Wer demonstrieren möchte, dass er es geschafft hat, setzt auf zeitgenössische Kunst: häufig abstrakt, mit Vorliebe grossformatig und – optimalerweise – ersichtlich teuer. Einen erfolgreichen Manager oder Financier an dessen Wirkungsstätte ohne ein modernes Kunstwerk im Hintergrund abzulichten, ist schon fast die Ausnahme. Pressefotografen können dies bestätigen: Immer öfter präsentieren sich die Herrscher auf Zeit vor dem Hintergrund eines expressiven Gemäldes oder einer Skulptur, was umso bemerkenswerter erscheint, als in den meisten Artikeln oder Interviews nicht einmal am Rande von Kunst oder Kultur die Rede ist.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Beim Schaulaufen bezüglich einer effektvollen Büroraumgestaltung geht leicht vergessen, dass die Trophäen des guten Geschmacks in den meisten Fällen geborgt sind – geliehen von den Aktionären, denen sie recht eigentlich gehören. Was den Alphatieren recht ist, sollte dem ambitionierten Aufsteiger zu denken geben: Ausdrucksstarke Kunst, beliebtes Statussymbol der Arrivierten, erfordert kein Millionensalär – sie kann, zumindest vorübergehend, für relativ bescheidene Beträge beschafft werden. Kunstleasing heisst das Zauberwort.

Gegenwert eines Essens. «Professionelle Kunst hebt Ihr professionelles Unternehmensimage», wirbt die Firma Artrent mit Sitz in Zürich auf ihrer Homepage: «Entdecken Sie, wie neu und inspirierend Ihre Räume wirken, wie sie zusammen mit den Kunstwerken eine angenehme Atmosphäre entwickeln und wie Sie und auch Ihre Gäste und Kunden sich darin wohl fühlen.» Zwar kann man sich bei Artrent keinen Picasso ausleihen, dafür aber jede Menge ansprechender, qualitativ durchaus guter Werke von Schweizer Kunstschaffenden, denen der Durchbruch bisher versagt blieb. Zum Beispiel eine grossformatige Abstraktion in leuchtenden Farben der St.  Galler Künstlerin Kristina Comiotto. Mietkosten: 1000 Franken pro Jahr (inklusive Transport und Versicherung). Oder mehr Richtung Pop-Art: «Covers Explosion», ein Digital Print (50 × 70 cm) des seit Jahren in der Schweiz lebenden US-Amerikaners Mark Staff Brandl. Zu haben für die Dauer von zwölf Monaten zum Gegenwert eines guten Nachtessens: 110 Franken.

Im Zürcher Binzquartier unterhält Artrent einen Showroom, wo man die auszuleihenden Kunstwerke in Ruhe betrachten und sich bei Bedarf etwas Passendes heraussuchen kann. Bisher arbeitete die vor drei Jahren gegründete Kunstvermietungsfirma ausschliesslich mit Schweizer Künstlern zusammen. Die Jahresmiete für ein Originalwerk beträgt bei Artrent je nach Format rund zwanzig Prozent des Schätzwerts, wobei die Hälfte der Einnahmen an die Künstlerinnen und Künstler gehen. Nach Ablauf von zwölf Monaten lässt sich der Vertrag problemlos verlängern oder in einen Kauf umwandeln, wobei die Mietkosten vollumfänglich angerechnet werden. «Ich möchte nicht, dass sich der Mieter gegenüber einem Sofortkäufer benachteiligt fühlt», sagt Artrent-Inhaber Hendrik Barth. Es sei ihm ein Anliegen, im Umgang mit Kunst die «Erlebniszeit» wieder vermehrt ins Zentrum zu stellen – ähnlich wie bei einem Theaterbesuch oder einer Städtereise. Normalerweise gibt es in der bildenden Kunst nur gerade zwei mögliche Nutzungsvarianten: den klassischen Ausstellungsbesuch mit der Möglichkeit, die Exponate für jeweils nicht mehr als ein paar Minuten zu bewundern. Oder den käuflichen Erwerb mit unbeschränktem, theoretisch lebenslangem Verfügungsrecht. «Wir bieten dem Kunstnutzer die Möglichkeit, sich zwischen diesen beiden Extremen zu positionieren», erläutert Hendrik Barth seine Businessidee.

Erfunden wurde das Artleasing nicht in der Schweiz. In den Niederlanden etwa existiert dieses Geschäftsmodell schon seit Jahrzehnten; allein in Amsterdam gibt es mehrere Kunstvermieter, die ihre Leihware in grossen Sälen zur Schau stellen – wie andernorts Bücher in Bibliotheken. Ähnliche Angebote findet man in Grossbritannien und Deutschland. Dass Kunstleasing in der Schweiz bisher eher eine Randerscheinung geblieben ist, lässt sich einerseits mit dem hohen Wohlstandsniveau begründen, andererseits aber auch mit einer überdurchschnittlichen Galerien- und Museumsdichte im Land. Mit dem Effekt, dass es hierzulande fast schon zum guten Ton gehört, Kunst zu besitzen – zumal in sogenannt besseren Kreisen. So werden Kunstkäufe im Normalfall nach wie vor als lebenslange Investition betrachtet.

Steuerlich interessant. Diese Haltung bekommt auch die noch junge Verleihbranche zu spüren. Die Nachfrage von Privatpersonen sei nach wie vor «sehr gering», gibt der Gründer von Artrent freimütig zu. Um sogleich zu relativieren: «Ich bin überzeugt, dass sich das Konzept längerfristig auch hierzulande durchsetzen wird.» Bis es so weit ist, leiht Hendrik Barth seine Bilder schwerpunktmässig an kleine und mittlere Firmen, Anwaltskanzleien und Arztpraxen aus. Zu seinem aktuellen Kundenstamm gehören etwa der Finanzdienstleister Swift in Langnau am Albis und ein Zentrum für Tageschirurgie in Baden. Auch mit dem boomenden Pharmaunternehmen Actelion, das in Allschwil bei Basel derzeit einen repräsentativen Firmensitz hochziehen lässt, ist Barth nach eigenen Angaben im Gespräch. Vor zwei Monaten, berichtet er stolz, habe er sogar erstmals ins Filmbusiness expandieren können: Leihwerke von Artrent als Bühnendekor für die Filmkomödie «Keep Cool» mit Marco Rima.

Ein Mitkonkurrent, der sich bewusst auf ein gehobenes Preis- und Imagesegment spezialisiert hat und sich auf diesem Niveau selbstbewusst als «Schweizer Marktführer» bezeichnet, ist die Firma Art Leasing & Invest mit Sitz in Adliswil. Laut Geschäftsführer Bruno Thalmann, einem studierten Ökonomen, stehen für seine Kunden – typischerweise Freiberufler wie Ärzte, Anwälte oder Treuhänder sowie Banken, Versicherungen und Revisionsgesellschaften – nicht selten steuerliche Überlegungen im Vordergrund. Im Gegensatz zu einem Kauf lassen sich beim Kunstleasing nämlich Zinskosten, Amortisation und Versicherung als Aufwand verbuchen – jedenfalls dann, wenn die Ausleihe nachweislich Geschäftszwecken dient. Thalmann beeilt sich zu erwähnen, dass seine Firma ihren Kunden keine versteckten Gebühren oder gar Retrozessionen zumute: «Wir betreiben ein seriöses, transparentes Business und verdienen nur am Zins.» Dazu gehöre etwa auch, dass Art Leasing & Invest über eine kantonale Bewilligung verfüge, dem Geldwäschereigesetz unterstehe und – in der Branche der Kunstvermieter offenbar die Ausnahme – auch dem schweizerischen Leasingverband angehöre: «Wir sind die Einzigen in der Schweiz, die das alles erfüllen», wirbt Bruno Thalmann. «Fast wie eine Bank.»

Konkret funktioniert sein Geschäftsmodell so: Der Interessent sucht sich bei einer von rund 30 Kunstgalerien (25 davon in der Schweiz), mit denen Art Leasing & Invest aktuell zusammenarbeitet, selbständig ein passendes Kunstwerk aus. Wird er für kreditwürdig befunden, erwirbt die Adliswiler Firma sodann das betreffende Werk und schliesst mit dem Interessenten einen Vertrag über mehrere Jahre ab, wobei der jährliche Leasingzins derzeit bei 4,6 Prozent liegt. Bei einem Gemälde mit einem Galerieverkaufspreis von 20  000 Franken belaufen sich die Kosten (inklusive Mehrwertsteuer und Versicherung) bei vierjähriger Vertragsdauer somit auf 427 Franken pro Monat. Nach dem gleichen Berechnungsschema kann sich ein Kunstliebhaber mit beschränktem Budget eine Zeichnung oder Fotoarbeit, für die eine Galerie 1000 Franken verlangt, bereits für 21 Franken im Monat übers Wohnzimmersofa hängen. Mit geringem Mitteleinsatz junge, noch weitgehend unbekannte Künstler zu fördern, zeuge allemal von mehr Stil, als sich ein Poster an die Wand zu hängen, meint Bruno Thalmann.

Etablieren möchte er sich allerdings vorab im gehobenen Qualitäts- und Preissegment. Erst kürzlich habe er im Auftrag eines Zürcher Anwalts ein Gemälde von Sam Francis für 300  000 Franken erworben, verrät er. Genauso sei es für ihn auch «kein Problem», eine Arbeit des gefeierten Zürcher Künstlerduos Fischli/Weiss zu beschaffen: «Wer bereit ist, den geforderten Preis hinzublättern, dem hat sich noch jede Galerietür geöffnet.» Wäre es demnach sogar möglich, eine Giacometti-Skulptur zu leasen, von denen nur sehr selten eine in den Handel gelangt? «Wir würden eine internationale Suche starten», sagt Thalmann und gibt sich auch hier keine Blösse.

Marketinginstrument. Uwe Fassnacht von der Kunstverleihfirma Kura in Herznach AG bezeichnet die Zusammenarbeit mit den Galerien derweil als eher schwierig: «Die grossen, international etablierten Kunsthandelshäuser brauchen uns nicht. Da haben wir keine Chance. Junge Galeristen sind hinsichtlich unseres Geschäftsmodells häufig viel aufgeschlossener.» Lange Zeit sei Kura «knapp am Bankrott entlanggeschlittert», erinnert sich Fassnacht. Erst seit drei, vier Jahren laufe das Geschäft merklich besser. Dem Positivtrend habe bisher auch die Wirtschaftskrise keinen Abbruch getan. Im Gegenteil, sagt Fassnacht: «Die Krise beflügelt unser Geschäft. Wir vermitteln heute so viele Kunstwerke wie noch nie.» Zu seinen Kunden zählen etwa die Gebäudeversicherung Basel-Stadt, Atag Asset Management und diverse Raiffeisen-Filialen. Eine innovative Vertriebsvariante wurde in Zusammenarbeit mit der Firma Marty Häuser entwickelt. Nach Fertigstellung eines Marty-Hauses erhielten die Bauherren die Möglichkeit, sich jeweils während eines halben Jahres kostenlos Bilder, Skulpturen und Installationen aus dem Kura-Fundus zu leihen und dergestalt ihr neues Eigenheim zu schmücken. Die Kosten für den sechsmonatigen Kunstverleih trug Marty Häuser.

Ein weiterer Geschäftszweig mit Wachstumspotenzial scheint der kurzfristige Verleih von Kunstwerken an Hotellerieunternehmen und Tourismusverbände zu sein. Vor dem Hintergrund des sich verschärfenden Standortwettbewerbs beginnen sich auch Kommunen und Städte vermehrt für Leihkunst als Marketinginstrument zu interessieren – etwa im Rahmen von Skulpturenausstellungen im öffentlichen Raum. «Die Nachfrage für Events hat stark zugenommen», bestätigt Uwe Fassnacht.

Generell sei vor allem bei der Altersgruppe der 30- bis 40-Jährigen ein wachsendes Interesse an flexiblen Leasingvarianten zu beobachten; mit steigendem Alter werde dagegen nach wie vor eher gekauft. «Die Leute sollen sich ohne Zeitdruck und mit geringem finanziellem Risiko mit Kunst beschäftigen können», formuliert der Kura-Geschäftsführer seine Zielsetzung. Für eine Probehängung, die nur ein paar Tage dauert, verlangt er nach eigenen Angaben nichts. Auch den Transport und die Installation erledigt er mitunter gerne «gratis». Aus gutem Grund: Neunzig Prozent seiner Klienten, hat Fassnacht festgestellt, wachsen die Leihwerke dermassen ans Herz, dass sie diese schliesslich erwerben.

Adressen: Die Vermieter