Die beiden potenziellen Koalitionspartner in Italien wollen ihre neue Regierung von einem Juraprofessor ohne politische Erfahrung leiten lassen. Die 5-Sterne-Bewegung präsentierte am Montag den 54-jährigen Giuseppe Conte als Kandidaten, der der populistischen Partei nahesteht und im Wahlkampf für den Abbau der Bürokratie geworben hatte.

Präsident Sergio Mattarella zögerte allerdings, dem Experten das Mandat zu erteilen. Er werde am Dienstag mit den Präsidenten der beiden Parlamentskammern sprechen, teilte das Präsidialamt mit. Aus seinem Umfeld verlautete, Mattarella benötige Zeit zum Nachdenken. An den Finanzmärkten sorgte die Aussicht auf ein Bündnis der populistischen Bewegungen erneut für Verluste.

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Conte lehrt an der Universität Florenz und war bisher den meisten Italienern unbekannt. Er wird auch von der rechten Lega unterstützt, die mit den 5 Sternen eine Regierung bilden will. 5-Sterne-Chef Luigi Di Maio sagte nach einem Treffen mit Mattarella, bei dem er Conte vorschlug: «Ich bin auf diese Entscheidung sehr stolz.» 

Lega-Chef Matteo Salvini erklärte, man habe sich auf eine annehmbare Person mit tadelloser beruflicher Erfahrung geeinigt. Der Wahlsieger 5 Sterne und die drittplazierte Lega hatten zehn Tage lang über ein Regierungsprogramm verhandelt. Di Maio und Salvini wollten verhindern, dass der jeweils andere Regierungschef wird, weil die unterlegene Partei dann Juniorpartner gewesen wäre.

Dass ein nicht gewählter Experte die Regierung leitet, ist in Italien nicht ungewöhnlich. Angestossen wurde dieses Modell aber in der Vergangenheit durch den Präsidenten, um das Land aus einer Krise zu führen. Die Ministerpräsidenten suchten sich dann ihre Kabinettsmitglieder aus und setzten eigene Themen.

Sorge in der EU

5 Sterne und Lega planen für das Euro-Land höhere Sozialausgaben, Steuersenkungen und eine Rücknahme der Rentenreform. Das würde viele Milliarden Euro kosten. Vertreter anderer Euro-Staaten und der EU-Kommission sind daher in Sorge. Auch an den Finanzmärkten herrscht Unruhe. Am Montag stieg der Risikoaufschlag, den Investoren für italienische Staatsanleihen im Vergleich zu deutschen verlangen, auf den höchsten Stand seit Juni 2017. Die Mailänder Aktienbörse gab um 1,5 Prozent nach.

Italien hat im Vergleich zur eigenen Wirtschaftsleistung einen Schuldenberg von 130 Prozent. Dieser Wert wird in der Euro-Zone nur von Griechenland übertroffen, das mit Milliardenpaketen der anderen Mitgliedsländer vor der Pleite gerettet wurde. Salvini sagte am Montag, man müsse die neue Regierung nicht fürchten. Ziel sei es, dass Wirtschaftswachstum anzukurbeln, um so die Verschuldung zu senken.

Skepsis in der EZB

EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny äußerte sich über das Bündnis skeptisch. «Ich hoffe, dass sich in der Praxis ein klügerer Ansatz ergeben wird als das, was heute in den Zeitungen steht», sagte der österreichische Notenbankchef in Prag. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire hatte die Einhaltung der Haushaltsverpflichtungen gefordert. Sollte sich Italien nicht daran halten, sei die Stabilität in der Euro-Zone in Gefahr.

Bisher wird die italienische Regierung von den Sozialdemokraten geführt. Sie fuhren bei der Wahl im März aber hohe Verluste ein und wollen in die Opposition gehen. Sollte das Bündnis der beiden populistischen Parteien zustande kommen, könnte Di Maio Arbeits- und Sozialminister werden und in dem Amt ein Grundeinkommen für Arme einführen.

Salvini dürfte das Innenministerium übernehmen, das für die Einwanderungspolitik zuständig ist. Die Flüchtlingskrise der vergangenen Jahre war ein Grund, warum die Lega noch vor der konservativen Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi landete.