Zuerst Wien, dann Berlin: Die junge Autorin Yael Inokai aus Basel fühlt sich an der Spree heimisch, wo sie seit vier Jahren lebt und studiert und arbeitet - am Drehbuch für ihre Abschlussarbeit und am neuen Buch «Mahlstrom» das im Herbst erscheint.

Berlin hat eine magische Anziehung auf Schriftsteller und Künstler, auch aus der Schweiz. Eine, die nicht mehr weg möchte, seit sie Berlin für sich entdeckt hat, ist Yael Inokai. Für das Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda schlägt sie ihr Lieblingscafé in Kreuzberg vor, unweit des U-Bahnhofs «Schlesisches Tor». «Ich liebe die Gegend und bin überglücklich, dass ich hier wohne», sagt sie.

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Schwieriger Wohnungsmarkt

Inokai lebt mit einer Freundin zusammen, nachdem sie über ein halbes Jahr nach einer Bleibe gesucht hat. Einfach sei es nicht gewesen. Denn Berlin, einst die Stadt mit viel Platz und billigen Mieten, hat sich gewandelt. Seit viele ausländische Investoren den Markt kontrollieren, haben Leute mit kleinem Portemonnaie wenig Chancen und werden aus ihrem Kiez gedrängt - vor den S-Bahn-Gürtel.

«Wenn du wenig Geld hast, bist du für die Vermieter uninteressant», erzählt sie. «Das habe ich zu spüren bekommen, und es ist erniedrigend.» Nun ist die Schweizer Autorin doppelt froh, ein Dach über dem Kopf zu haben - und erst noch in der Gegend, wo ihre Freunde wohnen.

Das erste Buch war kein grosser Erfolg

Inokai, die 2012 im Rotpunktverlag ihren Erstling «Storchenbiss» veröffentlichte, gehört nicht zu den Autoren, die vom Schreiben leben können. «Weit entfernt», sagt sie. «Das Buch war kein grosser Erfolg», gesteht sie unumwunden. Das hält sie aber nicht davon ab, weiter zu machen. Gerade sitzt sie über ihrem neuen Roman, der im Herbst erscheinen soll. Ein Berlin-Buch? Keineswegs. Zwar inspiriert sie die Stadt, doch der Roman sei eher etwas Schweizerisches, wenn auch mit dem Blick von aussen.

In der Heimat ist Inokai nur noch selten. Vor Berlin hat sie in Wien gelebt, dann bewarb sie sich an der Filmhochschule in Berlin. Sie wurde genommen und siedelte an die Spree um. «Es war die richtige Entscheidung.» Sie kann sich nicht mehr vorstellen, wegzugehen. «Diese Frage stellt sich nicht, ich bin hier daheim.»

«Berlin lässt einen sein wie man möchte»

Sie hat ihren Freundeskreis und ein Netzwerk gleichgesinnter Autoren, mit denen sie sich zusammengetan hat zu einer Bürogemeinschaft. Derzeit schreibt sie vor allem Drehbücher für Film und Theater - bedingt durch das Studium.

Zu den Schweizer Autoren, die in Berlin leben - und es sind viele - hat sie keinen Kontakt und ihn auch nicht gesucht. «Für mich ist das Schreiben das verbindende, nicht die Nationalität», sagt sie. Und all diese jungen Autoren, die die Stadt als inspirierend empfinden, haben eines gemeinsam: Das sie nur knapp über die Runden kommen.

«Aber man ist frei hier, Berlin lässt einen sein, wie man gerne möchte» beschreibt Inokai die Atmosphäre, die sich von Kiez zu Kiez anders präsentiert: Bunt, laut, schrill in Kreuzberg, das seit dem Zusammenwachsen von Ost und West quasi zur Mitte geworden ist. «In Berlin herrscht kein so starker sozialer Kodex wie anderswo», konstatiert sie. «Man muss sich nie verstellen».

Überleben in Berlin ist nicht einfach

Inokai führt ihre Besucher die Skalitzer Strasse entlang, rund um den Kiez mit kleinen Beizen, in denen man sich durch die halbe Welt essen kann, mit all den Galerien und Läden und ihrer Lieblingsbuchhandlung. Die Stadt ist erstaunlich grün, immer mal wieder kommt man ans Wasser; man hat Raum und geistigen Freiraum - kein Wunder, fasziniert Berlin die Dichter seit langem, und hat literarische Flaneure wie Franz Hessel angezogen.

Wer nicht berühmt ist, muss in Berlin ein Lebenskünstler sein. Oder Tantiemen kassieren können. Doch das ist für Yael Inokai Zukunftsmusik. Seit sie einen Job als Fremdenführerin auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof fand, entdeckt sie die Stadt noch intensiver.

In stetem Wandel

Vor kurzem hat sie in Berlin ihre Ferien verbracht, weil sie kein Geld zum Verreisen hatte. «Da bin ich jeden Tag woanders hingegangen, zu Fuss, per Fahrrad oder mit der U-Bahn. Man bekommt so ein Gefühl, wie die Stadt zusammenhängt.»

An der Architektur lasse sich sehr gut erkennen, wie geteilt Berlin immer noch sei, sagt die Baslerin, die die Texte von Joan Didion und Lucia Berlin liebt und ein Faible für Geschichten und Science-Fiction hat. Dass sich Berlin in stetem Wandel befindet, inspiriert sie und fliesst in ihre Texte ein.

Sie setzt auf Drehbücher

Für eine Existenz als Autorin hat sie sich nie aktiv entschieden. «Es hat sich einfach so ergeben». Punkt. Dies, obwohl sie vom Literaturinstitut in Biel abgelehnt wurde. Allen Unkenrufen zum Trotz hat sie weitergemacht, das Geld im Gastgewerbe verdient und schnell einen Verlag gefunden, wo sie ihren Erstling publizieren konnte.

Heute sei klar, dass sie vom Schreiben leben möchte. «Wahrscheinlich werden es Drehbücher sein», meint sie. Da seien die Chancen grösser.

Die Angst vor dem leeren Blatt kennt Yael Inokai übrigens nicht. «Eher die Furcht vor leeren Tagen». Aber auch die hält sich in Grenzen, weil sie sich in der Bürogemeinschaft, wo sie den Tag strukturiert, mit ihren acht Kollegen austauschen kann. «Das hilft».

(sda/ccr)

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