An Zürich kommt niemand vorbei: Die Stadt an der Limmat ist al- les auf einmal: Wirtschaftslokomotive, vielseitiger Arbeitsplatz, Kulturhochburg, Einkaufsparadies und Mobilitätshub. Und das soll auch so bleiben. Deshalb ist der Status quo für die Zukunft keine Option, jedenfalls nicht für die Stadtpräsidentin Corine Mauch. Ihr Motto: Zürich wird stark weiterwachsen, ja muss stark weiterwachsen. Und das, ohne an Lebensqualität und Attraktivität einzubüssen.

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Bis jetzt hat das ganz gut funktioniert. Im Rennen um den Titel der besten Schweizer Stadt ist Zürich seit 2011 ungeschlagen, seit sie damals Zug vom Thron gestossen hat. Das zeigen die neusten Berechnungen der Immobilienexperten von Wüest Partner, die heuer zum zehnten Mal für die BILANZ ein Städte-Ranking erstellt haben. Zug muss sich seitdem mit dem zweiten Platz begnügen. Auch Luzern mischt noch immer vorne mit – und Uster. Die S-Bahn-mässig an Zürich angebundene Stadt am Greifensee kehrt auf Kosten von Lausanne zurück in die Top Ten, aus denen sie 2011 verdrängt worden war.

Grosse Zentren gewinnen stark an Attraktivität

Andere Städte sind definitiv aus der Spitzengruppe gefallen: Horgen ZH, Dübendorf ZH, Baar ZG und Freienbach SZ müssen sich im diesjährigen Ranking mit Rängen zwischen 17 und 36 zufriedengeben. Im Gegenzug sind Winterthur, Aarau, Genf und – von deutlich weiter hinten – Basel, Bern sowie St. Gallen nach und nach hochgeklettert.

Das widerspiegelt den Trend, wonach die grossen Zentren stark an Attraktivität gewonnen haben in den letzten Jahren. Flüchteten einst die Leute aus den Städten raus in die Agglomeration, kommen sie heute zurück – auch wenn sie dort mehr Steuern zahlen müssen und die Kosten für Mietwohnungen oder Eigenheime deutlich höher sind.

Die Methode

Wüest Partner hat die Lebensqualität in 162 Schweizer Städten anhand von elf Indikatorsets berechnet, die sich aus total 115 Einzelvariablen zusammensetzen. Die elf Indikatoren sind: 1. Arbeitsmarkt, 2. Bevölkerung und Wohnen, 3. Bildung und Erziehung, 4. Kultur und Freizeit, 5. Erholung, 6. Einkaufsinfrastruktur, 7. Gesundheit und Sicherheit, 8. Soziales, 9. Mobilität, 10. Steuerattraktivität, Kaufkraft und Krankenkassenprämien sowie 11. Besonderheiten der Stadt. Beim Indikator Bevölkerung etwa fliessen unter anderem die Entwicklung der Stadtbevölkerung, die Anzahl neuer Wohnungen und die Preisdynamik für den Eigenheimkauf ein.

 

Schlusslicht Steffisburg

Der letzte Platz im Ranking gehört zum vierten Mal Steffisburg – gemäss Bundesamt für Statistik eine der 162 Schweizer Städte, gemäss dem Selbstverständnis der Steffisburger «ein Dorf», wie Jürg Marti betont, der sich folglich nicht Stadt-, sondern Gemeindepräsident nennt. Rund 16 000 Personen leben dort – und es sollen noch ein paar mehr werden, aber nicht zu viele. «Wir wollen ein vernünftiges Wachstum», sagt Marti. Dazu ist für 2019 der Baustart für rund 200 neue Wohneinheiten mitten im Stadt- respektive Dorfkern geplant.

Punkten kann Steffisburg bei zwei Indikatoren, bei «Erholung» – mit den vielen Grünflächen auf dem Gemeindeboden und der Nähe zum Thunersee – und beim Thema «Soziales»: das heisst mit einer relativ geringen Arbeitslosigkeit, mit wenig Sozialhilfefällen und einer ziemlich ausgeglichenen Einkommensstruktur. Bescheiden hingegen sind die Anzahl Jobs, die Bildungseinrichtungen und die Einkaufsmöglichkeiten. Bei diesen Fragen orientieren sich die Steffisburger Richtung Thun oder gar Bern.

Ähnliches gilt für das Kultur- und Freizeitprogramm, obwohl hier das Angebot grösser geworden ist – zum Beispiel mit der Art Container, einer Kunstausstellung in Schiffscontainern, mit dem Handballclub, der in der Nati B spielt und Partner des Schweizer Meisters Wacker Thun ist, und mit dem soeben geglückten Aufstieg des FC Steffisburg von der 3. in die 2. Liga.

Steffisburg

Steffisburg: Die Stadt sieht sich selbst eher als Dorf. Und freut sich über den Aufstieg des Fussballclubs FC Steffisburg von der 3.in die 2. Liga.

Quelle: Rob Lewis für BILANZ

Aufsteigerin Ebikon

Steffisburg gehört seit den Anfängen zur Besenwagen-Gruppe – ebenso wie Le Locle NE, Amriswil TG, Birsfelden BL, Uzwil SG, Thônex GE oder La Tour-de-Peilz VD. Andere konnten die Schlussgruppe verlassen – wie etwa Yverdon-les-Bains VD, La Chaux-de-Fonds NE, Bulle FR oder Grenchen. Die Solothurner Uhrenstadt war die grosse Aufsteigerin des letzten Jahres. Und auch heuer gewann sie nochmals neun Ränge und schafft damit erstmals den Sprung in die Top 100.

Je gar zehn Ränge machen der Genfer Vorort Onex sowie die jurassische Hauptstadt Delémont gut. Grösste Aufsteigerin ist aber dieses Jahr mit einem Plus von zwölf Rängen die Luzerner Vorortsgemeinde Ebikon. Ein Grund ist die Eröffnung des Einkaufszentrums Mall of Switzerland im November 2017. Damit hat sich das Einkaufsangebot von Ebikon massiv erhöht.

Einkaufs- als Eventzentren

Auch wenn es bei den Umsätzen in der Mall of Switzerland noch etwas harzt – das Einkaufszentrum ist weit mehr als nur eine Ansammlung von Läden. Früher habe der reine Konsum im Vordergrund gestanden, sagt Patrick Schnorf von Wüest Partner. «Heute sind Einkaufszentren mehr als das, sie sind Eventveranstalter und Anbieter verschiedenster Freizeitaktivitäten für alle Altersklassen.» So gibt es in der Mall of Switzerland ein Multiplexkino mit zwölf Leinwänden, Bars und Public-Viewing-Zonen für die Fussballweltmeisterschaft. Und im September soll die Indoor-Surfanlage eröffnet werden.

Ebikon Mall of Switzerland

Ebikon: Mit der Mall of Switzerland sind die Einkaufsmöglichkeiten in der Luzerner Vorortsgemeinde markant angestiegen. Nun soll auch der Wohnraum massiv ausgebaut werden.

Quelle: Herbert Zimmermann

Weitere Gründe für den Aufstieg der Innerschweizer sind das Bevölkerungswachstum und die intensivierte Bautätigkeit. Auf dem Amag-Areal entstehen 280 Wohnungen, auf dem früheren M-Park-Standort sollen es gar 340 werden. «Derzeit werden in Ebikon nicht weniger als 25 Areale beplant oder bebaut», sagt Gemeindepräsident Daniel Gasser. Das ist auch nötig, denn Ebikon wächst und wächst.

Das liegt auch an den verkehrstechnischen Verbesserungen, etwa am Autobahnabschnitt Knonaueramt, am Autobahnzubringer ins Rontal oder an den optimierten ÖV-Anschlüssen. Ausserdem prüfen die SBB, Ebikon als Mobilitätshub auszubauen, also als Knotenpunkt für die unterschiedlichsten Verkehrsträger, von Bahn, Bussen, Autos und Velos. Vorerst wäre es ein Pilotversuch, wie Gasser betont. Aber seine Stadt wäre wohl keine schlechte Wahl: Denn Ebikon ist die durchschnittlichste Gemeinde der Schweiz, wie Forscher der ETH Lausanne anhand von Abstimmungsresultaten herausgefunden haben. Was für politische Entscheide zutrifft, könnte auch für verkehrstechnische Präferenzen funktionieren.