BILANZ: Rund 8000 verschiedene Marken existieren im Nestlé-Konzern. Lässt sich diese Fülle von Brands überhaupt managen?

Peter Brabeck-Letmathe: Die Markenführung ist eine der wichtigsten Verantwortungen der Nestlé-Zentrale. Sämtliche Marken werden von Vevey aus geführt.

Was bedeutet dies konkret?

Unser globales Markenuniversum ist in Form einer Pyramide organisiert. Zuoberst steht der Nestlé-Corporate-Brand mit dem charakteristischen Schriftzug und dem Vogelnest-Logo. Darunter folgen sechs globale, strategische Marken: einmal wiederum Nestlé, dann Nescafé, Nestea, Maggi, Buitoni und Purina. Diese stehen an der Spitze der Markenhierarchie. Darunter folgen regionale Brands wie etwa Thomy in der Schweiz. Und schliesslich eine Vielzahl regionaler und lokaler Marken. Unter der Dachmarke Maggi beispielsweise gibt es eine Vielzahl von lokalen Hühnerbouillon-Marken.

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Wie managen Sie die globale Dezentralität Ihrer Brands?

Jede Marke verfügt über einen Manager, der bei einer Strategic Business-Unit angesiedelt ist, die für diese spezifische Dachmarken zuständig ist.

Klingt kompliziert.

Kompliziert ist das nicht, sondern konsequent. Die letzte Entscheidungsbefugnis liegt ohnehin bei der Generaldirektion. Jede grafische Veränderung am Logo einer dieser Dachmarken oder eine Änderung in deren Positionierung muss an die Generaldirektion herangetragen werden. Diese Marken verkörpern den Wert von Nestlé. Der Marktwert des Konzerns entspricht ja der Summe der Bewertungen dieser Marken.

Das geflügelte Wort Ihres Vorgängers Helmut Maucher, «Marketing ist Chefsache», ist also noch immer oberstes Gebot bei Nestlé?

Absolut. Das ist keine Frage. In der Konsumgüterindustrie sind Marken die wertvollsten Assets einer Firma.

Wann ist diese Nestlé-typische Markenpyramide entwickelt worden?

Unsere Markenpolitik ist Anfang der Neunzigerjahre von mir revidiert worden. Ich war damals in der Generaldirektion verantwortlich für Marketing und Kommunikation.

Was war der Grund?

Wir wollten globale Marken aufbauen. Einmal, weil diese einen höheren Wert generieren und uns dies erlaubt, die Marketingeffizienz zu verbessern. Das ist die eine Seite und betrifft den obersten Teil der Markenpyramide.

Und die andere Seite?

Es ist klar, dass es in unserem Geschäft den globalen Konsumenten nicht gibt. Im Grunde genommen ist jeder Nestlé-Kunde ein lokaler Konsument. Also benützen wir die Dachmarken als weltweit sichtbaren Ausdruck der Marken unserer Firma. Die Produktmarken im unteren Teil der Markenpyramide sind dagegen dem lokalen Verbraucher angepasst. Die emotionale Bindung des Verbrauchers an die Marke und an das Unternehmen erreichen wir durch die Produktmarken und -bezeichnungen.

Ihr Konkurrent Unilever hat in den vergangenen Jahren seine Markenvielfalt extrem reduziert. Wie ist das bei Nestlé?

Wir haben die Vielfalt nicht reduziert, sondern im Prinzip unter den sechs Dachmarken zusammengefasst. Die globalen Dachmarken ermöglichen uns eine starke Marketingeffizienz überall auf der Welt; über die 8000 regionalen und lokalen Marken verfügen wir über eine starke Plattform bei der Produktewerbung überall auf der Welt.

Wie beurteilen Sie das langfristige Entwicklungspotenzial von Marken? Als im Jahr 1993, am so genannten Marlboro-Friday, der US-Tabakproduzent den Preis der Marlboro-Packung massiv senkte, sprachen zahlreiche Experten vom Tod der Marken. Sie glaubten, die Zukunft gehöre den wesentlich billigeren No-Names und weissen Marken.

Ich glaube, Marken waren immer bedeutend und werden immer wichtiger. Starke Brands geben dem Konsumenten ein Vertrauen, wie das kein No-Name kann. Er weiss, dass er mit einer Marke Qualität einkauft und damit Sicherheit bekommt. Daraus wächst eine emotionale Verbundenheit zwischen Marke und Konsument.

Wenn Nestlé eine Firma übernimmt: Wie stark beeinflusst das Markenportfolio dieser Firma den Preis, den Sie zu zahlen gewillt sind?

Etwas pauschal gesagt, würde ich sagen, dass der grösste Teil des Goodwills, der bezahlt wird für die Marken oder die Markenstellung eines Unternehmens, auf den Tisch gelegt wird. Wenn wir eine Firma übernehmen, kaufen wir sicher nicht Fabriken oder Technologie. Was wir zukaufen, sind normalerweise die Marke und die Position im Markt. Das ist das entscheidende Kriterium für eine Akquisition.

Welches ist für Sie die bestgeführte Schweizer Marke ausserhalb des Nestlé-Konzerns?

Da gibt es schon einige Beispiele. Ich würde sagen, Lindt ist ausgezeichnet geführt.

Ist das eine, die Sie gerne kaufen würden?

Da bin ich nicht absolut sicher, denn man muss ja nicht alles haben im Leben. Sicher ist hingegen, dass diese Marke wirklich sehr gut geführt ist.

Wieso?

Der Auftritt der Marke ist kohärent und versinnbildlicht eine ganz starke emotional verankerte Tradition. Das macht sie ziemlich einmalig. Ihre Verankerung in der Tradition der Schweizer Schokolademacher, die Qualität des Produkts, die Art und Weise, wie sie präsentiert wird – alles stimmt. Ganz egal wo auf der Welt, Sie finden Lindt-Schokolade stets in derselben Positionierung der Marke. Das ist gute Arbeit, gute Marketingarbeit.