Vor eineinhalb Jahren ging ich mit dem McLaren MP4-12C erstmals auf Tuchfühlung, und schon damals musste ich ihn einfach streicheln. Ich streichle ihn wieder, denn eine sanfte Berührung der Türkante gibt das Sesam-öffne-dich-Kommando. Die Sitzposition lässt sich programmieren und inklusive der Rückspiegelposition mit Betätigen des Memory-Knopfs jederzeit wiederherstellen. Ein grosses Lob verdient das extrem aufgeräumte Interieur: Kein Flugzeugcockpit mit tausend Lämpchen und Schaltern findet man im hochwertig verarbeiteten Innenraum vor, sondern das puristische Gegenteil.
Es kann losgehen! Also Starterknopf drücken, es funktioniert aber auch mit dem Zündschlüssel im Hosensack. Der Motor springt an und betört sogleich die Ohren mit einem satten, kernigen Sound. Da Petrus den Testtag very British gestaltet, steht der Scheibenwischer im Dauereinsatz. Der nächste Griff gilt der rechten Schaltwippe – der McLaren setzt sich in Bewegung. Ganz brav und gesittet bin ich auf den ersten Kilometern durch die Zürcher Innenstadt unterwegs. Im ersten von sieben Gängen ruckelt der Wagen zwar etwas unwillig, aber Stop-und-Go-Verkehr gehört eben nicht zu den Lieblingsdisziplinen von Boliden wie diesem. Die 600 Pferde, die, wenn losgelassen, zu 330 Kilometern pro Stunde fähig sind, gebärden sich erstaunlich zahm, wenn der Gasfuss zurückhaltend bleibt. Die Fahrt am Zürcher Hauptbahnhof vorbei wird zum Schaulaufen. Der MP4-12C kommt zwar einiges dezenter daher als ein Lamborghini oder ein Ferrari. Dennoch zieht er bewundernde Blicke auf sich. Die fragende Mimik eines Teenagers interpretiere ich als ein «Was ist denn das?». Ja, McLaren kennt man, aber hauptsächlich aus der Formel 1. Nur Kenner wissen, dass die Briten schon vor 19 Jahren den Strassen-Supersportwagen F1 gebaut haben und dass McLaren für Mercedes den SLR schuf.
Die Rundumsicht ist für Sportwagenverhältnisse sehr gut. Nur beim Rückwärtsfahren ist es schwierig zu erahnen, wo die Fahrt hingeht. Da würde eine Rückfahrkamera Gutes tun, was freilich mit mehr Gewicht verbunden wäre. Auch wenn die meteorologischen Verhältnisse widerlich sind: Eine Passfahrt muss sein. Also verlasse ich die Stadt in Richtung Albis. In den ersten Serpentinen erwacht mein Rennfahrerherz. Ein beherzter Tritt aufs Gaspedal hat gleich durchdrehende Hinterräder zur Folge – die einsetzenden Turbo-Zwillinge grüssen. Es ist sehr schnell klar, dass die 305er-Pirelli-P-Zero-Walzen mit dem nassen, drei Grad kühlen Asphalt keine Bindung eingehen wollen. Also fahre ich etwas vorsichtiger, aber immer noch zügig Richtung Passhöhe. Die elektrohydraulische Lenkung bietet in jedem Fahrzustand optimale Feedbacks, ob beim Einparken, beim Einlenken in Kurven, ob langsam oder schnell. Auf der Rückfahrt öffne ich in jedem Tunnel beide Fenster, um den fantastischen V8-Turbo-Sound zu geniessen. Grund genug, um den Radio mit iPod-Anschluss ungetestet zu lassen.
Ist der McLaren alltagstauglich? Im Prinzip ja. Nur wurde der Renner mit Karbon-Chassis eigentlich entwickelt, um auf Rennstrecken Bestzeiten zu jagen – und nicht für die Nachhausefahrt vom Büro mit Tempo 50.