Ticktick, zing, tschick ... nanu, er zeigt ja doch Regungen. Der Nissan steht knisternd vor der Ausfahrtschranke der Teststrecke. Bremsscheiben und Auspuff kühlen ab und ziehen sich lautstark aus ihrer überhitzten Dehnung zurück in Form. Als würde er schwitzen, lässt der GT-R einige Tropfen aus den Radhäusern tröpfeln – Wasser, das er auf unserer ersten ungeduldigen Sondierungsrunde auf dem teilweise noch feuchten Handlingparcours mitgerissen hat. Wer hätte das gedacht: Die sonst so unangestrengt, ja manchmal fast unbeteiligt wirkende Fahrmaschine mit Gewinner-Gen ächzt – und scheint hier ernsthaft aus der Puste zu geraten. Der sonst wie automatisch auf Siege abonnierte Nissan GT-R muss sich mächtig abrackern. Nicht weil die Strecke noch etwas feucht oder gar zu anspruchsvoll für ihn wäre. Es scheint, als hätte der GT-R Angst.
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Nach einer überragenden Bilanz, in der er Porsche 911 Turbo und weitere Stuttgarter Hochkaräter abhängen konnte, muss er neuerdings einen Gegner fürchten: den letzten Elfer der noch aktuellen Baureihe 997, den GT3 RS 4.0. Der Extrem-Elfer hat nämlich ordentlich nachgelegt. Mehr Kraft, mehr Grip, mehr Tempo, weniger Masse – das ist die Botschaft des GT3 RS. Aber trotz ähnlicher Eckdaten – 500 PS bei Porsche, 530 PS bei Nissan – liegen die beiden sonst auf völlig unterschiedlichen Wellenlängen. Konkret: Turboaufladung, variabler Allradantrieb und reichlich regelnde Elektronik aus Japan treten gegen einen hoch drehenden Saugmotor, mechanische Hinterachssperre und reinrassiges Rennzubehör aus Zuffenhausen an. Hier prallen Welten und Ideologien aufeinander. Auch preislich: Der Porsche ist mit 178.596 Euro Grundpreis fast doppelt so teuer wie der GT-R. Uns interessiert dennoch nur eines: Wer ist schneller?
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nzwischen ist die Oberfläche trocken, der Nissan wieder bei Puste und seine Technik per Tastenkombination im Cockpit sportlich scharf geschaltet – hier regeln drei Wippschalter Fahrwerk, Antrieb und Fahrhilfen. Scharf heisst: Das Doppelkupplungsgetriebe reisst die Gänge besonders schnell herein, das Fahrwerk ist auf knochentrockene Härte justiert, die elektronische Stabilisierungshilfe lässt Drifts oder leichte Abweichungen von der Ideallinie zu. Derart auf Angriff getrimmt, nimmt der Nissan das hohe Tempo der Proberunden sofort wieder auf. So viel vorab: Er schafft den Parcours in sensationellen 1:30,73 Minuten. Nur als Vergleich: Ein BMW M3 schiesst auf der Contidrom-Handlingstrecke erst fünf (!) Sekunden später durchs Ziel. Der GT-R scheint dabei einer unsichtbaren Verzahnung im Boden zu folgen, so stabil bleibt er in der Spur. Anbremsen vor der schnellen Rechts, Herausbeschleunigen aus der Kehre, Korrekturen in der langen Links – der GT-R nimmt sich die einzelnen Sektionen vor wie programmiert. Dabei hat der Fahrer nicht einmal die optimale Rückmeldung aus der Lenkung, die Rückstellkräfte sind gering.
Egal, der Japaner rennt hier äusserst effektiv, die Zeiten stimmen. Schade nur: Den zu hoch im Auto montierten Sitzen fehlt Seitenhalt, und für furioses Klangspektakel fühlt sich die früh in den Begrenzer stotternde Turbomaschine nicht unbedingt zuständig. Auf Drehen und Kreischen ist eben traditionell ein GT3 abonniert. Ein bis in die Achttausender tourender Saugmotor übernimmt die Sound-Aufgabe. Und das mit Inbrunst. Im Stand rasselt und rumort der Vierliter nervös und ungestüm, im mittleren Drehzahlbereich schlürft und sägt der Boxer furchteinflössend, um im hohen Tourenbereich schmerzhaft laut zu brüllen. Geil! Die extrem direkte Lenkung übermittelt kribbelnd den Asphaltzustand, starre Sitzschalen klemmen den Fahrer ein wie in einer Kirmesgondel – im RS reicht eine lockere Einstimmungsrunde, schon rauscht Adrenalin in Sturzbächen.
So aufgepeitscht starten wir zu gestoppten Runden. Trotz Hinterradantrieb verliert der mit einer mechanischen Hinterachssperre bestückte Porsche nur in einer engen, im zweiten Gang gefahrenen Kehre kurz die Haltung – ansonsten kleben die 325er-Hinterreifen bombenfest am Asphalt. Der Motor reagiert auf kleinste Gaspedalbewegungen mit brachialem Antritt, die wahnwitzige Seitenführung der breiten Räder treibt die Kurvengeschwindigkeiten hoch. Das Minus an Leistung kompensiert der GT3 durch weniger Gewicht, fehlenden Turbodruck durch Drehfreude, variable Dämpferhärte durch knallharte Federraten. Am Ende steht die Zeit. 1:29,30 – über eine Sekunde schneller als der GT-R. Eine Welt in dieser Klasse. Und eine neue Rangordnung.
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