Hat der Wahlsieg von Donald Trump die USA in ein Fiasko gestürzt? Oder hat er nur ein lange bestehendes Fiasko offenbart? Das mächtigste Land der Welt geht nicht in Topform ins Jahr 2017.

Der 8. November war das grösste politische Erdbeben, das die USA seit langem zu verkraften hatten. Donald Trump wird der 45. Präsident der mächtigsten Nation der Erde. Ein Entertainer und Immobilienmogul, trotz seines Alters von 70 Jahren frei von jeglicher politischen Erfahrung, ausgestattet mit dem Wissen eines Zeitungslesers, bestenfalls.

Ein gnadenloser Narziss noch dazu. Hat er die Kraft, Amerika zu verändern, zum Guten, wie er glaubt, zum Schlimmen, wie seine Kritiker fürchten?

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Als Hochstapler entlarvt

Trump wurde schnell als politischer Hochstapler entlarvt. Kaum war der Wahltag um, schon ruderte er zurück, kassierte Wahlversprechen, schwächte ab.

Sein Leugnen des vom Menschen verursachten Klimawandels, im Wahlkampf noch stürmisch von interessierter Seite gefeiert - erledigt. Folter in CIA-Gefängnissen? Nicht nötig. Hillary Clinton einsperren? Kein Interesse. Gott sei Dank, mögen Freunde eines gepflegten politischen Umgangs sagen. Einerseits.

Welle des Populismus'

Andererseits: Trump hat mit seinem Populismus eine Welle ausgelöst. «Eine Bewegung» habe er entfacht, sagt er selbst. Sie richtet sich gegen das Establishment, gegen den Status quo, die politische Klasse, gegen Washington D.C., die Hauptstadt, als Symbol für einen Sumpf, der ausgetrocknet gehört.

Trump hat damit hohe Hürden aufgebaut für sich selbst. Die Mehrheit der Amerikaner, ergab jüngst eine Umfrage der Harvard University, glaubt, dass er seine Wahlversprechen einhält. Was wird passieren, wenn nicht? Wie viele Enttäuschungen verträgt das frustrierte Wahlvolk noch?

Ungeniert am rechten Rand

Trump fischt ungeniert am rechten Rand, liess sich während des Wahlkampfes immer wieder mit Leuten ein, die am Rande des Rassismus anzusiedeln sind. Sein Chefstratege Stephen Bannon betrieb mit Breitbart News eine Website, auf der offen rassistische Texte zu lesen sind. Die Politforscher sind sich uneins: Nimmt Trump das billigend in Kauf? Oder ist das seine Linie?

Amtsinhaber Barack Obama verneint die Frage, ob man sich vor Trump fürchten müsse. Die Demokratie und das Staatsgefüge der Vereinigten Staaten sei allemal stärker als eine einzelne Person. Ausserdem sei Trump kein Ideologe, eher ein Pragmatiker, meint Obama, vergisst aber auch nicht zu betonen: «Wir könnten verschiedener nicht sein.»

Schwierige Umsetzung

Aber kann man sich auf Trump verlassen? Etwa als Vertragspartner wie der Iran? Oder als die Weltgemeinschaft, wenn es um das Klimaabkommen von Paris geht? Oder als Bündnispartner in der NATO, die er im Wahlkampf als mehr oder weniger verzichtbar betitelt hat? All das kann nur die Zukunft nach dem 20. Januar 2017 zeigen, wenn Trump den Amtseid ablegen wird.

Klar ist indes: Trump wird es viel schwerer mit der Umsetzung seiner Ideen haben, als er zugibt. Beispiel Energiepolitik: Er will allen Umweltbedenken zum Trotz auf Kohle setzen, um Arbeitsplätze in der Schwerindustrie zu schaffen.

Doch welcher Bergbauinvestor ist bereit, Milliarden in Gruben zu investieren, deren Produkte der Weltmarkt nicht mehr abnimmt und die spätestens unter Trumps Nachfolger in ein paar Jahren nicht mehr lohnend sein mögen? «Es ist wahrscheinlich, dass er in vier Jahren erklären muss, warum er es nicht hingekriegt hat», schreibt James Temple im Energie-Fachblatt «MIT Technology Review.»

OECD findet teilweise gefallen

Seine Infrastruktur-Pläne, mit denen er in zehn Jahren eine Billion Dollar in Strassen, Brücken, Tunnels und Flughäfen pumpen will, gefallen immerhin der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Sie korrigierte ihre Wachstumsprognose für die grösste Volkswirtschaft der Welt nach oben - auch dank Trumps Ankündigungen zu Steuersenkungen.

Die Organisation wendet sich aber zugleich strikt gegen Trumps protektionistische Tendenzen beim Welthandel. In seinem Programm für Entscheidungen, die er am ersten Tag im Amt treffen will, hat er etwa die Rücknahme der Transpazifischen Handelspartnerschaft (TPP) angekündigt.

Nur eine Episode?

Vielleicht ist Trump in vier Jahren oder noch früher politische Geschichte. Eine Episode. Vielleicht werden die Menschen später einmal schmunzeln über die Tatsache, dass es da einem Desperado, einem alternden Beau, gelungen war, ins Weisse Haus, ins Allerheiligste der weltweiten Politik, einzudringen.

Dort zu regieren, sich auch nur festzuhalten, ist jedoch nicht einfach. Schon in den ersten Tagen als «President Elect» muss er feststellen, wie schwierig der Tanz auf dem Drahtseil der Politik sein kann.

Statt schnell Lösungen zu präsentieren, wie er es aus seinem Leben als Unternehmer gewohnt ist, braucht er Wochen, um nur die ersten Personalien festzuklopfen. In die Sachpolitik ist er da noch gar nicht eingestiegen.

Wohin es geht, ist noch völlig offen

Insofern ist es völlig offen, wohin die USA unter einem Präsidenten Donald Trump driften werden. Der Milliardär gibt einerseits den Arbeiterführer und Menschenfreund. Andererseits macht er gemeinsame Sache vor allem mit schwerreichen Finanzjongleuren.

In den US-Medien macht das Wort «Spaltung» die Runde, tiefe Gräben seien entstanden, in der Gesellschaft. Arm gegen Reich, Schwarz gegen Weiss, Zuwanderer gegen Alteingesessene: Vermutlich braucht es eine funktionierende politische Klasse, die das wieder richtet. Trump muss jetzt liefern.

(sda/ccr)