Grobschlächtige Holzbalken sind archaisch mit Schlossschrauben und Flügelmuttern zu einem Stuhl verschraubt. Im Gebälk hängt ein Stück Leinen, zu einem Sitz gespannt. Daneben steht auf Rollen ein superleichter Schrank aus dünnem Flugzeugsperrholz, der wie ein überdimensionierter Koffer aussieht.

Im Showroom der Schreinerei Röthlisberger stehen Möbel, die das Herz von Designliebhabern höher schlagen lassen. Alles ist vom Feinsten und hauptsächlich aus Holz gearbeitet. «Unsere Stärke ist die Produktion mit Hightechmaschinen, kombiniert mit traditionellem Handwerk», sagt Geschäftsführer und Hauptaktionär Peter Röthlisberger.

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Nicht nur Insidern ist Röthlisberger längst ein Begriff. In Sachen Innovation, Holz und Design gibt es kaum Konkurrenten, die auf diesem Niveau produzieren. Davon zeugen sowohl die Neuheiten der Kollektion 2005 wie auch die Klassiker im Sortiment.

Peter Röthlisberger ist gross, breitschultrig, freundlich und eher zurückhaltend. Sobald er jedoch über knifflige und anspruchsvolle Konstruktionen spricht, spürt man seine Leidenschaft. Als Beispiel nimmt er den Stuhl Torsio von Designer Hanspeter Steiger. Dass der Stuhl ausgerechnet dort dünner wird, wo die Torsion beginnt, ist technisch besonders anspruchsvoll.

Röthlisberger lehnt sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Rückenlehne: «Schauen Sie, durch diese Technik wird man beim Sitzen seitlich besser gestützt.» Dann packt er plötzlich den Stuhl an einem Bein, stellt ihn auf den Kopf und drückt ihn fest auf den Boden. Der Stuhl biegt sich ein wenig und federt. «Das können Sie nicht so schnell mit einem anderen Stuhl machen. Diese Kombination von hoher Stabilität und Flexibilität ist ausserordentlich.»

Innovation in der Herstellung ist die Spezialität der Schreinerei. Eine Stärke freilich, die manchmal auch zur Schwäche werden kann. «Hätten wir gewusst, dass sich die Entwicklungskosten für den Schrank Shell auf 150 000 Franken summieren würden, hätten wir ihn wahrscheinlich nicht produziert. Auch Torsio hat ungefähr 50 000 bis 60 000 Franken gekostet und unser Entwicklungsteam während zweier Jahre beschäftigt.»

Doch die Investitionen zahlen sich aus. Beide Möbel verkaufen sich gut und haben wichtige Designpreise gewonnen. Auf Torsio-Stühlen sitzt man heute zum Beispiel im edlen Restaurant von Rolex in New York oder in den Repräsentationsräumen von DaimlerChrysler.

Hobelspan- und Sägemehlnostalgie sucht man in der Produktionsstätte vergebens. Von aussen ist das Gebäude eine schlichte Holzkiste, innen dominieren Sichtbeton und Metall, grafische Kunst in Gelb ziert die Wände. Unaufgeregt führt der gelernte Schreinermeister durch den Betrieb und spricht über die zwei Business-Säulen seines Unternehmens. Die eine sind die immer wieder mit Designpreisen ausgezeichneten Möbel, die andere der Innenausbau und das Engineering.

Vom Showroom aus steigt man einen Stock tiefer in die Werkstatträume. Hier liegt zwar der Duft von Holz in der Luft, mit einer Schreinerei alter Schule hat die Produktionsstätte indes gar nichts zu tun. Modernste Maschinen dominieren die Hallen. Auf den Werkbänken stehen Holzmöbel kurz vor der Vollendung. «Dies ist die letzte Lieferung von Möbeln für das Zentrum Paul Klee», sagt Röthlisberger. Zusammen mit Renzo Piano hat er grosse Teile des Innenausbaus und der Möblierung für das neue Museum in Bern entwickelt.

«Bei dieser Art Grossprojekt stehen wir immer in internationaler Konkurrenz», erklärt der Chef. Und sein Unternehmen tut dies mit Erfolg: Es liefert für Grossprojekte in Paris, Berlin, New York und Tokio. So wurde bei Röthlisberger der Innenausbau des Hauptsitzes von Rolex in Genf konzipiert. Für DaimlerChrysler hat die Schreinerei unter anderem den gesamten Innenausbau des Hauptsitzes am Potsdamer Platz in Berlin realisiert. Zurzeit entstehen in Zusammenarbeit mit der Architektin Pia Schmid neue Empfangsräumlichkeiten für das Private Banking der Credit Suisse. Weltweit zählen auch viele Privatkunden, die eben mal rasch eine halbe Million für den Innenausbau auszugeben bereit sind, auf die Profis aus der Schweiz.

Gegründet wurde die Schreinerei 1928 von Grossvater Gottfried Soltermann. Schwiegersohn Ernst Röthlisberger stieg in den fünfziger Jahren ins Unternehmen ein. Ab 1958 fertigte der Betrieb die gesamte Kollektion von Knoll International Schweiz, die wegen ihres Designs und herausragender Qualität Geschichte schrieb.

Doch 1975 kam der Schock: Knoll International kündigte den Vertrag, weil die Produktion in Billiglohnländer verlagert wur-de. Mit einem Schlag fehlte der Firma die Hälfte des Umsatzes. Teo Jakob, Freund und Pionier im Designmöbelhandel, animierte Ernst Röthlisberger dazu, eine eigene Möbelkollektion zu präsentieren. Sohn Peter erinnert sich: «Ich war damals etwas über zwanzig. Nach dem Motto ‹Wenn es brennt, muss man zusammenstehen› kamen Geschäftsfreunde und die damalige Schweizer Designelite mit meinem Vater zusammen.» Unter anderem arbeiteten die Künstler Ueli und Susi Berger, die Gestalter Hans Eichenberger, Trix und Robert Haussmann an den Möbeln der ersten Edition, die 1977 präsentiert wurde.

1980 trat Peter Röthlisberger in die Firma ein, 1982 übernahm er die Führung. Er setzte die Zusammenarbeit mit externen Gestaltern fort, nach der Devise: «Wir sind die Konstrukteure, das Design ist nicht unsere Stärke.» Zusätzlich begann er, das Unternehmen zu internationalisieren.

Ab 1990 begann Peter Röthlisberger den Innenausbau und das Engineering zu entwickeln. Da der Name Schreinerei Röthlisberger auf die Dauer etwas schwerfällig war, wurde 1997 das Logo Rö kreiert. Pate für die Namensgebung war Peter Röthlisberger selbst, der von allen nur Rö gerufen wird.

Heute beträgt der Umsatz 13 bis 14 Millionen. Davon bringt die Möbelkollektion 20 bis 30 Prozent. Deutschland ist immer noch der grösste Abnehmer im Möbelbereich. Im Innenausbau hat sich dies verschoben: In den vergangenen drei Jahren sind die USA im Export Hauptabnehmer der hoch qualifizierten Arbeiten geworden. Bei Rö arbeiten ungefähr 60 Leute. «Heute sind wir ein Generalunternehmen in Sachen Holz», umschreibt Röthlisberger das derzeitige Firmenprofil.

2002 zog das Unternehmen aus dem Jahrhundertwendehaus mitten im alten Dorfkern ins neue, von Architekt Franz Biffiger zusammen mit Trix und Robert Haussmann gestaltete Gebäude.

Das Zentrum Paul Klee lässt die Gümliger doch noch nicht ganz los. Peter Röthlisberger hat die Idee, auf diesen Herbst hin die Möbel, die er mit Renzo Piano entwickelt hat, für den Fachhandel zu kommerzialisieren. Verhandlungen mit dem Stararchitekten sind am Laufen.