Mark Ineichen ist nicht die Art Mensch, der seinen Vater und schweizweit bekannten Gründer der Schnäppchenfirma Otto’s an die Wand redet. Er hört lieber zu, als der extrovertierte Ineichen senior stolz erzählt, wie sein ältester Sohn, statt zu reden, handelte und ihn etwas unsanft aus dem Chefsessel bugsierte.

Es passierte an einer Strategietagung der Verwaltungsrates im Herbst 2001. Kurz zuvor hatte Ineichen dem Filius vorgeschlagen, ihn zu seinem Stellvertreter zu ernennen. Doch der hatte abgelehnt. Er wolle selber Chef sein. Am Schluss der Sitzung meldete sich der Betriebswirt, der im Marketing der Firma tätig war, zu Wort. Otto habe doch noch sagen wollen, was sie vereinbart hätten: Ab September würde er die operativen Geschäfte übernehmen. «Was tun Sie da als Vater?», fragt sich Ineichen noch heute. «Ich kapitulierte …»

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Zwei Wochen später überliess der Patron, der erst 2004 zurücktreten wollte, dem Sohn den Chefsessel und zog sich aufs Verwaltungsratspräsidium zurück. «Das war sehr hart», sagt der 63-Jährige. «Als Gründer des Unternehmens hatte ich extrem Mühe, mich von meinem Baby zu trennen. Ein wenig Druck war nur gesund.»

Der 33-jährige Mark Ineichen wartete lange auf seine Chance. Seit er denken könne, habe er das gewollt, sagt er. Er verbrachte Kindheit und Jugend im Betrieb, jede freie Minute war er da, und mit 18 signalisierte er der Familie zum ersten Mal, an welchem Platz im Unternehmen er seine Zukunft sah: ganz oben. Auf eigene Faust, allerdings mit dem Kleingeld des Vaters kaufte er an einer Auktion in den USA dreissig Oldtimer, importierte sie in die Schweiz und versteigerte sie weiter. «Wir teilten den Gewinn», erzählt Otto, der auch auf diese Anekdote sichtlich stolz ist.

Zwei Jahre arbeitete der Junior mit dem Senior zusammen, und es würde sie nicht erstaunen, wenn sie in dieser Zeit eine Million in den Sand gesetzt hätten. Sagte Otto Ja, als ein Mitarbeiter einen bestimmten Posten kaufen wollte, kam von Mark bestimmt ein «Nein, auf keinen Fall», als er davon erfuhr. Mindestens zweimal habe er dem Vater die Schlüssel hingeworfen, weil sie sich derart an die Gurgel gegangen seien, erzählt er.

Auf keinen Fall wollte er so enden wie andere Unternehmersöhne, die sich bis vierzig oder noch länger hinhalten lassen. «Ich war dreissig und wusste, die Zeit läuft. Deshalb habe ich Druck gemacht.»

Als er schliesslich auf der Kommandobrücke sass, gab er seinem Vater ein Jahr Zeit, die Eigentumsverhältnisse in der Familie zu regeln. Obwohl Otto Ineichen weiterhin die Aktienmehrheit besitzt, wollte der neue Chef ein Commitment der Geschwister, dass sie sich ihr Erbe nicht würden auszahlen lassen. Denn das hätte das geplante Wachstum der Firma gefährdet. «Inzwischen ist alles geregelt», vermeldet der Patron. Das Ziel sei eine Milliarde Umsatz, bis dahin wolle man zusammenbleiben.

Heute professionalisiert Mark Ineichen das Unternehmen mit rund tausend Mitarbeitern, das jahrelang schneller gewachsen ist als seine Strukturen. Logitik zum Beispiel war zu Ottos Zeiten ein selten gehörtes Fremdwort. «Am Anfang habe ich es persönlich genommen, als er alles veränderte», sagt Otto Ineichen. Inzwischen hat er eingesehen, dass sein Unternehmen einen neuen Managementstil brauchen kann. «Einer Firma in der Aufbauphase hilft es wahrscheinlich, wenn der Gründer schnell und emotional entscheidet. Doch in der heutigen Situation macht es mein Sohn besser. Er ist überlegter und hört besser zu.»