US-Präsident Donald Trump hat ist seiner ersten Rede zur Lage der Nation die Einheit des Landes beschworen. Republikaner und Demokraten rief er dazu auf, Ergebnisse abzuliefern und dem Volk zu dienen. Trump sprach von Kompromissen, von demonstrativ ausgestreckten Händen und versprach, er wolle «eine gemeinsame Basis» finden. In den kommenden Wochen und Monaten wird er mehrfach die Gelegenheit bekommen, seinen Worten Taten folgen zu lassen. Kritiker sind skeptisch, ob ihm das gelingt. Der Präsident ist berüchtigt dafür, dass er auf vermeintlich versöhnliche Töne polarisierende Tweets folgen lässt, die die Kluft zwischen seinen Anhängern und Gegnern weiter aufreissen.

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Bereits kommende Woche kann Trump zeigen, ob er doch das Zeug zum Brückenbauer hat. Bis zum 8. Februar läuft die nächste Frist im Dauerkonflikt Haushaltsstreit. Ohne die Unterstützung zumindest einiger Demokraten im Kongress droht wie schon im Januar ein erneuter Stillstand von Regierung und Bundesbehörden. Die Demokraten fordern im Gegenzug für ihr Einlenken grössere Zugeständnisse bei der Einwanderungspolitik - womit gleichzeitig ein zweites brenzliges Thema auf dem Verhandlungstisch liegt.

Festhalten am «Daca»-Programm

Trump sagte in seiner Rede, sein jüngster Vorschlag erlaube es beiden Seiten, sich in der Mitte zu treffen. Er hat angeboten, den sogenannten «Dreamer» - Migranten, die als Kinder illegal in die USA kamen - in zehn bis zwölf Jahren einen Weg zur Staatsbürgerschaft zu eröffnen. Im Gegenzug fordert er aber die Freigabe von Milliardenbeträge für den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko, eine Einschränkung des Familiennachzugs von legal im Land lebenden Immigranten und weitere Massnahmen, die auf eine Verschärfung der Einwanderungspolitik hinauslaufen.

Die Opposition zeigt sich auch nach der Rede von Trumps Vorschlag unbeeindruckt. «Schmierige Platitüden», befand etwa die demokratische Abgeordnete Nita Lowey. Ihre Partei will am «Daca»-Programm von Barack Obama festhalten, das Hunderttausende «Dreamer» vor der Abschiebung schützt. Trump will «Daca» kippen. Dem Kongress hat er eine Frist bis zum 5. März gesetzt, um eine alternative Regelung zu finden. Ohne Einigung im Rahmen des Haushaltsstreits bleibt das Thema in den nächsten Wochen heiss.

Unbeliebteste Präsident nach einem Jahr im Amt

Trump muss einen Balanceakt vollbringen. Einerseits will er nicht riskieren, mit zu weitreichenden Zugeständnissen seine Kernwählerschaft zu vergraulen. Andererseits kommt er an den Demokraten nicht ohne weiteres vorbei. Botschaften wie «America First» und nationalistische Töne mögen am rechten Rand bejubelt werden. Vielen anderen Amerikanern stossen sie unangenehm auf.

Das kann sich in den kommenden Monaten als besonders problematisch erweisen. Denn im November stehen Kongresswahlen an, bei denen es um ein Drittel der 100 Senatoren-Sitze und das gesamte Abgeordnetenhaus geht. Mit Umfragewerten von regelmässig um die 40 Prozent ist Trump der unbeliebteste Präsident nach einem Jahr im Amt, seitdem solche Erhebungen erstellt werden. Einige Republikaner befürchten, dass sie stellvertretend für den Präsidenten im November abgestraft werden und sehen die ihre Mehrheit in den beiden Kongresskammern gefährdet. Nicht zuletzt wegen der wichtigen Wahl halten es viele für entscheidend, dass Trump versucht, die Gräben zumindest etwas zu schliessen.

Zwei Publikumsgruppen

Seine Rede richtete sich denn auch gewissermassen an zwei Publikumsgruppen: seine leidenschaftlichen Anhänger und den Rest des Landes, den er nach wie vor nicht für sich gewinnen konnte. Anders als etwa seine Antrittsrede, in der er ein Ende «des amerikanischen Gemetzels» versprach, wählte er wohl auch deshalb diesmal eine weniger provozierende Sprache.

Bei seinen Standpunkten habe sich Trump sich zwar «nicht einen Hauch» bewegt, sagt der republikanische Stratege Michael Steel. «Aber der deutlich heiterere und optimistischere Ton war eine willkommene Abwechslung. Mal sehen, ob er dabei bleiben kann.»

Alex Conant, ehemaliger Berater des republikanischen Senators Marco Rubio, meint, die Kongresswahl wäre kein Problem, wenn Trumps Reden in den kommenden Monaten so ausfielen wie die zur Lage der Nation am Dienstag. Davon sei angesichts Trumps bisherigen Verhaltens jedoch nicht auszugehen, sagt der auf Meinungsforschung spezialisierte Professor John Geer von der Vanderbilt University. An den Erwartungen gemessen, habe Trump sich mit seiner Rede gut geschlagen. «Aber über seine Tweets wird so viel berichtet wie über jede Rede. Er wird wahrscheinlich jeglichen Gewinn, den er eingefahren hat, innerhalb von 48 Stunden untergraben.»

(reuters/ccr)