Seine Berufung war eine überraschung – doch im Nachhinein betrachtet eigentlich logisch. Schliesslich gibt es keinen anderen Schweizer, der so viel Führungserfahrung in der Postbranche hat wie der in Bern geborene und im Waadtland aufgewachsene Claude Béglé. Dass vorher trotzdem kaum einer auf den 58-Jährigen als neuen Präsidenten der Schweizerischen Post getippt hat, liegt an Béglés Werdegang: Quasi seine gesamte Karriere verbrachte er im Ausland, lebte in 15 Ländern, flog – und fliegt – pro Jahr rund eine Million Meilen ab. Als seine Hauptaufgabe sieht Béglé die Erhaltung und Verbesserung der Servicequalität der Post an. Zudem muss er sie auf den Eintritt der Konkurrenz vorbereiten, wenn 2012 das Briefmonopol fällt. Auch Wachstumsgelegenheiten im Ausland will er prüfen – «sofern dies politisch und öffentlich gewünscht wird». Dringlichste Aufgabe freilich ist die Ernennung eines Nachfolgers für den operativen Post-Chef Ulrich Gygi, der selber gerne das Präsidium übernommen hätte, jetzt aber zu den SBB wechselt. Als heissester Anwärter wird der Chef der Brief- und Paketpost, Michel Kunz, gehandelt. An seine Funktion ausserhalb des operativen Managements wird sich Béglé erst gewöhnen müssen, sitzt er doch in keinem anderen Verwaltungsrat: «Ich bin ein Macher, kein Berater.» Seine Weggefährten In seinen 14 Jahren beim Nahrungsmittelmulti Nestlé genoss Béglé zwei Generaldirektoren als Ziehväter: Südamerika-/Asienchef José Daniel sowie Europachef Ramón Masip. Vermutlich hätte Béglés Karriere bei Nestlé weiter nach oben geführt als bis zur Station des Länderchefs Tschechoslowakei, wenn Masip, wie von Helmut Maucher geplant, dessen Nachfolger als Konzernchef geworden wäre. Mit Peter Brabeck, der nach dem Krebstod Masips zum Handkuss kam, war Béglé weniger eng verbunden, auch wenn er ein Jahr nach ihm in Venezuela arbeitete und dessen Freundeskreis teilweise übernahm. Auch den heutigen Nestlé-Chef Paul Bulcke traf Béglé in Lateinamerika. Seine Post-Connections Da seine Frau im sonnigen Barcelona leben wollte und ihm die holländische TNT dort im richtigen Moment einen Job anbot, wechselte Béglé 1997 in die Postindustrie. Nur vier Monate später wurde er verantwortlich für 56 Länder und musste nach Paris zügeln. 1999 wechselte er zum Allianzpartner La Poste française. Bis heute hat Béglé einen engen Draht zu La-Poste-Chef Jean-Paul Bailly. Um die Deutsche Post einzuholen, entwickelte Béglé eine aggressive Wachstumsstrategie: Er tätigte 40 Akquisitionen im Wert von drei Milliarden Franken und war am Schluss Herr über 25  000 Mitarbeiter. Als Schweiz-Chef für die Tochter DPD stellte er Jean-Noël Rey ein, seines Zeichens Vorgänger von Ulrich Gygi bei der Schweizerischen Post. 2005 wechselte Béglé ausgerechnet zum Erzrivalen Deutsche Post: «Klaus Zumwinkel machte mir ein Angebot, dem man nicht widerstehen konnte.» Auch nach dessen Steueraffäre hat Béglé «weiterhin höchsten Respekt vor ihm». Seine Polit-Kontakte Von Nestlé wurde Béglé zunächst nach Ägypten geschickt, um mit Präsident Hosni Mubarak über den Aufbau einer Sojamilchfabrik zu verhandeln. Nach dem Mauerfall zog es ihn nach Osteuropa, wo er als Länderchef Tschechoslowakei mit Staatspräsident Vaclav Havel den Verkauf von 15 Milchfabriken aushandelte – die grösste Privatisierung Osteuropas. Darauf warb ihn Philip Morris ab: Für den US-Tabakmulti akquirierte Béglé die staatlichen Zigarettenfabriken Polens. Sein Verhandlungspartner war Lech Walesa. Via den Staatsbetrieb Deutsche Post geniesst Béglé heute beste Verbindungen in die Spitzen der deutschen Politik. Mit Aussenminister Frank-Walter Steinmeier trat er im Juni in der chinesischen 32-Millionen-Stadt Chongqing an einem Kongress zum Thema Urbanisation auf. Auch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel hält er Kontakt. In der Schweiz ist er politisch nicht verbandelt. Während Noch-Post-Konzernleiter Ulrich Gygi SP-Mitglied ist, gehört Béglé keiner Partei an: «Ich bin ein freier Mann. Ich habe keine Probleme, mir eine eigene Meinung zu bilden.» Den gleichen Charakterzug schätzt er an Bundesrat Moritz Leuenberger, dessen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) die Post unterstellt ist und von dem sich Béglé «absolut begeistert» zeigt: «Er ist einer der Gründe, warum ich den Job angenommen habe.» Sein Privatleben Beim IKRK vermittelte Béglé im Bürgerkrieg von Rhodesien (heute Simbabwe); in Libanon wurden einige seiner Mitarbeiter gar in einem Hinterhalt getötet. Auch privat ist Béglé ein Abenteurer: Mit dem Auto fuhr er in jungen Jahren von Lausanne nach Nepal, um dort schliesslich den König zu beraten; in Nigeria wurde er zum Stammeshäuptling gekürt, in Indien lebte er ein halbes Jahr in einer Jainistenfamilie. «Mein Leben war nie langweilig», sagt er. Seine Familie Béglé ist Offizier der Schweizer Armee – «wie wir alle in der Familie». Onkel Henry war Schweizer Botschafter in Peru und Bolivien, Vater René über zwei Jahrzehnte VR-Delegierter des Lausanner Schokoladenherstellers Interfood (Suchard-Tobler) mit 1,2 Milliarden Umsatz – «von ihm habe ich das Arbeiten gelernt». Er ging, als sich Klaus J. Jacobs 1982 die Mehrheit angelte. Claude war in erster Ehe verheiratet mit der Schwester des Lausanner Immobilienmaklers Bernard Nicod. Seine jetzige Frau, Ana Maria, eine kolumbianische Chirurgin, lernte er zu Nestlé-Zeiten kennen. Mit ihr will er nach dem Berufsleben in der Dritten Welt Entwicklungshilfe leisten. Zwei der sechs Kinder wohnen noch bei der Familie in Pully VD.
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