Paradis des Innocents – ein Laden, ein Label. Warum der Name? «Uns hat gefallen, wie das klingt», sagt Simone Klemm, «mehr steckt nicht dahinter.» Die schnörkellose Antwort passt zu den Stücken der aktuellen Kollektion, welche die Designerin herauspickt und zeigt: die weisse Bluse (für 325 Franken), den taupefarbenen Seidenjupe (für 559 Franken), den artischockenfarbenen Wollmantel (für 998 Franken) und den türkisfarbenen Cardigan (für 398 Franken). Alles ohne jeden Chichi oder mit Klemms Worten: «Unser Stil ist eher schlicht.»
Klemm ist eine der beiden Frauen hinter Paradis des Innocents. Mit Stefania Samadelli entwirft sie seit bald zwanzig Jahren Kleider, die nicht aus der Mode kommen und doch alles andere als langweilig sind. Kleider, zu denen Klemms nüchterne Kommentare – «waschbar, bügelfrei, strapazierfähig» – passen, solange sie am Bügel hängen, die sich bei der Anprobe aber nicht nur als tragbar, sondern als überaus kleidsam erweisen. Entstanden sind sie alle in Zürich Enge, hinter den Spiegeln des eindrücklichen Verkaufsraumes von Paradis des Innocents, an Stehpulten mit Kunstlicht. Hier werden aus Ideen Entwürfe, Schnittmuster und Erstlinge, welche die Designerinnen so lange bearbeiten, bis sie perfekt geschnitten sind, was Monate dauern kann. Der Anspruch? «Die Frauen zur Geltung bringen», sagt Klemm, «man soll die Frau sehen, nicht die Kleider, die sie trägt.»
Vielfach Preisgekrönt. Die Frauen arbeiten im Pingpong: Bis ein Kleidungsstück so ist, wie sie es haben wollen, wandert es x-mal zwischen den beiden hin und her. Obschon sie offensichtlich unterschiedliche Frauentypen sind, wirken ihre Kreationen wie aus einem Guss. Das war schon immer so und beeindruckte die Fachwelt bereits, als die Frauen ihre ersten Entwürfe präsentierten: Egal ob an Modeschauen oder Nachwuchsevents, Paradis des Innocents erntete Applaus, bei Wettbwerben gehörte das Duo stets zu den Favoriten und gewann auch zahlreiche Auszeichnungen.
Die Kollektionen der Zürcherinnen sind exklusiv im doppelten Sinn. Einerseits weil Klemm und Samadelli ausschliesslich edelste Stoffe verarbeiten – vornehmlich aus Italien, der Schweiz und Deutschland – , andererseits weil die Kollektionen aus bloss jeweils 30 bis 35 Teilen bestehen. Jedes dieser Teile wird nur einige wenige Male hergestellt, wenn immer möglich in der Schweiz. Das ist seit den Anfängen von Paradis des Innocents immer schwieriger geworden. Den Schweizer Schneiderateliers ging in den vergangenen zehn Jahren reihenweise die Arbeit aus, und unzählige haben aufgegeben. Von den wenigen verbleibenden werden einige von Klemm und Samadelli gehegt und gepflegt und mit Aufträgen am Leben erhalten.
Ihr exklusives Angebot verkaufen Klemm und Samadelli vereinzelt an andere Läden, am liebsten aber verkaufen sie ihre Mode selbst. «Im Laden präsent zu sein, ist Teil unseres Geschäftsmodells», sagt Simone Klemm, «so sehen wir unsere Sachen an unseren Kundinnen mit eigenen Augen.» Nicht selten finden sie so Inspiration für kommende Kollektionen. Oder aber auf der Strasse, im Kino, in Büchern. Die Arbeit anderer Modemacher schauen sie sich kaum je an, sagt Klemm, «das würde es eher schwieriger machen, bei sich zu bleiben».
Am Anfang war ein Traum. Simone Klemm und Stefania Samadelli gründeten Paradis des Innocents Anfang der neunziger Jahre. Die beiden lernten sich an der Modefachschule kennen. Statt für andere wollten sie für sich arbeiten. «Wir hatten den Traum von eigenen Kollektionen, die wir auch selber verkaufen wollten», erzählt Simone Klemm. Sie lässt ihren Blick durch den durchgestylten Laden schweifen: knorrige Deckenbalken, gepflasterte Steinböden und riesige Spiegel. Dann fügt sie an: «Das hat ganz gut funktioniert.» Das kleine und sehr feine Label Paradis des Innocents hat heute seinen festen Platz am Schweizer Modefirmament.
Der Aufstieg in diese Sphäre bedeutete keine weite, aber eine lange Reise: 1991 fingen die beiden Frauen in einem Atelier im heruntergekommenen Industriequartier in Zürich an. Ihe Laden war kaum zu finden, der absolute Geheimtipp. Fünf Jahre später eröffneten sie einen winzigen Laden an den Oberen Zäunen in Zürich. Seit 2008 arbeiten sie an der Oetenbachgasse im Herzen der Stadt, nur einen Steinwurf von der mondänen Bahnhofstrasse entfernt. Inzwischen beschäftigen sie einige Teilzeitverkäuferinnen und eine weitere Designerin. Verglichen mit den Big Names, die an Zürichs Goldader um Kundschaft buhlen, sind sie aber nach wie vor ein Geheimtipp: Das Paradies findet nur, wer es sucht.