Sanfte Hügelzüge mit Rebbergen und ausgedehnten Waldpartien, auf den Hügelkuppen hier und da ein Dörfchen, in den Talsenken Felder und Wiesen. So präsentiert sich dem Reisenden die beschauliche Landschaft des Basso Monferrato, das sich im Dreieck zwischen den Städten Asti, Casale und Alessandria ausdehnt. Im Gegensatz zum Gebiet um die Stadt Alba, mit den berühmten Wein-Appellationen Barbaresco und Barolo, verirrt sich kaum je ein Tourist in diesen unbekannten piemontesischen Landstrich.

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All jene, denen der merkantile Rummel in Alba und den umliegenden Weindörfern zuwider ist, finden hier noch, was einst die Faszination Piemonts ausmachte: Gute, unprätentiöse Küche in einfachen Trattorien und freundliche, zuvorkommende Winzer, die sich gerne die Zeit nehmen, um den Besucherinnen und Besuchern ihre Weine zu präsentieren.

Die in beinahe allen Weinbaugebieten des Piemonts verbreitete Barbera-Traube ist im Basso Monferrato die Leitsorte. Die anpassungsfähige Varietät wird auf unterschiedlichste Arten gekeltert, vom geradlinigen, saftig-süffigen Alltagswein bis hin zum international getunten, vollmundig-extraktsüssen Muskelprotz – je nach Philosophie und Ambitionen des Winzers. Weniger duldsam gegenüber den Manipulationsversuchen innovativer Winzer ist dagegen die autochthone Rotweinsorte Grignolino. Allen Versuchen, sie massentauglich zu machen, hat sie sich erfolgreich widersetzt. Die Grignolino-Winzer sind sich einig, dass man diese eigenständige, erstmals im 13. Jahrhundert schriftlich erwähnte Sorte nicht nach Patentrezepten zurechtdesignen kann.

Und so ist und bleibt der Grignolino ein Wein von hellroter Farbe, mit einem schlanken, sehnigen Körper und einer finessenreichen Aromatik von roten Beeren, frischen Kräutern und Anklängen von Unterholz, einer knackig-frischen Säure und einem markanten, leicht herben Tannin. Wollte man einen Vergleich wagen, so liesse er sich zwischen dem Südtiroler Vernatsch und dem piemontesischen Nebbiolo ansiedeln. Der Grignolino ist die provokative Antithese zu den austauschbaren farbintensiv-dunkeln, vollmundig-marmeladigen Rotweinen, mit denen die Weinproduzenten weltweit um die Gunst der Konsumenten buhlen.

Ihre grösste Verbreitung hat die urpiemontesische Sorte im Basso Monferrato, das teils zur Provinz Asti, teils zur Provinz Alessandria gehört. Entsprechend ihrer Herkunft werden die Grignolino-Weine als Grignolino d’Asti oder als Grignolino del Monferrato Casalese (Alessandria) abgefüllt. Trotz der beträchtlichen Grösse des Anbaugebiets beträgt die Rebfläche der beiden Appellationen nur gerade rund 620 Hektaren. Da die empfindliche Grignolino-Rebe nur in besten Lagen gut gedeiht und im Weinberg mehr Pflege braucht als andere Sorten, war er schon immer ein Nischenwein, allerdings – im Unterschied zu heute – von beträchtlichem Renommee.

Als Lieblingswein des piemontesischen Adels und der Turiner Oberschicht gehörte der hellrote Grignolino in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu den angesehensten und teuersten Weinen des Piemonts. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bezahlte man für ihn denselben Preis wie für die aus der Nebbiolo-Traube gekelterten Barolo und Barbaresco.

Der elegante, finessenreiche Grignolino ist kein Wein für Etikettentrinker und für solche, die Weine von brotaufstrichartiger Konsistenz lieben. Er ist ein Wein für Kenner und für Liebhaber authentischer, eigenständiger Gewächse. Und er ist ein vorzüglicher Essensbegleiter, er passt zu Risotti und Teigwaren ebenso wie zu Vorspeisen und Gerichten mit hellem Fleisch.

Leider ist der Grignolino ausserhalb des Anbaugebiets oft nur schwer erhältlich. In der Schweiz sind es meist nur kleinere, engagierte Weinhändler, die Grignolino-Weine in ihr Sortiment aufgenommen haben. Bestimmt lohnend wäre aber ein Abstecher ins Anbaugebiet, um auf den Gütern von Accornero, Braida, Bricco Mondalino, Canato Marco, Incisa della Rocchetta und La Tenaglia (um nur einige Qualitätsproduzenten zu nennen) die Weine zu verkosten und allenfalls zu erstehen.