Darf ein Benz kompromisslos sportlich sein? Nein. Nicht mal wenn AMG draufsteht? Im Zweifel: jein. Dafür müssen sie ihm in Affalterbach schon den Zusatz Black Series in den automobilen DNA-Strang stempeln. Doch der Reihe nach: Vom Heimatmarkt abgesehen, sind die USA für AMG noch immer der wichtigste Absatzmarkt. Solvente Chinesen entdecken das Selberfahren gerade erst für sich, und in Russland … Na, sind Sie schon mal mit einem Sportfahrwerk über russische Landstrassen gerappelt? Da trifft es sich gut, dass sich der Pacific Coast Highway als Kulisse nicht übel macht und in Laguna Seca eine der faszinierendsten Rennstrecken der Welt liegt, wenn selbst in Le Castellet mieses Wetter herrscht.

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Überblick: Alle News und Tests zum Mercedes SLK 55 AMG

Für die Anfahrt zur Strecke ist der neue SLK 55 AMG ein astreiner Wegbegleiter, auch wenn er auf kalifornischen Highways seine 422 PS nur ansatzweise demonstrieren darf. Diese kommen aus dem 5,5-Liter-V8, der auch – unter irreführender Bezeichnung – im E 63 AMG sein Unwesen treibt. Im stärksten SLK darf er ohne Biturbo-Bevormundung bis an den Begrenzer drehen – und das macht nicht nur akustisch richtig Laune. Ein beherztes Zucken im rechten Fuss, und die klappengesteuerten AMG-Sporttöpfe lassen ein derart herrliches Brüllen auf die Landschaft los, dass es einem jedes Nackenhaar einzeln aufstellt – und das trotz Airscarf-Bedampfung. Neben dem Sounderlebnis haben die AMG-Techniker dem Roadster einen grünen Touch mitgegeben, denn trotz V8 kommt er auf einen Normverbrauch von 8,4 Litern. Und dies ist nicht mal unrealistisch: Auf der Testfahrt mit Stadt-, Highway- und Überlandanteilen zeigte der Bordcomputer im Schnitt 28 Meilen pro Gallone an – exakt die prophezeiten 8,4 Liter.

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Verantwortlich dafür ist eine Zylinderabschaltung, die im Teillastbereich zwischen 800 und 3600 Touren die Töpfe zwei, drei, fünf und acht stilllegt. So wird Sprit gespart, während auch im Eco4-Modus noch immer 230 Newtonmeter zum Cruisen einladen. Kurios: Die Zylinderabschaltung ist bei geöffnetem Dach bis Tempo 60 zwangsdeaktiviert – voller V8-Genuss geht eben über alles. Apropos Genuss: Auf der Traditionsstrecke in Laguna Seca angekommen, erwartet uns ein Höllenritt der besonderen Art. Ehrfürchtig klemmen wir uns hinter das abgeflachte Volant des C 63 AMG Coupé Black Series und werfen den 6,2-Liter-V8 an. Der Hochdrehzahl-Sauger stibitzt soundtechnisch jedem US-Muscle-Car die Butter vom Brot, nur dass er nicht nur untenrum Spass macht. Über 5000 Touren geht die Luzie richtig ab, und die vollen 517 PS liegen erst kurz vor der 7000er-Marke an. Also begeben wir uns dorthin, wo und wofür der Black Series geschaffen wurde. Nach einer Kennenlernrunde biegen wir auf die Zielgerade ein, die in Laguna Seca eigentlich eine lang gezogene Links ist, an deren Ende eine blinde Kuppe wartet: "Bleib voll drauf, oder nimm sie mit Halbgas, aber um Himmels Willen: nicht lupfen!", warnt der Instruktor via Funk.

Na dann: Gib ihm. Ein leichtes Zucken durchfährt den Hinterwagen als der Black Series auf die darauf folgende Andretti Hairpin zufliegt. Kurz korrigieren, das war’s. Herrlich neutral und einfach beherrschbar. In den folgenden Rechtskurven zeigt sich, was die Techniker mit dem einstellbaren Gewindefahrwerk geleistet haben: Eine breitere Spur – 40 mm vorn und 79 hinten – sorgt für exorbitanten Grip an der Vorderachse, und geänderte Stabis begrenzen die Seitenneigung auf ein Minimum. Untersteuern kennt das Coupé kaum, und sollte doch einmal der Grip einbrechen, genügt ein kurzer Gasstoss, und das sich sanft eindrehende Hinterteil korrigiert das Malheur. Eine nach innen hängende Links später geht es auf die Mutkurve des Kurses zu: Der fast blinde Linksknick geht durch eine Kompression in die wichtige Bergaufgerade Richtung Corkscrew über. Wer hier kein Vertrauen ins Auto hat, lässt bittere Zehntel liegen. Also: kurz und scharf anbremsen, durch die Senke, früh ans Gas und hoffen, dass man die Streckenbreite richtig kalkuliert hat, um das unruhige Heck wieder einzufangen.

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Ist das geschafft, geht es mit Vollgas die Rahal-Straight hin auf und schnurstracks in Richtung Himmel, denn recht viel mehr ausser Blau ist nicht zu erkennen. Man kann nur erahnen, dass hinter dieser fiesen Rechtskuppe die wohl spektakulärste Kurvenkombination des Motorsports lauert. Beim Anbremsen voll in die gelochte Hochleistungs- Bremsanlage mit Sechskolbensätteln gehen und hoffen, dass man die wild schlingernde Fuhre irgendwie halbwegs auf Linie in die herannahende Schlucht geworfen bekommt. Diese Schlucht nennt sich Corkscrew – also Korkenzieher – und trägt ihren Namen völlig zu Recht. Der Über-Benz fällt quasi nach links in ein Loch, den rechten Randstein der folgenden Kurve sieht man erst, wenn es eigentlich schon zu spät für etwaige Korrekturen ist, und die brachialen 620 Newtonmeter schleudern einen schneller wieder in Richtung Kurve neun, als man "heilige Sch…" denken kann.

Weiter geht es durch zwei schnelle Kehren, in denen der Black Series im Optimalfall gar nicht, aber wenn, dann neutral über alle viere in Richtung Kurvenausgang giert, bevor es auf die Zielkurve zugeht. Nach der engen Links geniessen wir ein letztes Mal den beeindruckenden Vorwärtsdrang, bevor es wieder auf die Ziel(un)gerade geht. So enden die wohl atemberaubendsten 3,6 Kilometer, die man zu dieser Jahreszeit zurücklegen kann.

 

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