In wenigen Monaten ist Severin Schwans Einfluss gestiegen. Der Roche-CEO sitzt neu im eigenen Verwaltungsrat und zieht als Aufseher bei der Credit Suisse ein. Das stärkt ihn enorm, denn Schwan gilt nicht als Netzwerker, er machte still Roche-intern Karriere. Da Roches neuer Präsident Christoph Franz sich als Lufthansa-Chef im Gegensatz zu Vorgänger Franz Humer wenig in der Pharmabranche auskennt, kann Schwan im VR sein Wissen ausspielen. «Schwan büsst seinen Coach ein. Jetzt kommt die Zeit der Bewährung für ihn», sagt einer, der ihn aus dem VR kennt. Die Kritik von Forschern an der Wirksamkeit des Grippemittels Tamiflu setzt Schwan bereits zu.

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Bei der Credit Suisse setze Schwan nun die «alte Garde» fort. Dieses Vermächtnis hinterlässt Walter Kielholz der Bank. Zum Abgang als CS-Verwaltungsrat machte sich der Swiss-Re-Präsident stark für sein liebstes Modell: «Corporate Switzerland», den Verbund von Schweizer Konzernen. Dafür hat CS-Verwaltungsratschef Urs Rohner gesorgt und Kielholz’ Sitz an Schwan übergeben, den neuen starken Mann bei Roche. Das Dreigestirn CS/Nestlé/Roche ist seit Jahren durch solche Mandate verbunden. Während Schwan nun einzieht, gibt Nestlé-Präsident Peter Brabeck seinen CS-Verwaltungsratssitz ab – ein Vertrauter Schwans, der ihn als Roche-VR schon lange unterstützt.

Die Verbündeten

Lange kennen sich Severin Schwan und Credit-Suisse-Präsident Urs Rohner und schätzen einander. Ihr juristischer Background und ähnliche Ansichten verbinden sie. Als neuer Verwaltungsrat ist Schwan wichtig für den CS-Chef. Nestlé-Präsident Peter Brabeck, der als CS-Verwaltungsrat ausscheidet, hat dessen Wahl unterstützt. Schon Schwans Aufstieg an die Spitze von Roche trug Brabeck 2008 als VR des Pharmakonzerns entscheidend mit. Er lädt Schwan zum jährlichen Treffen wichtiger Manager unter dem Nestlé-Schirm ein, einer Art Think Tank zur Zukunft der Wirtschaft.

Niemand im Businessleben ist Schwan näher als Franz Humer. Der abgetretene Roche-Präsident wurde zum engsten Vertrauten des 46-Jährigen. Humer hat Schwan zum Konzernchef aufgebaut, obwohl dieser noch jung war. Schwans überlegte Art und seine Erfolge überzeugten Humer. Damit erwarb sich Schwan auch mit Roches Ehrenpräsident Fritz Gerber einen Fürsprecher, mit dem er sich oft austauscht und sich bestens versteht. Einen engen Draht hat Schwan zur Roche-Eigentümerfamilie. Familiensprecher André Hoffmann ist angetan vom unprätentiösen Manager, beide haben eine ähnliche Wellenlänge. Ein vertrautes Verhältnis hat Schwan zum wichtigsten Mann des zweiten Familienzweigs, Andreas Oeri. Mit dem neuen Roche-Präsidenten Christoph Franz teilt Schwan die Art, Dinge ruhig, aber direkt anzugehen.

Die Gegenspieler

Wenn es an die Substanz geht, kann sich selbst Schwans Kamm aufstellen. Etwa bei Patentverletzungen in Indien. Als Verhandlerin des Freihandelsabkommens mit Indien achtete Staatssekretärin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch dem Roche-Chef zu wenig auf Patentschutz. Auch Hans Hess, Präsident des Maschinenbauverbands, stiess Schwan vor den Kopf, weil er für einen schnellen Abschluss zugunsten niedriger Zölle warb und den Schutz geistigen Eigentums als weniger wichtig sah. In Indien geriet Schwan mit dem Chef von Dr. Reddy’s, Gunupati Prasad, aneinander und verklagte die Firma wegen Missachtung von Patenten. Druck spürt der Roche-Chef zugleich in der Heimat. Mit Bundesrat Alain Berset rang er wie andere Pharmagrössen, weil Berset die Medikamentenpreise drücken wollte. Geschäftlich musste Schwan einknicken, als Illumina-Chairman William Rastetter die Übernahme der US-Gentechnikfirma abwehrte. Mit Andrew Witty, dem CEO von GlaxoSmithKline, liefert sich Roche derweil ein Duell um den wichtigen Markt für Krebsmedizin. Von Joe Jimenez, Chef des Basler Rivalen Novartis, drohen wiederum Angriffe durch dessen Generika-Tochter Sandoz.

Die Welt-Connection

Seit seiner Zeit in Singapur als Asien-Pazifik-Leiter von Roche ist Schwan diese Region nahe. Mit Sony-Chairman Osamu Nagayama, Chef der Roche-Tochter Chugai, verbindet Schwan eine enge Partnerschaft. Genauso pflegt er sehr guten Kontakt zum Bürgermeister von Shanghai, Yang Xiong, in dessen hochkarätig besetztem Beratungskomitee IBLAC Schwan sitzt. Der US-Amerikaner Arthur Levinson, Präsident von Apple und Ex-Chef der Roche-Tochter Genentech, ist für Schwan ein fachlich wichtiger Gesprächspartner im Roche-Verwaltungsrat. Oft tauscht sich Schwan mit Reto Francioni aus, Chef der Deutschen Börse und UBS-VR, sowie mit Ernst-&-Young-Schweiz-Chef Bruno Chiomento.

Die Karriere

Berufliche Wege wie diese sind selten geworden. Nach dem Wirtschafts- und Jurastudium sowie dem Doktorat in Rechtswissenschaften an der Uni Innsbruck heuerte Severin Schwan 1993 bei Roches Finanzabteilung an – und stieg Stufe um Stufe zum Konzernchef empor. Die Qualitäten des arbeitsamen Österreichers entdeckte Henri B. Meier. Der ehemalige Finanzchef des Konzerns erkannte das Talent und übertrug ihm mit 28 Jahren die Aufgabe, das kriselnde Brüssel-Geschäft aufzumöbeln. Schwan meisterte den Test. Das Ansehen in Basel war ihm sicher, und der damalige Diagnostik-Chef Otto Meile holte Schwan in seine Sparte. Zwar wollte Meiers Nachfolger als Finanzchef, Erich Hunziker, Schwan in seine Finanzabteilung zurücklocken – manche vermuteten, um ihn so als Rivalen aus dem Verkehr zu ziehen. Doch Schwan blieb in der Diagnostik, stieg zu deren Chef auf: die Weihen für seinen Aufstieg an die Spitze. Franz Humer erkannte Schwans Potenzial und protegierte ihn so, dass er 2008 zu seinem Nachfolger als Konzernchef aufstieg. Dafür steckte sogar Humers enger Vertrauter, der damals 60-jährige Pharma-Chef William Burns, für Schwan zurück. Er galt lange als Kandidat für den Chefposten.

Die Familie

Es sind die kleinen Freuden, die Severin Schwan besonders schätzt. Der wunderschöne Blütenball in seinem Wohnort Riehen BS lockt den Roche-Chef und seine Ehefrau Ingeborg (44) jedes Jahr zum Tanz. So wenig Zeit sonst selbst für eine Joggingrunde bleibt, liebt Schwan diese Tanzeinlagen umso mehr.

Sowieso verbringt der Roche-Chef seine Freizeit, wann immer es geht, mit seiner Frau, den zwei Söhnen und der Tochter. Die Familienzeit am Wochenende ist ihm heilig. Heimatverbunden ist der gebürtige Österreicher dabei in doppeltem Sinne. Nicht nur die Basler Umgebung hat es ihm angetan. Im Winter zieht es ihn und die Familie in die alte Heimat Tirol zum Skifahren.