Der Slogan provozierte 1992 einen handfesten Skandal: Mit den Worten «La Suisse n’existe pas» empfing die Schweiz ihre Besucher im Pavillon der Weltausstellung von Sevilla. Wie ein Stachel bohrte sich dieses Plakat, gemalt vom Künstler Ben Vautier, in die sensible Volksseele. Die Schweiz steckte in einer tiefen Identitätskrise. «700 Jahre sind genug!» nannte sich ein Komitee von Kulturschaffenden, das sich anlässlich des 700. Geburtstages der Eidgenossenschaft formiert hatte. Der Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt beschrieb das Land in seiner denkwürdigen Rede beim Besuch des tschechischen Präsidenten Vaclav Havel als Gefängnis, das bewohnt sei von sich gegenseitig bewachenden Wärtern.

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Ein gutes Jahrzehnt später hat sich das kollektive Schweiz-Bild beinahe ins Gegenteil verkehrt. In diesem Jahr steht die Marke Schweiz in der Rangliste der helvetischen Power-Brands erstmals ganz zuoberst. Das weisse Kreuz auf rotem Grund überstrahlt damit auch Topmarken wie Ovomaltine, Toblerone oder Migros. Zudem sind nicht weniger als 14 der 20 stärksten Brands im Lande Schweizer Eigengewächse (siehe Grafik «Ganz oben auf dem Marken-Olymp» unten).

Dieser ungebrochene Swissness-Trend ist die wichtigste Erkenntnis aus dem BrandAsset Valuator 2005. Bereits zum fünften Mal seit 1995 hat die Werbeagentur Advico Young & Rubicam die Stärke von über tausend verschiedenen Marken gemessen. Die Resultate basieren auf der Befragung von 1500 repräsentativ ausgewählten Schweizer Konsumenten.

Dass die Marke Schweiz im Kommen ist, zeichnete sich schon bei der letzten Erhebung vor zwei Jahren ab. Damals bezog sich die Swissness allerdings stärker auf das Optische, insbesondere auf das boomende Schweizer Kreuz. Die schlichte Eleganz des rot-weissen Wappens brachte auch den Trendguru Tyler Brûlé ins Schwärmen. «Swissness is sexy!», hiess seine Botschaft, die indes kaum über die oberflächlichen Klischees hinausging. Seither jedoch hat die Marke Schweiz zusätzlich an Statur gewonnen. David Allemann, Managing Director bei Advico Young & Rubicam, begründet ihren Aufstieg zur Nummer eins mit dem Wertewandel unter den Konsumenten: «Wir beobachten eine Rückbesinnung auf traditionell schweizerische Werte. Das Bodenständige ist wieder gefragt.»

Diese Entwicklung manifestiert sich zunächst im Selbstbild der Menschen: «Ich bin stolz, ein Schweizer zu sein», ist jene Aussage, die in der Befragung am meisten zugelegt hat. Hoch im Kurs stehen ausserdem konservative Werte wie Pflichtbewusstsein, Ordentlichkeit und Stabilität. Generell haben Marken, die diese Schweizer Bodenständigkeit verkörpern, an Stärke gewonnen. Laut Allemann gibt es sieben Trends und Entwicklungen, die den Befund stützen:

1. Sparsamkeit: M-Budget ist die erfolgreichste Markenlancierung der letzten zehn Jahre (siehe Nebenartiekl «Die Marke M-Budget ist Top-Aufsteiger 1995 bis 2005: So schön kann hässlich sein»). Auch Ikea, EasyJet oder Media Markt reiten auf einer Erfolgswelle.

2. Sauberkeit: Putz- und Waschmittel erfreuen sich bei den Konsumenten steigender Beliebtheit. Die Namen Handy, Sipuro, Charmin und Pril figurieren hinter M-Budget ebenfalls prominent auf der Liste der grössten Gewinner (siehe Grafik «30 Aufsteiger 1995–2005» unten).

3. Rechtschaffenheit: Während die Schnapsmarken an Bedeutung verlieren, macht das alkoholfreie Bier, insbesondere der Name Clausthaler, Terrain gut. Unter den Biermarken zählen ausserdem die einheimischen Eichhof und Cardinal zu den Gewinnern.

4. Bedürfnis nach Sicherheit: Die Marken aus der Versicherungsbranche haben, mit Ausnahme von Swiss Life, allesamt deutlich besser abgeschnitten. Am stärksten profitiert hat dabei die Mobiliar.

5. Do it yourself: Neben der bereits erwähnten Ikea sind auch Marken wie Bosch oder Kärcher auf dem Vormarsch.

6. Sehnsucht nach Altbewährtem: Bemerkenswert ist das Comeback der Schweizer Armee auf Markenebene. Ihre Ursprünglichkeit wird von den Menschen wieder mehr geschätzt.

7. Schweizer Genussmittel als Klassiker: Schokolade- und Käsemarken besitzen seit je eine starke Position hierzulande. Beim Käse sind inzwischen sogar vier Sorten unter den 20 stärksten Marken vertreten: neben Appenzeller und Gruyère neu auch Emmentaler und Tilsiter. Aus der Liga der Power-Brands ist anderseits – und vielleicht etwas überraschend – die Marke Lindt hinausgeflogen sowie Uncle Ben’s und Chiquita.

Ganze 14 der 20 Schweizer Power-Marken haben mit Essen oder Trinken zu tun. Diese verblüffende Konzentration erklärt sich durch die grosse helvetische Tradition in der Herstellung von Nahrungsmitteln. Solche Marken-Cluster sind, allerdings weniger ausgeprägt, auch in anderen Ländern zu beobachten. In Deutschland zum Beispiel gehören zahlreiche Automarken zur Topliga. In England geniessen Medien und Snacks eine hohe Popularität.

Ein Blick auf die Nummer-eins-Marken der europäischen Länder zeigt zudem, dass der Trend zu mehr Nationalismus nicht nur in der Schweiz existiert. Mit Ausnahme von Spanien, wo Coca-Cola an der Spitze steht, kommt die stärkste Marke überall aus dem eigenen Land: In Dänemark ist es B&O, in Schweden Ikea, in Italien Nutella, in Deutschland Aldi, in England der TV-Sender BBC.

Während die Globalisierung rasant zunimmt, suchen die Menschen vermehrt Halt bei den einheimischen Marken, denen sie vertrauen. So auch bei uns, wo die Faszination für das Schweizerische lange Zeit als ein ausländisches Phänomen betrachtet wurde. Das Swiss Army Knife zum Beispiel, als Inbegriff für höchste Qualität, erreicht in den USA den stattlichen Bekanntheitsgrad von 92 Prozent. So war es wohl kein Zufall, dass mit Tyler Brûlé ausgerechnet ein Kanadier den Eidgenossen in Erinnerung rief, dass die Schweiz zu den weltweit stärksten Brands gehört. Nun steht Mutter Helvetia zuoberst auf dem hiesigen Markenthron. Und die wirtschaftliche Bedeutung der Marke Schweiz war noch nie so gross wie heute.

Wie immens dieser materielle Wert ist, zeigt eine kürzlich publizierte Untersuchung des Zürcher Marktforschungsinstituts GfS. Demnach sagen 69 Prozent der Konsumenten, dass sie bereit seien, für «Schweizer Qualität» auch mehr zu bezahlen. Im Schnitt erachten sie einen Aufpreis von 14 Prozent als gerechtfertigt. Acht von zehn Personen finden es zudem sympathisch, wenn Firmen mit ihrer Swissness werben.

Nicht allen Unternehmen gelingt es allerdings, von der Ausstrahlungskraft der Dachmarke Schweiz zu profitieren. Perfekt funktioniert diese Symbiose etwa bei Ricola: Der Kräuterzucker repräsentiert ein Stück heile Bergwelt. Mit dem Slogan «Wer hats erfunden?» parodiert die Marke auf witzige Weise den kleinbürgerlichen Schweizer Besserwisser, der den Ausländern erklärt, wer die besten Bonbons der Welt herstellt. Mit Erfolg vermarktet auch Emmi ihre Schweizer Wurzeln, allerdings auf eine sehr klassische Weise. Während das Schweizer Wappen bei Ricola fehlt, ist es bei Emmi ein fixer Bestandteil des Logos. Bei den Produktenamen kommen Helvetismen wie «Griess-Töpfli» zum Einsatz, und in Deutschland wirbt die Firma mit dem Slogan «Die einzige Milchmarke mit dem Reiz der Schweiz».

Daneben gibt es allerdings auch ur-schweizerische Marken, die ihre Swissness ganz bewusst ausblenden. Laut einer Studie des Instituts für Marketing an der Universität St. Gallen sind Nescafé oder Maggi typische Vertreter dieser Strategie. Joachim Kernstock, Autor der Studie, empfiehlt eine solche Positionierung besonders bei Brands, die bereits eine gewisse Stärke erreicht haben: «Namentlich der Nestlé-Konzern setzt auf globale Marken, die ihr Profil unabhängig von einem bestimmten Länderimage entwickeln sollen.» Weniger gut gelungen sei das hingegen bei Mövenpick.

Doch wieso eigentlich entwickelt sich eine Marke wie M-Budget im Nu zum Kultlabel? Weshalb trinken die Szenegänger plötzlich Smirnoff- statt Absolut-Wodka? Anfang der neunziger Jahre hatte die Wodkamarke aus Schweden mit einer genialen Kampagne («Absolut Heaven» usw.) noch für Furore gesorgt, jetzt ist sie der grösste Absteiger der letzten zehn Jahre (siehe Grafik «30 Verlierer 1995–2005» unten).

Und warum trafen Namen wie Armani, DKNY oder Davidoff in den Neunzigern perfekt den Nerv des Publikums (siehe Nebenartikel «Der Zeitgeist und seine Marken»), um danach ebenso rasch wieder zu verblassen?

Über solche Fragen hat sich schon manch ein Marketingverantwortlicher den Kopf zerbrochen. Genau dazu liefert der BrandAsset Valuator (BAV) aufschlussreiche Antworten. Jede Marke wird in 48 verschiedenen Imagedimensionen bewertet. Denn um zu den Power-Brands zu gehören, reichen eine hohe Qualität oder Kundenorientierung bei weitem nicht. Dazu braucht es Bestnoten bei vielen weiteren Eigenschaften. Als innovativste Marke zum Beispiel bezeichnen die Konsumenten Ikea. Bei den Kriterien Preis-Leistungs-Verhältnis und Vertrauenswürdigkeit schneidet die Migros am besten ab. Die grösste soziale Verantwortung attestieren die Menschen Max Havelaar, dem «Beobachter» am meisten Aufrichtigkeit, und in Sachen Zuverlässigkeit kommt das Postauto am besten weg (siehe Grafik «Die Leader bei wichtigen Imagedimensionen» unten).

Mit den Resultaten aus diesen 48 Dimensionen lässt sich von jeder Marke ein Profil erstellen, das sich in vier Teile gliedert. Das Fundament, quasi die Daseinsberechtigung jeder Marke, liefert die Frage: «Besitzt die Marke Eigenschaften, die sie einzigartig machen?» Erfolg haben nur solche Produkte oder Dienstleistungen, die sich durch eine klare Differenzierung von der Konkurrenz abheben können. Zu klären ist zweitens, ob diese Eigenschaften tatsächlich den persönlichen Bedürfnissen der Konsumenten entsprechen. Daraus ergibt sich die Relevanz einer Marke. Als dritter Pfeiler folgt die Wertschätzung. Um hier einen hohen Wert zu erzielen, muss eine Marke ihre Käufer davon überzeugen können, dass sie ihre Versprechen auch wirklich einhält. Dies führt zum letzten Element, der Vertrautheit: Wird eine Marke von den Verbrauchern als Teil des täglichen Lebens angesehen, so bedeutet das die Krönung eines erfolgreichen Brandings.

Anhand dieses Systems lässt sich zudem die künftige Entwicklung einer Marke prognostizieren. Vor allem, wenn die Werte bei der Differenzierung abbröckeln, ist das ein Warnsignal.

Ein Beispiel ist die Airline Swiss: Zwar kennt praktisch jeder die Marke. Doch gleichzeitig fällt es den Konsumenten schwer, der Swiss ein eigenständiges Profil zuzuschreiben. Genau umgekehrt bei EasyJet: Dank ihrer Unverwechselbarkeit erhält die Marke bei den ersten drei Pfeilern – Differenzierung, Relevanz und Wertschätzung – die höchsten Werte der gesamten Airlinebranche in der Schweiz. Sogar bei der Imagedimension «Service» liegt die Billigfluggesellschaft inzwischen vor der Swiss. Hat eine Marke ein so starkes Fundament wie EasyJet, so ist es oft nur eine Frage der Zeit, bis die Noten auch bei der Vertrautheit steigen.

So wie bei den Airlines geraten immer mehr Branchen in den Sog eines harten Verdrängungskampfes. Die Angebote sind so zahlreich und austauschbar geworden, dass die Konsumenten schnell einmal die Übersicht verlieren. Auch für Marken, die einen hohen sozialen Status symbolisieren, sind die Zeiten härter geworden. Da die Menschen mehr Wert auf ihre Individualität legen, haben sich die Märkte gerade im Luxusbereich zunehmend fragmentiert. Entsprechend erscheinen auf der Liste der grössten Verlierer in den letzten zehn Jahren so prominente Namen wie Singapore Airlines, Club Med, Vogue, Fogal oder die Uhrenmarke TAG Heuer. Gemäss BrandAsset Valuator hat der viertgrösste Schweizer Uhrenhersteller insbesondere bei der Differenzierung seiner Marke an Profil eingebüsst.

Gerade die jüngste, im Jahr 2002 lancierte Werbekampagne von TAG Heuer zeigt, wie schwierig es heute ist, sich unverwechselbar zu positionieren (siehe Grafik «Who is who?» unten): Die Werbung ist praktisch identisch mit jener von Omega. Während die Konkurrenz aus dem Swatch-Konzern auf Michael Schumacher und Anna Kurnikowa als prominente Werbeträger setzt, sind es bei TAG Heuer der Rennfahrer Kimi Räikkönen und die Tennisspielerin Maria Scharapowa.

Besonders seit sich Omega 1996 den Ferrari-Piloten Schumacher geangelt hat, ist es für die Marke TAG Heuer eng geworden, und das in ihrer eigenen Domäne. Anfang der siebziger Jahre nämlich war TAG Heuer der erste Uhrenhersteller, der die Formel 1 fürs Sponsoring entdeckt hatte, zunächst beim Ferrari-Team, danach während zwölf Jahren als offizieller Grand-Prix-Zeitnehmer.

Überall dort, wo sich die grossen Player im Profil gegenseitig annähern, eröffnet das den Konkurrenten neue Chancen. So lancierte die Schaffhauser Uhrenmarke IWC 1999 eine erfolgreiche Kampagne mit politisch unkorrekten Macho-Sprüchen – ein Tabubruch in der von noblem Understatement geprägten Uhrenwelt. Kein Zufall: Oftmals schaffen genau jene Marken den Durchbruch, die sich getrauen, die dominierenden Regeln innerhalb einer Branche zu brechen. Als Beispiele nennt Eirik Langås, Projektleiter BAV bei Advico Young & Rubicam, die Namen Aldi, Ikea, Starbucks oder Apple.

Von den weltweit 20 000 Marken aus 44 Ländern, die in der Markenstudie erfasst sind, hat Langås die erfolgreichsten Newcomer herausgefiltert. Er vergleicht deren Aufstieg mit dem Kampf von David gegen Goliath: «Als Herausforderer habe ich nur eine Chance, wenn ich den etablierten Platzhirsch gezielt an der Stirn treffen kann.» Konkret heisst das: Man sollte auf dem Markt einen gänzlich neuen Standard setzen, den auch der Konkurrent schliesslich übernehmen muss.

In der Praxis allerdings erweist sich ein solcher Volltreffer oft als schwierig. Das Image einer Marke verändert sich in den Köpfen der Konsumenten nur langsam. Seit 1995 gehören immerhin acht Marken ohne Unterbruch zur Gilde der 20 Power-Brands in der Schweiz, nämlich Swatch (vor zehn Jahren noch die Nummer eins), Migros, Toblerone, Ovomaltine, Gruyère und Zweifel sowie die Ausländer Lego und Coca-Cola. Das heisst: Marken besitzen einen gigantischen Wert, was die «No Logo»-Bewegung erfolglos zu ändern versuchte. Im Fall von Coca-Cola schätzt die Agentur Interbrand diesen auf 85 Milliarden Franken. In der Konsumgüterbranche erreicht die Marke häufig bis zu 60 Prozent des Unternehmenswertes, in der Industrie immerhin ein Fünftel.

Wie schwierig es ist, in die Phalanx der Etablierten einzudringen – zumal die Konsumenten derzeit eher konservativ denken und auf das Vertraute setzen –, verdeutlichen die Zahlen des BrandAsset Valuator zur Schweizer Bierbranche. Mit der neu entwickelten Analyse Y&R-BuyingSteps lässt sich bei sämtlichen Marken aufzeigen, wie die Verbraucher zu ihrer Kaufentscheidung kommen. Während 86 Prozent die einheimischen Biernamen Feldschlösschen und Eichhof kennen, sind es beim amerikanischen Budweiser mit 72 Prozent nur geringfügig weniger. Stehen die Konsumenten indes vor dem Verkaufsregal, entstehen plötzlich markante Unterschiede: 55 Prozent nehmen die Schweizer Biermarken in ihre engere Produkteauswahl, bei Budweiser sind es dagegen nur 22 Prozent. Noch krasser wird die Differenz bei der Frage, wer zu den regelmässigen Käufern gehört: Beim Schweizer Feldschlösschen und bei Eichhof zählen sich 19 Prozent dazu, bei Budweiser hingegen magere 2 Prozent.

Angesichts dieser tief verwurzelten Vorlieben der Konsumenten überrascht es kaum, dass immer mehr einheimische Anbieter auf der Swissness-Welle mitreiten wollen. Zwar hat der Bund eine Reihe von Bestimmungen erlassen, um dem Missbrauch vorzubeugen. So ist die Bezeichnung «Swiss made» nur zulässig, wenn der schweizerische Wertanteil an der Herstellung mindestens die Hälfte ausmacht. Das Wappenschutzgesetz von 1931 regelt zudem die kommerzielle Verwendung des Schweizer Kreuzes, und zwar äusserst restriktiv: Gemäss Artikel 2 ist die Verwendung des Wappens zu geschäftlichen Zwecken nämlich verboten. Laut Gesetz dürfte es somit weder auf Produkten noch auf Verpackungen erscheinen.

In der Praxis allerdings wird dieses Verbot kaum befolgt. Im Gegenteil, das Kreuz ist präsenter denn je. Viele Anbieter berufen sich dabei auf ein schwammiges Hintertürchen, welches das Gesetz offen lässt. Demnach ist der Gebrauch zulässig zu dekorativen Zwecken, zum Beispiel bei Souvenirartikeln, oder in stilisierter Form. Bei Emmi etwa wird erklärt, das Schweizer Kreuz auf dem Produktlogo sei nicht identisch mit dem Originalwappen. Man verwende ein anderes Rot und habe zudem die Proportionen des Kreuzes leicht abgeändert. Laut Bundesbeschluss aus dem Jahr 1889 sind die Arme beim echten Schweizer Kreuz je ein Sechstel länger als breit.

Tatsache bleibt: Streng nach Gesetz wäre das Logo von Emmi und vielen anderen wohl illegal. Dass die Behörden nicht dagegen einschreiten, zeigt nur, wie wenig zeitgemäss das Wappenschutzgesetz heute ist. Sonderbar erscheint auch, dass Dienstleistungsmarken vom Verbot nicht betroffen sind, weil diese beim Erlass des Gesetzes 1931 erst eine geringe Bedeutung hatten.

Nötig wäre deshalb eine Gesetzesrevision. Markenrechtsexperten befürworten eine behördliche Lizenzvergabe für den Gebrauch von nationalen Marken wie Swiss und Schweizer Kreuz, um insbesondere den grassierenden Missbrauch im Ausland eindzudämmen. Deutlich mehr als die Hälfte der geschützten Marken mit der Bezeichnung Swiss befinden sich inzwischen in ausländischem Besitz. Darunter gibt es so absurde Beispiele wie die thailändische Kosmetiklinie Swiss Alpine, die Joghurtmarke Swiss Miss im Sultanat Brunei oder ein ecuadorianisches Putzmittel namens Swiss Perfection.

Tröstlich an dieser weltweit wuchernden Swissness ist immerhin, dass damit der Slogan von der Expo Sevilla widerlegt wäre: Die Schweiz existiert also doch. So simpel indes, wie es die kochende Volksseele 1992 wahrhaben wollte, war die Botschaft von Ben Vautier nicht. Am Ausgang des Ausstellungspavillons nämlich hing noch ein zweites Plakat des Künstlers, mit der Aussage «Je pense donc je Suisse». Dieses zweite Plakat, das unser Land in einem ausgesprochen positiven Licht zeigte, wurde damals in der öffentlichen Aufgeregtheit überhaupt nicht wahrgenommen. Umso dankbarer ergriff man die Gelegenheit, sich wieder mal tüchtig über die vermeintliche Diffamierung der Schweiz zu empören.