Schon als Kind möchte der Mensch ein Reich für sich haben, und wenn es nur eine Spielecke ist. Mit wachsendem Alter und Vermögen strebt er nach der Kontrolle über ein Grundstück. Dann spürt er die Sehnsucht nach dem eigenen Land mitten im Ozean, umspült von allen Seiten.

«Inselsensibilität» nennt Farhad Vladi jenes Gefühl, das jedem Menschen mehr oder weniger innewohnt. Vladi muss es wissen: Keiner blickt tiefer ins Innenleben der modernen Robinson Crusoes als der 60-jährige Deutsche mit persischen Wurzeln. Von seinen Büros in Hamburg und Halifax aus handelt Vladi seit 30 Jahren mit den letzten Paradiesen dieser Welt und hat damit weltweit praktisch das Monopol.

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Rund 12 000 Privatinseln aus 40 Ländern befinden sich in seinem Archiv, katalogisiert in meterlangen, hohen Schubladenschränken. Fällt einmal ein Bild heraus, kann er es umgehend wieder zuordnen. Vladi kennt die Gesichter und die Geschichten seiner Inseln wie Kunstwerke, die er selber geschaffen hat. 1600 solcher Eilande hat der «Kunsthändler der Natur», wie er sich nennt, bereits verkauft; gut hundert Inseln führt er ständig im Angebot.

Es gehört zum gehobenen Lebensstil, nicht nur auf einer Insel Ferien zu machen, sondern sich gleich eine zu kaufen. Vor allem im Jetset gilt ein Refugium mitten im Ozean als ultimatives Accessoire. Die Schauspieler Tony Curtis und Nicholas Cage besitzen eine Insel, die Musiker Marc Anthony und Diana Ross, ebenfalls die Unternehmer Dietrich Mateschitz und Richard Branson, der deutsche Komiker Dieter Hallervorden, der frühere Tennisspieler Björn Borg und die frühere persische Kaiserin Farah Diba. Die meisten gehören zu Vladis Klientel.

Wer es mondän mag, kauft sich für 32,5 Millionen Euro die Isla de sa Ferradura vor Ibiza mit einer palastartigen Hacienda, einem Schönheitssalon und einem türkischen Bad. Es ist Vladis derzeit teuerstes Objekt. Sein Angebot richtet sich aber nicht nur an exzentrische Millionäre, sondern auch an Menschen mit durchschnittlichem Budget. Inselherr kann jeder werden, der sich ein rechtes Auto leisten kann. Für 55 000 Euro ist derzeit Hawbolt Island West an der kanadischen Atlantikküste mit einer Fläche von 10 000 Quadratmetern zu kaufen. Auch in mittleren Preislagen gibt es vieles, was das Herz begehrt – von der schwedischen Privatinsel mit Blockhaus für 575 000 Euro bis zur Red Rock Island, der einzigen Privatinsel in der Bucht von San Francisco, für 6,5 Millionen Dollar. Oder die 170 000 Quadratmeter grosse Südseeinsel Mahare Island mit langen Sandstränden für 2,9 Millionen Euro, die sich auch für den Bau eines Resorts eignen würde.

Die Sehnsucht nach dem eigenen Stück Land im Ozean scheint derzeit besonders gross zu sein, denn das Geschäft boomt. Für die steigende Nachfrage gibt es verschiedene Gründe. Erstens ist Privatsphäre in einer Welt, die schnell zusammenwächst, ein begehrtes Gut geworden. Ein Paparazzo, der sich im Boot einer Privatinsel nähert, macht sich nur lächerlich. Eine Insel ist auch der ideale Ort, um Kleiderzwang und Verkehrsstau zu entfliehen.

Zweitens lassen sich die Inseln heute dank günstigeren und schnelleren Verkehrsverbindungen in alle Welt viel besser erreichen als vor 20 Jahren. Der moderne Insulaner telefoniert mit dem Handy via Satellit, bereitet das Trinkwasser mit einer Entsalzungsanlage selber auf, erzeugt mit Solarzellen oder Generatoren Energie, wohnt im Fertighaus, kompostiert die Küchenabfälle, verbrennt die Zeitungen, rezykliert den übrigen Abfall.

Drittens sind Inseln ein gutes Investment. Weil das Angebot konstant bleibt oder sogar sinkt, steigen die Preise gemäss Vladi zwischen 10 und 20 Prozent pro Jahr. In Ausnahmezeiten wie beim Platzen der Internetblase, als männiglich nach Anlagealternativen suchte, haben sich die Preise in bestimmten Regionen wie den Bahamas innerhalb eines Jahres sogar verzehnfacht.

Obschon eine Insel eine Immobilie ist, spielen für die Ermittlung des Preises die Mechanismen des Häusermarktes nicht. Inseln gelten als Liebhaberobjekte und werden wie Kunstwerke gehandelt, deren emotionaler Wert nur schwer festgelegt werden kann. Natürlich tragen Faktoren wie Vegetation, Topografie, Lage und Klima zum Preis bei, auch der Grundstückspreis auf dem gegenüberliegenden Festland. «Aber letztlich hängt der Preis davon ab, wie dringend der Verkäufer das Geld braucht», sagt Vladi, der selbst von einer Provision lebt, die zwischen fünf und acht Prozent des Verkaufspreises ausmacht. Die meisten Inseln kommen erst dann auf den Markt, wenn der Besitzer in eine finanzielle Notlage gekommen ist. Manche Inselbesitzer fühlen sich so stark mit ihrem Eiland verbunden, dass sie sich sogar darauf beerdigen lassen. Der griechische Reeder Aristoteles Onassis fand auf der griechischen Insel Scorpios seine letzte Ruhe, der US-Verleger Malcolm Forbes auf der Südseeinsel Laucala, die heute Red-Bull-Erfinder Dietrich Mateschitz gehört.

Vladi hat die Welt in zehn Inselregionen aufgeteilt. Die Reviere reichen von Kanada bis zum Indischen Ozean, vom Pazifik bis ins Mittelmeer. Als eigentliche Blue Chips gelten Objekte im Mittelmeer oder in der Karibik, wo nur wenige Inseln in Privatbesitz sind, während etwa in Kanada die Inseln kaum zu zählen sind. Besonders in der Provinz Nova Scotia gibt es eine Fülle von Meeres- und Seeinseln in Privatbesitz, von denen kleinere und unbebaute schon für 30 000 Euro verkauft werden. Zu den aufstrebenden Regionen gehört derzeit Lateinamerika mit den Ländern Panama und Costa Rica.

Vladis grösstes Problem ist der Nachschub. Auch wenn derzeit vor Dubai mit Aufschüttungen künstlich neue Inseln geschaffen werden, lassen sich die Idyllen nicht beliebig vervielfältigen. Inseln sind ein begrenztes Gut; 80 Prozent des weltweiten Bestands sind in Staatsbesitz. Manchmal kommen in grösserer Zahl neue Inseln auf den Markt, etwa wenn die Regierung für Ausländer den Erwerb von Privateigentum erleichtert. Das war vor ein paar Jahren in Australien oder Griechenland der Fall. In anderen Regionen ist es für Ausländer vorderhand unmöglich, ein Eiland zu erwerben, vor allem in bevölkerungsreichen asiatischen Ländern wie Malaysia, Indonesien oder Thailand. Vladi vermittelt auch nur Inseln, die zum Hoheitsgebiet von Staaten mit intaktem Rechtssystem gehören. Unermüdlich bereist er die Meere, um nach neuen, verkäuflichen Inseln zu forschen. Dabei spricht er die Einheimischen an, um herauszufinden, wem die Inseln gehören.

Häufig geht er mit Kunden auf Entdeckungstour – und erlebt so manches Abenteuer. Eine Reise mit dem Schauspieler Nicholas Cage und dessen damaliger Freundin Lisa Marie Presley wäre fast tragisch ausgegangen. Im Helikopter wollten sie eine Insel auf den Bahamas besichtigen, als mitten im Flug ein Getriebeschaden auftrat und der Pilot umdrehen musste. Nach gelungener Landung spendierte Cage eine Flasche Rotwein, die so viel gekostet haben soll wie ein Mittelklassewagen.

Viele kommen mit falschen Vorstellungen über das Inseldasein zu Farhad Vladi. Sie träumen von einer Tropeninsel mit «sun, fun and nothing to do» und vergessen die Regenzeit. Oder sie suchen nach abgeschiedenen Objekten und merken erst bei der Besichtigung, wie beschwerlich die Anreise ist. Oder sie freuen sich auf die üppige Vegetation und denken nicht an die giftigen Schlangen, die auf der Insel leben.

Keine von Vladis Kunden sind richtige Aussteiger, die sich mit der Insel gleich noch ein One-Way-Ticket kaufen. «Die Probleme, die man vom Festland mitnimmt, lösen sich auf der Insel nicht in Luft auf. Irgendwann holt einen die Einsamkeit ein», sagt Vladi. Besonders dann, wenn das Festland ausser Sichtweite ist, kann die erhoffte Splendid Isolation zum zermürbenden Inselkoller ausarten.

Um herauszufinden, ob einem das Inselleben überhaupt zusagt, schlägt Farhad Vladi seinen Kunden vor, das Land im Meer zunächst einmal zu mieten. Es war der britische Unternehmer Richard Branson, Gründer der Virgin-Gruppe, der ihn auf die Idee gebracht hatte. Zunächst war Vladi skeptisch, weil er glaubte, mit der Miete sein eigentliches Geschäft, den Verkauf, zu gefährden. Aber Richard Branson machte die Probe aufs Exempel und liess seine Necker Island auf den British Virgin Islands zur Miete ausschreiben. Es funktionierte. Heute verbringen in dem Resort Stars aus Musik- und Filmbranche und königliche Hoheiten ihre Ferien. «Ich habe gemerkt, dass ich dadurch das Geschäft beschleunigen kann», sagt Vladi, der heute über 120 Mietinseln anbietet. Viele Eigentümer von Inseln verbringen bloss einen bis zwei Monate pro Jahr auf ihrer Insel und können durch Vermieten einen willkommenen Beitrag an die Fixkosten erwirtschaften.

Ein exquisites Mietobjekt ist neben Necker Island die Isola Galli an der italienischen Amalfiküste. Das Eiland gehörte dem Tänzer und Choreografen Rudolf Nurejew bis zu seinem Tod im Jahr 1993 und ist heute im Besitz eines italienischen Hoteliers. Das Haus stammt vom französisch-schweizerischen Architekten und Bildhauer Le Corbusier. Zwölf Gäste können in der modernen Villa und dem mittelalterlichen Turm wohnen und die Aussicht auf Positano für rund 70 000 Euro pro Woche geniessen. Die Isola Galli soll der Lieblingsplatz des römischen Kaisers Tiberius gewesen sein, der auch die benachbarte Insel Capri sein Eigen nannte.

Nicht immer hatten die Menschen so viel für Inseln übrig wie heute. Im Mittelalter galten sie als Furcht erregende Orte der Gefangenschaft. Die Verklärung, die bis in die heutige Zeit reicht, wurde begünstigt durch Romane wie Daniel Defoes «Robinson Crusoe» und später Robert Louis Stevensons «Die Schatzinsel», in denen das Risiko von Krankheit und Langeweile kein Thema ist. Und der französische Maler Paul Gauguin, der sich auf eine polynesische Insel zurückgezogen hatte, malte die Einfachheit des menschlichen Daseins in bunten Farben. Allmählich kamen die Menschen auf die Idee, dass auf Inseln das Glück wohnen könnte.

Farhad Vladi spürte schon als Jugendlicher die «Inselsehnsucht», es schien ihm allerdings aus Kostengründen illusorisch, ein eigenes Eiland zu besitzen. Dann las er als Student von einem Engländer, der sich für lediglich 5000 Mark eine Insel gekauft hatte, und war sogleich elektrisiert. Als er kurz darauf erfuhr, dass es auf den Seychellen Inseln zu verkaufen gab, reiste er nach London zum Botschafter der Seychellen. Der hielt Vladi für verrückt. Als er sich verabschiedete, nahm er eine lokale Zeitung mit, das «Seychelles Bulletin», und schickte 100 Mark an sie mit der Bitte, ein Inserat zu veröffentlichen. Text: «Vladi sucht Insel.» Als er sechs Wochen später das Belegexemplar in Händen hielt, traute er seinen Augen nicht: Die Anzeige war ganzseitig. Die Insel, die ihm dann angeboten wurde, lag zwar mit 350 000 Mark ausserhalb seiner finanziellen Möglichkeiten, weckte aber seinen kaufmännischen Instinkt. Er bot Cousine Island, wie die Insel hiess, drei vermögenden Hamburger Geschäftsleuten an, die sie 20 Jahre lang behielten. Der Anfang des Geschäfts Vladi Private Islands war gemacht.

Heute ist Vladi nicht nur ein angesehener Geschäftsmann, sondern auch Inselbesitzer. Vor 15 Jahren erwarb er in Neuseeland die sieben Quadratkilometer grosse Forsyth Island, mit einer Lodge, mehreren Stränden und 50 Kilometer Spazier- und Wanderwegen. Vladi selbst verbringt nur einen bis zwei Monate pro Jahr auf seinem Idyll und vermietet es in der übrigen Zeit für 500 Euro am Tag. Besondere Attraktion sind die hundert Schafe, fünfzig Kaschmirziegen und zwei Lamas mit den Namen Isabella und Amber. Freudig wie ein Insulaner, der soeben einen lange gesuchten Schatz heben konnte, holt Vladi in seinem Hamburger Büro einen braunen Knäuel aus dem Schrank. Es sind zarteste Kaschmirfäden von seinen eigenen Ziegen. Davon will er sich nun einen Pulli stricken lassen.