nur mit Jahrgang 1946 bestellt und Taittinger mit Jahrgang 1945. Alternative ist der 53er Dom, dann aber muss die Temperatur extrem stimmen: «Mein liebes Kind, es gibt Dinge, die man einfach nicht tut. Man trinkt zum Beispiel nie einen 53er Dom Pérignon, wenn er eine Temperatur von über acht Grad hat. Das wäre genau so, als ob man den Beatles ohne Ohrenschützer zuhören würde» («Goldfinger»). Sein musikalischer Geschmack bleibt ansonsten im Dunkeln.

ZWEI BONDS. Nach Connery, der 1967 das Handtuch schmiss, folgte Roger Moore. Der legte die Rolle mit blasierter Ironie und maliziöser Erotik an. Darauf angesprochen, wie er den Bond-Charakter spiele, sagte er: «Mal trage ich einen weissen, mal einen schwarzen Smoking.» Er blieb, gemessen am späten Connery, eine Spur zu leichtgewichtig. 1983 kam es zur einmaligen Situation von zwei Konkurrenz-Bonds: «Octopussy» (mit Moore) und «Sag niemals nie» (mit Connery), der sich breitschlagen liess, noch einmal anzutreten, weil die Rechte des Romans frei waren. Während Roger Moore mit einem Neigungswinkel Richtung Aldi kalauerte, balancierte Connery auf altem Hedonisten-Grat. «Ich rede von den vielen Giften», so M, «die Ihren Körper und Ihren Verstand zerstören. Sie essen zu viel rohes Fleisch, zu viel Weissbrot, und Sie trinken zu viel trockene Martinis.» – «Dann werde ich das Weissbrot weglassen, Sir.»

Nach den Bond-Fehlbesetzungen George Lazenby und Timothy Dalton kam mit Pierce Brosnan blasierte Süffisanz. Dass er im Central Park den BMW Z3 präsentierte, brachte ihm den Ruf eines Autoverkäufers. Er ahnte es. Zwar führte er den Roadster vor, verdrückte sich dann aber rasch. Angesichts der feinen Tourismusdestinationen Puerto Rico und Monaco einer Re-Attraktivierung dringend bedürftig, trug Bond eine Omega Seamaster Diver.

ZEITGEIST. BMW konnte, trotz Beteiligung an der britischen Edelmarke Rolls-Royce, nicht ausschliesslich den Z3 einsetzen – der Aston Martin kam dann doch wieder zu Ehren, und sogar ein Ferrari blochte durch die Handlung. Kein Wunder, waren am Tag nach der Premiere die BMW-PR-Manager beim Frühstück im «Four Seasons» alles andere als begeistert. «Wir hatten uns den Auftritt etwas länger vorgestellt», war die Meinung. Was solls, dem Verkauf des Wagens half der Auftritt, nicht nur in den USA.

Mit Daniel Craig als jüngstem Bond wurde die Figur, dem Zeitgeist treu, der Rezession und den Teilzeitjobbern ein wenig angepasst. Luxus dünnt nicht aus, kokettiert aber weniger mit dem reinen als vielmehr mit zweckgebundenem Genuss, ganz nach dem Motto: Wenn schon weniger Glück im Beruf, dann wenigstens im Spiel. Besonders beim Pokern («Casino Royale», 2006). Seitdem bietet der Markt Bond-Poker-Sets in allerlei Holzboxen an. So wie einst Connery leicht amerikanisiert startete, umgibt Craig das Fluidum eines ehemaligen Bauarbeiters. Nicht zufällig jagt er in «Casino Royale» über eine Baustelle und raunzt in der Spielbank von Montenegro den Barkeeper auf die Frage an, ob er den Martini gerührt oder geschüttelt wolle: «Für so was habe ich keine Zeit.» Sony hat auf dieses Image ihre «James Bond 007 TX Spy Gear»-Ausrüstung im feinen Aluminiumkoffer abgestimmt. Sie enthält eine digitale Zoom-Kamera (zum Spionieren an der Börse) und ein Notebook mit einblicksicherem Bildschirm.

Dass der jüngste Bond, «Quantum of Solace», in seiner Handlung direkt an den Vorgängerfilm anschliesst und damit die Sequel-Manie der Traumfabrik auch auf Bond überträgt, zeigt Unsicherheit vor möglichem Besucherrückgang. So sind denn auch aus der Luxusgüterbranche wieder alte Bekannte dabei: das Motoryacht-Unternehmen Sunseeker aus dem englischen Poole oder Omega. Am Handgelenk trägt 007 diesmal eine Omega Seamaster Planet Ocean, und übers Wasser prescht er mit einer Sunseeker-Predator-Motoryacht. Schon in «Die Welt ist nicht genug», 1999, durfte eine Sunseeker Superhawk 38 im längsten Bond-Vorspann aller Zeiten durch die Themse pflügen, und in «Stirb an einem anderen Tag», 2002, stieg Halle Berry mit der Würde eines Flamingos an Bord einer Sunseeker Superhawk 48.

An der Erfolgformel wird sich nichts ändern. Bond ohne Luxus? Das wäre, als wollte man ihm den Sauerstoff entziehen.

Buchtipp

James Bond und die Schweiz

Wir sind Bond - Dies ist ein Buch über spektakuläres Kino.


Es zeigt, weshalb die Schweiz eine Hauptrolle in der Saga des Superagenten 007 spielt. Das Buch beginnt mit Ian Flemings grosser Schweizer Liebe. Es schildert Sean Connerys Kneipentouren durch Andermatt, enthüllt das Geheimnis des Berner Bikinimädchens Ursula Andress. Und es berichtet, wie sich Bernhard Russi für Bond beinahe die Karriere ruiniert hätte. Fotos aus Privatarchiven belegen die verblüffenden Swiss Connections des Agenten 007 – bis und mit Marc Forster. Ein Stück Kulturgeschichte. James Bond und die Schweiz ist spannend wie eine Agentenstory und ein einzigartiges Seherlebnis.

Gebunden, 304 Seiten, mit über 200 Abbildungen, Preis: SFr. 38.00
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