René Zimmermann ist unübersehbar: gross und breit gewachsen, mit schwerem, etwas schleppendem Schritt, mit manchmal kritisch, dann wieder ironisch funkelndem Blick und von einer verhalten brummigen Art, welche die für ihn typische menschliche Wärme und den träfen Witz wie eine Tarnung verbirgt. Zimmermann ist von Haus aus Sozialarbeiter. Dann wechselte er den Beruf, nicht aber die Berufung: Er wurde Wirt, eine Tätigkeit, die – wird sie ernsthaft und engagiert betrieben – mit der früheren durchaus verwandt ist. Zimmermann wirkte im legendären «Rössli» in Stäfa, dem Pionierlokal unter den Genossenschaftsbeizen. Dann machte er zusammen mit dem Koch Peter Brunner den «Strauss» in Winterthur überregional bekannt. 1993 übernahm er die Zürcher «Alpenrose», liess sich von Namen und Interieur inspirieren und setzte auf qualitativ erstklassige Schweizer Produkte und auf eine aufgefrischte Schweizer Küche. 1996 wechselte er in die traditionsreiche Wirtschaft «Neumarkt» mit einem der schönsten Altstadtgärten. Nun verfügt René Zimmermann seit Mitte November über eine Dépendance vor den Stadttoren. Es ist der «Adlisberg», eine Art währschafte Ganzjahresfrische im Besitz der Stadt Zürich. Die Bauernwirtschaft hinter dem «Dolder», von Wiesen und Wäldern umgeben wie aus dem Bilderbuch, war vorher nur noch an schönen Sommertagen in Betrieb. Die Stadt schrieb dann ein Umbauprojekt aus, worauf sich Zimmermann resolut meldete und mit überzeugenden Ideen schliesslich den Zuschlag erhielt. Der «Adlisberg» ist ein Ort ganz nach René Zimmermanns Gusto: eine Liegenschaft mit erhaltenswerter materieller wie imaterieller Substanz, die sich gegenwärtig unter ihrem Wert verkauft. Die getäferte Bauernstube mit dominantem Kachelofen, aber auch Tenn und Kuhstall, die nach einem umsichtig-respektvollen Umbau in die Wirtschaft einbezogen werden sollen, vermitteln Atmosphäre und Eindrücke, die in einer Zeit der verschütteten Emotionen von geradezu therapeutischem Wert sind. Die Küche des «Adlisbergs» hat sich natürlich diesen besonderen Umständen anzupassen. Es ist keine grosse, keine Haute Cuisine, keine raffinierte und auch keine trendige Küche. Ganz wie die verantwortliche Köchin Linda Gilomen, die nichts so liebt wie das Einkochen, Einmachen, Konzentrieren von Beeren, Früchten und Gartenprodukten und dabei wohl öfters mal geniesserisch den Finger abschleckt, lebt sie solide und unprätentiös vom Gesunden, Einfachen, Bekömmlichen. Verwendet werden regionale, integre Erzeugnisse, «möglichst frei von Gift und Müll», wie es Zimmermann etwas salopp ausdrückt. Da gibt es dann ein Zvieriplättli mit Hauswurst, Rauchspeck und Schafmöckli, die so währschaft und authentisch schmecken, wie man es nicht mehr für möglich gehalten hätte. Das Fleisch stammt von einer Rauchkammer auf dem Ballenberg, die auch Gotthelfs Romanpersonal begeistert hätte. Da gibt es Älplermagronen mit einer sensationellen Käsemischung aus dem Zürcher Oberland. Da gibt es den Suppentopf aus Grossmutters Zeiten, der abends zusammen mit einem Hauptgang und einem Dessert zu einem dreigängigen Menü kombiniert werden kann, das je nach Gericht unterschiedlich viel kostet und etwa die Polenta mit Pilzen oder die geschmorte Kalbshaxe oder das Bio-Forellenfilet mit Räuschlingsauce umfasst und mit einer sündhaft guten gebrannten Crème oder einer Zwetschgenglace mit Tessiner Nocino endet. Die Weinkarte offeriert dazu genau die richtigen Tropfen. René Zimmermann ist ein Fan und Kenner der besten Schweizer Gewächse. Diese Liebe hat, wunderbar gastfreundlich kalkuliert, ihre Spuren hinterlassen. Zimmermann ist auch ein leiden- schaftlicher Freund feinster Destillate. Als Mitbegründer des Schweizer Schnapsforums prämiert er jedes Jahr die besten einheimischen Brände. Wer will, kann die Preisträger im «Adlisberg» als Digestif geniessen. Zimmermann will in der neuen Wirtschaft «das Schweizertum auf erdige und bodenständige, aber trotzdem schräge Art präsentieren». Würde er sich deshalb als Patriot bezeichnen? Der Mann überlegt lange und bejaht dann. Allerdings sei sein Patriotismus einer der aufsässigen Art. Scharf abgegrenzt von der Heimattümelei der SVP und der schicken Swissness eines Tyler Brûlé, möchte er auf eine undoktrinäre Art den Bezug zu den Wurzeln vermitteln. Die speziellen Produkte aus den Wiesen, Weiden und Rebbergen der Schweiz leisten ihm dabei Schützenhilfe. Wirtschaft Adlisberg René Zimmermann, Linda Gilomen und Beate Schönberger Adlisbergstrasse 75 8044 Zürich Tel. 043/268 55 55, www.wirtschaft-adlisberg.ch Mittagsmenü: Fr. 21.– Drei-Gang-Abendmenü: zwischen Fr. 39.50 und Fr. 57.– Sonntags Puurezmorge, montags geschlossen.
Wein des Monats / Business Lunch
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