Johann Schneider-Ammann steht nun ein Jahr lang im Rampenlicht, obwohl es ihm dort gar nicht recht wohl zu sein scheint. Er wäre aber nicht der erste Bundespräsident, der erst im Präsidialjahr zu Hochform aufläuft.

Dafür hat sich der Berner ein schwieriges Jahr ausgesucht. Es kracht im eidgenössischen Gebälk wie schon lange nicht mehr. Europa, Flüchtlingsströme, Terrorangst und wirtschaftliche Unsicherheit sorgen für Verwerfungslinien kreuz und quer durch das Land. Als Landesvater, der mit ruhiger Hand Kurs hält und die aufgebrachten Gemüter beruhigt, ist Schneider-Ammann schwer vorstellbar. Mit seiner hölzernen Rhetorik konnte er in der Öffentlichkeit bisher nicht punkten.

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Der wenig gewandte Auftritt täuscht allerdings über das wohl grösste politische Talent des Wirtschaftsministers hinweg: Er kann die richtigen Leute zusammenbringen, sich mit ihnen an einen Tisch setzen und Raum für Lösungen schaffen. Diese Fähigkeit hatte dem ehemaligen Patron aus dem Emmental hohes Ansehen bei den Sozialpartnern eingetragen.

Geachteter Patron

Dass er sich in den Krisenjahren demonstrativ zum Werkplatz Schweiz bekannt hatte, machte ihn für die Linke endgültig wählbar. Als es Ende 2010 die Nachfolge von Hans-Rudolf Merz zu bestellen galt, zog ihn das Parlament der schneidigen St. Galler Regierungsrätin Karin Keller-Sutter vor.

Als Bundesrat erfüllte Schneider-Ammann die Erwartungen der Wirtschaft nur teilweise. Der Start ins Amt missriet mit einem unglücklich kommunizierten Massnahmenpaket für die krisengeplagte Tourismus- und Exportindustrie.

Danach häuften sich die unpopulären Dossiers: Den Bauern musste Schneider-Ammann eine Landwirtschaftsreform verkaufen, bei der mehr als eine heilige Kuh geschlachtet wurde. Die Gunst der Wirtschaft strapazierte er mit allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträgen oder höheren Mindestlöhnen für Hausangestellte.

Pech und Pannen

Im entscheidenden Moment gelang es ihm aber nicht, die Sozialpartner bei den flankierenden Massnahmen auf Linie zu bringen. Das hätte möglicherweise zur Ablehnung der Masseneinwanderungsinitiative geführt. Als Schneider-Ammann seine dahindümpelnde Fachkräfteinitiative flugs zum Umsetzungs-Vehikel umbaute, erntete er dafür mehr Spott als Lob. Allzu notorisch ist die Hemmung des liberalen Wirtschaftsministers, die Unternehmen in die Pflicht zu nehmen.

Hinzu kommt eine Portion Pech, etwa beim Korruptionsskandal im Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) oder den Offshore-Konten seines früheren Unternehmens Ammann Group. Wirklich geglänzt hat Schneider-Ammann als Bundesrat nur mit dem Abschluss des Freihandelsabkommens mit China. Es war eine der seltenen Gelegenheiten, bei welchen die Öffentlichkeit ihm und seiner Arbeit Anerkennung zollte.

Mit dem Abkommen schaffte der Wirtschaftsminister gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft. Dem Bundespräsidenten müsste das auch im Bundesrat gelingen. Als Leiter und Moderator der wöchentlichen Sitzungen ist es an Schneider-Ammann, für eine gute Gesprächskultur und ein fruchtbares Arbeitsklima zu sorgen. Bisher schien diese Aufgabe kaum lösbar, wenn zwei SVP-Bundesräte in der Regierung sassen. Nicht ausgeschlossen, dass Schneider-Ammann in der neuen Konstellation mehr Glück hat.

Beachtliche Karriere

Das Amt des Bundespräsidenten krönt eine bereits beachtliche Karriere. Schneider-Amman gehört zu den reichsten Männern des Landes, er war Nationalrat, Oberst und respektierter Wirtschaftsführer.

Der ETH-Elektroingenieur war Anfang der 80er-Jahre ins Geschäft des Schwiegervaters eingestiegen. Unter seiner Führung wuchs der Baumaschinen-Hersteller Ammann weltweit. Durch die Krise der 1990er-Jahre rettete er die 800 Schweizer Arbeitsplätze und baute die Firma sogar auf 1200 Stellen aus.

Den Umsatz konnte Schneider-Ammann mehr als vervierfachen. Als der Vater zweier erwachsener Kinder die Firma im Herbst 2010 in die Hände der sechsten Generation der Familie übergab, lag dieser bei rund einer Milliarde Franken. «Bilanz» führt die Familie Schneider-Ammann in der Liste (2015) der 300 Reichsten der Schweiz und schätzt ihr Vermögen auf 450 bis 500 Millionen Franken.

(sda/ccr)