Von einer Pionierrolle Amazons kann allerdings keine Rede sein. Denn bereits seit Sommer vergangenen Jahres gibt es in der chinesischen Megacity Schanghai einen Laden ohne Personal. Mittels QR-Code verschafft man sich als Kunde Eintritt. Man kauft ein und kann den Shop mittels einer Schleuse erst wieder verlassen, wenn man bezahlt hat. 

«Bingobox» heisst das Konzept und weisst im Vergleich zu Amazon Go einige Vor- und Nachteile auf: Bei Bingobox müssen die gekauften Waren zurzeit noch auf eine Art «scannende» Waage gelegt werden, welche die Einkäufe erfasst. Ähnlich wie bei uns in der Migros oder Coop mit den «Self-Scanning-Kassen», aber ohne das händische Scannen.

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Leicht verschiebbar

Bei Amazon Go werden die Einkäufe hingegen automatisch beim Verlassen des Ladens erfasst. Dafür ist die chinesische «Box», die an einen Tankstellenshop erinnert, so gebaut, dass sie mittels eines Lastwagens ganz leicht von einem Standort zum nächsten verschoben werden kann.

Bei Tencent, dem Betreiber der Alles-Könner-App «WeChat» und wertvollste Firma von China, kann mittlerweile nicht mehr von einer Aufholjagd der Chinesen auf Silicon Valley gesprochen werden. Tencent hat den Börsenwert von Facebook zeitweise schon überholt. Seit Anfang des vergangenen Jahres hat sich der Börsenwert von Tencent mehr als verdoppelt.

Einige Tage vor Amazon

Beim Betreiben von neuen Shopkonzepten hat Tencent Amazon überrundet – zumindest um wenige Tage. Just vor Eröffnung des Amazon Go Shop in Seattle hat Tencent am Wochenende davor einen «WePay»-Pop-up-Store in der MixC Shopping Mall im südwestlichen Minhang in Shanghai eröffnet. Er wurde in den ersten beiden Tagen von über 30'000 Menschen frequentiert, wie die «South China Morning Post» berichtet. Der Shop soll vorerst bis Mitte Januar geöffnet bleiben. 

USA hinter sich gelassen

Um den Laden zu betreten, müssen die Kunden einen QR-Code mit der Tencent- App «WeChat» auf ihren Mobiltelefonen scannen. Sie wählen die gewünschten Artikel aus und scannen den QR-Code erneut am Ausgang des Shops, wo das System die Artikel automatisch erkennt und die Einkäufe zusammenfasst. Abgerechnet wird natürlich über die App. «WeChat» umfasst bereits heute viel mehr Dienste, allen voran Bezahlmöglichkeiten, als der amerikanische Konkurrenz «WhatsApp», im Besitze von Facebook

«China ist im Vergleich zum Rest der Welt führend im Experimentieren mit unbemannten Shops, und hat sogar die USA hinter sich gelassen», sagt Matthew Crabbe, vom Marktforschungsunternehmen Mintel gegenüber der «South China Morning Post».

«Tao Café-Shop» von Alibaba

Aber nicht nur der chinesische «Gemischwaren-Laden» Tencent, sondern auch Onlinehändler Alibaba aus China experimentiert bereits seit Monaten mit Shops, die ohne Personal auskommen und ohne grosse Anstrengung wie dem Hervorholen einer Karte, oder sogar Bargeld, bezahlt werden kann. Bereits im vergangenen Juli hat Alibaba einen «Tao Café-Shop» in der chinesischen Metropole Hangzhou eröffnet, der auch nach dem Prinzip «Reingehen-einkaufen-Rausgehen» funktioniert. 

Das chinesiche Startup «Bingobox» plant indessen bereits die Expansion in andere asiatische Länder, wie die «South China Morning Post» berichtet. Inzwischen gibt es in China über 200 solcher Mini-Shops, die 24 Stunden zugänglich sind. Und dort ist wirklich kein Personal vorhanden, dafür viele Kameras und ein Screen, um mit einem Mitarbeiter von Bingobox in einem Call-Center verbunden zu werden, falls es doch mal eine Frage gibt. 

Installation von Einkaufs-Boxen überall möglich

Dabei spricht der Gründer des chinesischen Starups bereits davon, nach Europa zu expandieren. Dort hätten nur wenige Shops nach Einbruch der Dunkelheit geöffnet, sagt Chen Zilin. Er weist auch darauf hin, dass die Bingobox durch das Wegfallen des Personals im Betrieb so günstig zu betreiben ist, dass sie auch in Wohngegenden oder Parks stehen kann – also an Orten, wo die Mieten nicht so teuer aufallen wie in der Innnenstadt.

Natürlich schlafen auch die Shopping-verrückten Japaner bei Innovationen rund um ein neues Einkaufsverhalten nicht. Das Land war mit neuen Shopping-Konzepten schliesslich schon immer ganz weit vorne. Dabei wollen die Japaner den Onlinehandel mit dem physischen Einkaufen vereinen.

Die japanische Handelskette «7Eleven» möchte im Mai im südkoreanischen Seuol den ersten Store mit dem Namen «Signature» eröffnen, der völlig ohne Mitarbeiter funktionieren soll.

Einkaufen per Fingerabdruck

Dieser Shop soll laut Werbevideo noch weiter gehen: Es braucht nicht mal mehr ein Smartphone zum Einkaufen, sondern der Kunde wird mittels Fingerabdruck erkannt. Das heisst, er muss einfach die Hand auflegen, der (Sesam)-Laden öffnet sich, der Kunde kauft ein, die Ware wird erfasst, er verlässt mit Handauflegen den Laden. So einfach kann das gehen. 

Bei so viel Innovation lässt China die Erfinder aus dem Silicon Valley alt aussehen – die Entwicklung von neuen Shops schreitet im Reich der Mitte rasant voran. Aber auch zu einem Preis, den viele kritisch betrachten: Der Alibaba-Store «Tao Café-Shop» funktioniert mit Gesichtserkennung – eine Technik, auf die Amazon Go explizit verzichtet hat und auch darauf hinweist, dass die Kunden nicht als Individuen, sondern als Objekte, erfasst werden.

Datenkrake China

Weil die Chinesen nicht so sehr auf Datenschutz pochen wie die Amerikaner und die Europäer lassen sie solche Technologien eher zu. Auch, weil der chinesische Staat im Umgang mit Daten nicht gerade zimperlich vorgeht. Bis 2020 sollen alle Bürger mit einem so genannten «Social Credit System» erfasst werden. Damit will die Regierung das gesamte Verhalten, also auch die Ausgaben oder Kreditwürdigkeit, jedes einzelnen Bürger festhalten.

In China gibt es auch immer mehr so genannte «Smart Cities», bei denen zahlreiche Bewegungen der Bürger erfasst werden. Diese Version von «1984» im 21. Jahrhundert kann den Retailern im Land der Mitte nützlich sein. Je mehr Daten sie scheffeln, desto besser können sie ihre Shops bewirtschaften. Die Detailhändler aus den USA und Europa hingegen wollen ihren Kunden die Sicherheit geben, dass sie «anonym» in Shops ohne Pesonal einkaufen können.

Der japanische Automobilhersteller Toyota verfolgt noch einen ganz anderen Plan zum Thema Shops: An der CES hat der Autokonzern die Vision eines Autos vorgestellt, dass je nach Nutzen ein Café, ein Shop oder ein Personenfahrzeug sein kann. 

Toyota will in Zukunft einen E-Transporter lancieren, dessen Innenraum auf ganz individuelle Bedürfnisse angepasst werden kann. Das gleiche Konzept verfolgt ein amerikanisches Startup mit dem «Robomart», über den die Handelszeitung berichtet. Es bleibt abzuwarten, wer das Rennen macht und als erstes einen funktionsfähigen Protoypen entwickelt - die Asiaten oder die Amerikaner.