Die Vorschusslorbeeren waren gross, als Jeannine Pilloud Herr (48) ihren Job als Leiterin Personenverkehr und als erste Frau in der SBB-Konzernleitung antrat. Ihr Chef, Andreas Meyer, nannte die Wahl 2009 historisch; der «female factor» zeigte lange Wirkung.

Inzwischen ist Pillouds Startbonus aufgebraucht: Die ehemalige Spitzenschwimmerin, die abwechselnd mit vier Brillenmodellen unterwegs ist – von weiss bis schwarz – , musste 2012 erstmals seit Jahren einen Passagierrückgang hinnehmen. Im laufenden Jahr wird der Gewinn deutlich schrumpfen, und das trotz höheren Preisen für die Bahnbillette. Doch die zweifache Mutter und Befürworterin einer Frauenquote gibt sich unverdrossen optimistisch und sprudelt vor Ideen. Mit einer Auffrischung der Zug-WCs inklusive Waldtapeten oder einer Erhöhung der Surfgeschwindigkeit in den Waggons will sie bei den Kunden punkten.

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Aus dem Fundus der früheren IT-Managerin dürfte auch die elektronische öV-Karte stammen, die ab 2015 für Kunden von General- und Halbtax-Abos eingeführt wird. Auf der Abokarte soll ein Chip integriert werden, der als Identifikation und als Fahrausweis dient. Damit lässt sich – einer der Hintergedanken – eine Preisdifferenzierung bei den Abonnementen durchsetzen.

Die Freunde

Pillouds Beziehungsnetz in der Schweizer Wirtschaft ist nicht eng – auch weil sie die letzten Jahre mit T-Systems schwergewichtig im Ausland verbrachte. Zu den alten Bekannten gehören der ehemalige Flughafen-Zürich-CEO und heutige Amag-Verwaltungsrat Josef Feldersowie Nils Planzer, CEO Planzer Transporte. Gemeinsam sitzt man im Vorstand der Schweizerischen Management Gesellschaft. Als ihr Förderer bei IBM Schweiz galt Peter Quadri, heute Mehrfachverwaltungsrat, unter anderem bei Swiss Life und Vontobel. Im Verband öffentlicher Verkehr (VöV) trifft sie sich regelmässig mit Direktor Ueli Stückelberger, den Chefs der BLS, Bernard Guillelmon, der Matterhorn Gotthard Bahn, Fernando Lehner, und der Jungfraubahnen, Urs Kessler. Aktiv ist Pilloud im Netzwerk GetDiversity, das Barbara Rigassi ins Leben rief und Frauen in Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen positionieren will.

Grundsätzlich gut, aber komplex ist das Verhältnis zu SBB-Chef Andreas Meyer. Dieser gilt als umtriebiger Mikromanager und zelebriert sich in den Medien gerne als «Mr. SBB» («Keine Feier ohne Meyer»). Mitunter pfeift er seine Personenverkehr-Chefin zurück, die ihr Licht ebenfalls nicht unter den Scheffel stellt.

Die Gegner

Handfesten Krach hatte Pilloud mit Erich Meyer, dem ehemaligen Präsidenten des Schweizerischen Schwimmverbands. Pilloud, im Verband ehrenamtliche Sportdirektorin von Swiss Swimming, der wichtigsten Sparte, lieferte sich mit Meyer während Jahren einen Kampf um Geld, Macht und Transparenz. Pilloud stand vor dem Rauswurf, setzte sich aber schliesslich durch; 2010 wurde Meyer als Verbandspräsident abgewählt. Im Beruflichen zielt Walter von Andrian, Chefredaktor der «Schweizer Eisenbahn-Revue», scharf: Seit Jahren bemängelt er die abnehmende Kundenfreundlichkeit der SBB im Personenverkehr, dem Pilloud vorsteht. Diese Kritik teilt Pro-Bahn-Schweiz-Präsident Kurt Schreiber, oberster Interessenvertreter der öV-Kunden im Land. Avenir-Suisse-Direktor Gerhard Schwarz hat sich auf die Tarifpolitik der SBB eingeschossen, die bei weitem nicht kostendeckend ist und zu Fehlanreizen führt. Preisüberwacher Stefan Meierhans und die SBB-Spitzen liegen sich regelmässig wegen Tarifforderungen der Bahn in den Haaren.

Die Aquatic-Connection

In der Jugend trainierte Pilloud im Schwimmclub Dübendorf, dann im Schwimmclub Uster-Wallisellen, wo Philipp Hildebrand Mitglied der 4×100-m-Rückenstaffel war. Mit dem späteren Nationalbank-Präsidenten ist sie bis heute freundschaftlich verbunden. Aus der Zeit als Spitzensportlerin kennt sie Jacqueline Fendt, die ehemalige Chefin von Expo.01, die heute an einer Universität in Paris lehrt. Zur Sport-Connection zählen Ruth Metzler, ehemalige Präsidentin der Sporthilfe, und Swiss-Olympic-Manager Gian Gilli. Noch heute ist Pilloud ehrenamtliche Direktorin beim Schwimmverband. Ihr Vorgänger war Alex Miescher, heute Generalsekretär beim Fussballverband. Sie gehört zum Aquatic Master Team, das im Hallenbad Zürich trainiert und von René Bodmer von Rahn & Bodmer präsidiert wird.

Die Karriere

Pilloud besuchte das Gymnasium in Oerlikon, dann die Ringier Journalistenschule in Zofingen. Während des Lehrgangs schrieb sie für den «Blick» unter Chefredaktor Peter Uebersax. Nach dem Ausflug in die Medienwelt studierte sie an der ETH Zürich Architektur. Ihre Diplomarbeit verfasste sie bei Professor Mario Campi. Nach Studienabschluss heuerte sie im Architekturbüro Suter + Suter an, wo sie als Marketingleiterin für den Planungsbereich Schweiz verantwortlich war. 1994 wechselte sie zu IBM Schweiz, wo sie die Learning Services im IT-Projektgeschäft übernahm. Ihr Vorgesetzter war Riet Cadonau, heute CEO Kaba, der Managerinnen um sich scharte, unter anderen Isabelle Welton, heute Zurich Insurance Group, und Susanne Ruoff, CEO Post. Nach sieben Jahren wechselte Pilloud zur Bon Appétit Group unter Beat Curti und Mario Fontana; hier sollte sie den Geschäftsbereich E-Commerce aufbauen. Nach dem Verkauf an die Rewe-Gruppe stieg sie bei T-Systems ein, einer Tochterfirma der Deutschen Telekom. Im April 2011 übernahm sie bei den SBB den Kernbereich Personenverkehr.

Die Familie

Die Pillouds stammen aus Châtel-St-Denis FR, doch bereits die Grosseltern zogen nach Dübendorf ZH. Der Vater arbeitete für die damalige SBG, heute UBS, die Mutter war Hausfrau. Pilloud ist verheiratet mit Marco Herr, einem Luxemburger, der an der George Washington University Politologie studierte und als Schwimmer an Welt- und Europameisterschaften teilnahm. Nach der Heirat übernahm Herr Herr den Nachnamen seiner Frau. Er ist heute als Schwimmtrainer aktiv und betreibt die Firma Pure Swimming, wo Gattin Jeannine im Verwaltungsrat sitzt. Marc Pilloud kümmert sich schwergewichtig um die Erziehung der beiden Kinder. Die Familie verbringt die Freizeit im oder am Pool. Pilloud bringt es auf sechs Stunden Wasserzeit pro Woche.