Es war der Schlusspunkt einer Entfremdung. Ende Mai erreichte den 14-köpfigen Vorstand des Schweizerischen Versicherungsverbands (SVV) die Kündigung des Marktführers – sogar überpünktlich: Laut Statuten hätte die Axa noch einen Monat warten können. Die Kündigungsfrist zum Ende des Kalenderjahres beträgt sechs Monate.

Die Begründung wirkte eher schwammig. Man wolle «die Rolle im politischen und gesellschaftlichen Diskurs überdenken», liess Axa ausrichten. Der wahre Grund ist handfester: Eine heftige Entfremdung zwischen Verbandspräsident Rolf Dörig und der Axa-Spitze unter Schweiz-Chef Fabrizio Petrillo und dessen Vorgänger Antimo Perretta. Der heutige Europachef hatte Dörig bei dessen erster Wahl zum Präsidenten vor drei Jahren noch gewählt. Jetzt ist Kante angesagt.

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Dörigs SVP-Positionen als Auslöser

Auslöser waren die kommunikativen Sololäufe des Präsidenten, die vor knapp zwei Jahren mit seiner offenen Parteinahme für die SVP begannen. Dörig war damals dem SVP-Finanzierungsvehikel «Stiftung für bürgerliche Politik» beigetreten und vertrat die SVP-Positionen noch kompromissloser als vorher – teilweise sogar gegen die Vorgaben des Verbands. So hatte sich der SVV gegen die SVP-Selbstbestimmungsinitiative ausgesprochen, doch Dörig trat kurz vor der Abstimmung im November 2018 plötzlich für die Initiative ein und vertrat die Nein-Parole auch nicht wie vereinbart bei Economiesuisse.

Zum Eklat kam es in der Europafrage: Beim Rahmenabkommen positionierte sich Dörig im Frühjahr 2019 deutlich kritischer als im Vorstand beschlossen. Es kam zu einem Krisentreffen, neben Axa-Mann Petrillo drohte auch Mobiliar-Chef Markus Hongler, im SVV immerhin Dörigs Vize, mit Austritt. Auch Siwss-Re-Vertreter Patrick Raaflaub stand im Kritikerlager.

«Für Dörig, einen der grössten Ämterkumulierer der Wirtschaft, ist der Austritt eine Schlappe.»

Der gewandte Dörig hatte verstanden und äusserte sich weniger pointiert, auch wenn er im Februar via «NZZ» seine Sympathie für die SVP-Begrenzungsinitiative nicht verbarg, obwohl sie vom Verband klar abgelehnt wird.

Die Kritiker beruhigten sich, das Thema Austritt war bei Mobiliar oder Swiss Re vom Tisch, auch bei anderen Mitgliedern gibt es laut SVV-Geschäftsführer Thomas Helbling keine Austrittssignale. Nur die Axa sah Dörig weiterhin kritisch, auch wenn sie auf Arbeitsebene weiter bestens mitarbeitete, wie Verbandsmitglieder unisono betonen.

Für Dörig, einen der grössten Ämterkumulierer der Wirtschaft und bekennenden Filzfan («Filz ist gut»), ist der Austritt eine Schlappe. Zwar ist die Wiederwahl des 63-Jährigen für eine weitere dreijährige Amtszeit Ende Juni nicht gefährdet. Aber dass es ihm nicht gelungen ist, den grössten Beitragszahler mit einem Volumen von mehr als einer Million Franken im Verband zu halten, kratzt an seinem Image als Netzwerker.

Dirk Schütz
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