Der italienische Architekt Stefano Boeri plant eine Revolution im Städtebau. Seine in Mailand stehenden Hochhäuser «Bosco Verticale» («Vertikaler Wald») sollen zur Blaupause für eine grünere Zukunft werden.

Nicht nur auf dem Land, sondern gerade auch in den Städten müssten die Menschen mit Bäumen leben, findet Boeri. Seine 110 und 76 Meter hohen Zwillingstürme im Mailänder Stadtteil Porta Nuova sind deshalb mit hunderten Bäumen und Sträuchern bepflanzt. So absorbieren die Häuser grosse Mengen CO2 und bilden einen Lebensraum für Vögel und Insekten.

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23 verschiedene Baumarten

Geht es nach Boeri, sind die 2014 in Mailand vollendeten Türme erst der Anfang. Im Februar hat der Architekt ein ähnliches Projekt in der smoggeplagten chinesischen Metropole Nanjing vorgestellt. Auch dort sollen bis 2018 zwei grüne Hochhäuser entstehen. Sie werden mit 23 verschiedenen Baumarten und insgesamt über 2500 Sträuchern bepflanzt.

Dank der Pflanzen sollen die Gebäude in Nanjing jährlich 25 Tonnen CO2 aus der verschmutzten Luft saugen und jeden Tag 60 Kilogramm Sauerstoff produzieren. Zudem würden grosse Mengen des vom Strassenverkehr verursachten Feinstaubes absorbiert, so Boeri gegenüber dem «Guardian».

Kleinstadt mit 100 bis 200 Gebäuden

Selbstverständlich seien zwei Türme in einer riesigen Stadt nur ein kleiner Beitrag, räumt Boeri ein. «Doch wir hoffen, dass unser Beispiel Schule macht.» Vor fünf Jahren hat der Architekt ein Büro in Shanghai eröffnet. Denn nirgends sonst auf der Welt sind die Bedingungen so günstig für die Verwirklichung seiner Pläne, wie in China.

Der Smog ist für die chinesische Regierung ein gesellschaftliches Problem von grösster Dringlichkeit. Gleichzeitig sind Mittel und Durchsetzungskraft vorhanden, ganze Städte aus dem Boden zu stampfen. Es überrascht deshalb kaum, dass Boeri beauftragt wurde, einen Masterplan für eine Kleinstadt mit 100 bis 200 Gebäuden zu entwerfen.

«System von kleinen grünen Städten»

Boeris erste «Waldstadt» soll bis 2020 in Liuzhou in der südchinesischen Provinz Guangxi entstehen. Frühe Entwürfe zeigen eine langgezogene Gartenstadt ohne klares Zentrum und mit locker verteilten Gebäuden unterschiedlicher Grösse (siehe Bildergalerie). China müsse der Verdichtung zu Megastädten ein «System von kleinen grünen Städten» mit 100'000 oder weniger Einwohnern entgegenstellen.

Architektonisch seien seine Entwürfe nicht spektakulär, sondern simpel, gibt sich Boeri bescheiden. «Spektakulär ist die Natur, die Idee eines Hauses welches sich mit den Jahreszeiten wandelt.» Angst vor Kopisten hat der Architekt deshalb nicht: «Die Idee des vertikalen Waldes kann überall reproduziert werden. Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn unsere Ideen kopiert werden. Ich hoffe sogar, dass unsere Arbeit in Zukunft für weitergehende Experimente von Nutzen sein wird.»