Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte will Skigebiete angesichts der Corona-Pandemie mindestens bis zum 10. Januar geschlossen halten. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) unterstützte gestern den Vorstoss. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron sprach sich für ein Öffnen erst im Januar aus – «unter guten Bedingungen» und in Abstimmung mit den Nachbarländern.

Inzwischen hat sich auch Kanzlerin Angela Merkel hinter den Skistopp gestellt: «Wir werden uns in Europa um eine Abstimmung bemühen, ob wir alle Skigebiete schliessen könnten. Es sieht leider nicht so aus, wenn man die österreichischen Verlautbarungen hört, dass uns das so einfach gelingen könnte, aber wir werden es noch einmal versuchen», sagt Merkel in einer Regierungserklärung.

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Bisher gibt es nämlich einige EU-Länder, die gegen ein solches Verbot sind. Laut Medienberichten hält auch die EU-Kommission nichts von der Initiative. Ohnehin könnte die EU die Schliessung der Skigebiet nicht anordnen. Wie der Europarechtsexperte Walter Obwexer betont, darf die EU in Gesundheitsfragen die Länder unterstützen und koordinieren, aber keine Regeln vorschreiben.

Die EU wäre auch nicht verpflichtet, den betroffenen Ländern finanziell unter die Arme zu greifen. Darauf könnten sich die Länder höchstens gemeinsam einigen, doch nach einem Konsens sieht es derzeit nicht aus.

Österreich gegen EU-Verbot

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz lehnt eine länderübergreifend spätere Öffnung der Wintersportgebiete in der Corona-Krise ab. Öffnungsschritte in allen Bereichen, darunter der Sport, würden von den Staaten unterschiedlich gehandhabt, sagte Kurz am Mittwoch auf eine Frage bei einer Pressekonferenz in Wien.

«Das hängt immer mit den Infektionszahlen zusammen und zwar den Infektionszahlen bei uns in Österreich.» Österreich setzt darauf, mit Lockdown und Massentests die Corona-Zahlen im Dezember zu senken.

Slowenien? Schweden? Slowakei?

«Ich kann Ihnen nur sagen, wenn jemand alleine laufen geht im Moment, dann ist das ähnlich gefährlich, wie wenn jemand alleine eine Skitour geht», so Kurz. «Wenn jemand einen Lift verwendet, dann ist das ähnlich, wie wenn er ein öffentliches Verkehrsmittel verwendet. Anhand dieser Gesichtspunkte muss man Entscheidungen treffen.»

Der Widerstand der Regierung in Wien könnte es also erschweren, dass hier eine EU-weite Regelung durchgepaukt werden kann. Österreichische Experten erwarten, dass auch Widerstand aus anderen bretter-affinen Ländern wie Slowakei, Slowenien und Schweden erwachsen wird – zumal die Gefahr droht, dass sich die Bahnbetreiber von Andermatt bis Zermatt derweil Hände reiben. Und zumal der epidemiologische Sinn solch eines Pisten-Lockdowns umstritten ist.

Italien für späteren Saisonstart

Italiens Ministerpräsident Conte hatte einen späteren Start der Wintersportsaison in der EU angestossen und sorgt damit für Streit unter den Alpenländern. «Es ist nicht möglich einen Winterurlaub zuzulassen, wir können uns das nicht leisten», sagte Conte im Interview mit dem Fernsehsender «La7».

Italien strebt in Abstimmung unter anderem mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron einen europäischen Fahrplan zur schrittweisen Öffnung der Skigebiete an. Einigkeit herrscht unter den Regierungschefs Medienberichten zufolge darüber, dass unkoordinierte und zu schnelle Öffnungen wie im Sommer ein Fehler wären.

Italiens Gesundheitsminister hält ein Skiverbot im eigenen Land für «unvermeidbar». Die Präsidenten der norditalienischen Regionen fordern nun ein Treffen, um die Covid-Auflagen für die Weihnachtszeit zu diskutieren. Einige Landespolitiker warnten laut dem «Standard» aus Österreich vor «illoyaler Konkurrenz» aus dem Ausland. Entweder sollten alle Skigebiete in Europa schliessen oder alle offen bleiben.

So reagiert die Schweiz

Laut Schweiz Tourismus versuchten sich die Alpenländer bereits im Spätsommer informell über eine koordinierte Saisoneröffnung der Skigebiete abzustimmen – ohne Erfolg. Eine europaweite Lösung sei daher unwahrscheinlich, sagte ein Sprecher gegenüber «HZ». Bundesrat, Behörden und die Tourismusregionen seien «überzeugt, dass der Schweizer Weg (für den Moment) richtig ist und die Wintersaison sicher stattfinden kann».

Falls einige Nachbarländer ihre Skigebiete tatsächlich erst im Januar öffnen, bedeute das nicht automatisch mehr Gäste für Schweiz – das hänge letztlich von den jeweiligen Reisebeschränkungen und Quarantäneregeln ab, sagt Markus Berger. Schweiz Tourismus werde auch keine «speziell darauf ausgerichtete Kampagnen in diesen Ländern lancieren». 

Eine Schliessung der Skigebiete sei derzeit nicht vorgesehen, bestätigt laut «Finanz und Wirtschaft» auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG), das sich seit längerer Zeit in punkto Pandemie-Bekämpfung mit anderen Ländern austausche

Die betroffenen Nachbarländer befürchten nun, dass sich der Skitourismus in die Schweiz verlagert, wo erste Skigebiete seit einigen Wochen bereits geöffnet sind. Diese reagieren teils flexibel auf die «täglich neuen Vorgaben», sagt Pascal Jenny, Kurdirektor von Arosa Lenzerheide. Bisher habe man «keine Anzeichen aus Bern erhalten, dass Bundesrat darüber nachdenkt weitere Massnahmen zu ergreifen oder Einschränkungen zu verschärfen. Auch Seilbahnen Schweiz agiert hier nicht in die Richtung der Wünsche aus Italien und Deutschland.»

In St. Moritz löst die Forderung einiger Nachbarländer Kopfschütteln aus. «Weil wir eine Pandemie haben, sind die Leute seit Monaten mehr zuhause und weniger aktiv. Sie wollen und sollen an die frische Luft und sich dort bewegen. Das ist gesund für den Körper und auch für die Seele», heisst es aus dem Tourismusbüro. Dass dies möglich sei, habe auch der Sommer-Tourismus gezeigt, denn es sei nicht zu mehr Ansteckungen gekommen.

Besorgt zeigt sich das Tourismusbüro in Zermatt: Für das Wallis hätte eine Schliessung der Skigebiete schwerwiegende Folgen. Ein Verbot lehnt der Wintersportort daher vehement ab und will eine sichere Ski-Saison garantieren.

Wenigstens eine länderübergreifende Regelung forderten auch die italienischen Regionen: Wenn Skipisten geschlossen würden, sollte das für ganz Europa gelten, sagte der Präsident der Region Venetien, Luca Zaia, der Zeitung «Corriere della Sera» (Dienstag). Man könne das Skifahren nicht im italienischen Südtirol verbieten und es aber im österreichischen Kärnten erlauben.

Österreich will aufsperren

Österreich, das seit Monaten betont, die Skigebiete mit entsprechenden Vorkehrungen um jeden Preis öffnen zu wollen, reagierte dagegen am Dienstag mit vehementer Ablehnung. Finanzminister Gernot Blümel forderte Entschädigungen in Milliardenhöhe von der EU, falls Skilifte tatsächlich über die Weihnachtsferien stillstehen sollen.

Österreich rechne dadurch mit einem Umsatzausfall von 800 Millionen Euro für jede der Ferienwochen. «Wenn die EU tatsächlich vorgibt, dass die Skigebiete geschlossen bleiben müssen, dann bedeutet das Kosten von bis zu 2 Milliarden Euro. Wenn die EU das wirklich will, dann muss sie dafür auch bezahlen», teilte Blümel am Dienstag mit.

Skifahren in der Schweiz

Bayern unterstützt Italien

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder unterstützte den italienischen Vorstoss. «Wenn wir Grenzen offen halten wollen, brauchen wir auch eine klare Übereinkunft, was das Skifahren betrifft. Ansonsten wird es eine schwierige Entwicklung», sagte er am Dienstag in München.

Wer in Risikogebieten Skifahren gehe, müsse zehn Tage in Quarantäne. «Mir wäre lieber, wir würden ein einheitliches Übereinkommen auf europäischer Ebene haben: keine Skilifte offen überall beziehungsweise kein Urlaub überall.» Auf eine Schliessung der Skigebiete habe man sich bislang auf europäischer Ebene nicht verständigen können. Möglich sei aber eine Reduzierung der Angebote, erklärte Söder.

(reuters/awp/mlo/tdr)