Oft fängt eine Kreuzfahrt damit an, dass man zu Hause sitzt und sich über das Wetter ärgert. Wenn durch das plötzliche Auftreten von Fernweh klar wird, dass man ferienreif ist, steuert man das nächste Reisebüro an und nimmt von dort kiloweise Prospekte mit nach Hause. Oder man verbringt ungezählte Stunden vor dem Computer bei der Internetrecherche.

Die herrlichen Bilder führen zu einer schlagartigen Verbesserung der emotionalen Wetterlage, doch bei der überbordenden Vielfalt des ständig wachsenden Angebots fällt es erstens schwer, die Übersicht zu behalten, und zweitens, das richtige Schiff auszuwählen. Sucht man das ultimative Verwöhnprogramm eines schwimmenden Luxushotels oder das legere Lebensgefühl eines komfortablen Vergnügungsdampfers zu entsprechend moderateren Preisen? Will man Fun und Animation für die ganze Familie oder abenteuerliche Romantik unter weissen Segeln?

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In jeder Kategorie gibt es stilbildende und besonders begehrenswerte Ozeankreuzer – ein Schiff schlägt jedoch alle anderen: 30 von 36 befragten unabhängigen Branchenexperten sehen die «MS Europa» klar im Zenit des Kreuzfahrtenhimmels (siehe PDF unten «Top 10»). Auch der «Berlitz Cruise Guide 2006», die Bibel der Reedereien und Veranstalter, gibt dem Flaggschiff von Hapag-Lloyd als einzigem Kreuzfahrtschiff überhaupt das begehrte «Fünf Sterne plus»-Rating (siehe Nebenartikel «Das Rating: So wurde gewertet»).

Was macht den Reiz dieses 198 Meter langen und 24 Meter breiten Schiffs aus? Vielleicht ist es die Servicekultur, wie sie sonst nur in den besten Hotels der Welt zu erleben ist: Das Crew-Gäste-Verhältnis von 1 zu 1,5 zählt zu einem der besten Werte innerhalb der Schifffahrt und ermöglicht ein ganzheitliches Gastgebertum. Vielleicht ist es das gute Gefühl, mehr als genug Platz zu haben – sowohl auf den neun Decks als auch in den Kabinen, die hier zu Recht Suiten genannt werden und durchwegs nach aussen hin liegen. Vielleicht ist es die konstant feine Küche in den vier Restaurants. Oder es ist die Detailpflege, die Liebe zum Kleinen, die den grossen Unterschied ausmacht.

In einer Zeit, in der nicht nur die Luxushotels, sondern auch die Schifffahrtsgesellschaften auf Kosten der Gesamtqualität sparen, sind diese Kriterien wichtiger als protzige Penthouse-Suiten, Mega-Showprogramme oder wahnwitzige Spa-Welten. Fragt man den Kapitän der «MS Europa», worin er seine grösste Konkurrenz sieht, antwortet er nicht etwa mit den Namen anderer Schiffe, sondern sagt: «Ein Traumhotel am Strand oder in den Bergen.» Bei einer Preisstruktur ab 500 Euro pro Tag und Person ist dieser Einwand natürlich berechtigt, doch bei welchem Hotel zieht schon die Welt genussvoll am Feriengast vorbei?

Verglichen mit den amerikanischen Cruise-Giganten, ist Hapag-Lloyd ein kleiner Fisch (Jahresumsatz 2004: 129 Millionen Euro), doch die Hamburger Reederei hat mit ihren vier klassischen Hochseeschiffen eine starke Position im europäischen Markt. Während die «MS Europa» die Massstäbe im Luxussegment setzt und mit jährlich rund 150 angelaufenen Häfen den interessantesten Fahrplan um die Welt anbietet, ist die «MS Hanseatic» das weltweit einzige Fünf-Sterne-Expeditionsschiff: Der Mix aus Luxus und Abenteuer ist einmalig, sämtliche Passagiere sind in Aussenkabinen untergebracht.

Die «MS Bremen», das Vier-Sterne-Pendant zur «Hanseatic», spricht sportlich orientierte Reisende an, die eine Passion für Neuland haben und gerne dort vor Anker gehen, wo andere Schiffe nur vorbeifahren (siehe PDF unten «Top 10»); die familiäre «MS Columbus» wiederum eignet sich für alle, die gerne leger, aber mit Stil reisen möchten (siehe PDF unten «Top 10»). Derzeit liebäugelt die börsenkotierte Hapag-Lloyd mit dem Projekt, ein auf jüngere Paare, Singles und Familien ausgerichtetes Vergnügungsschiff zu lancieren und damit eine weitere Marke im Angebot zu haben, welche zusätzliche Kunden auffängt, die sie sonst an populärere Mitbewerber verliert.

Als Vorbild dürften die Fun Ships von Aida Cruises dienen, die wesentlich zum Boom der Kreuzfahrtindustrie im deutschsprachigen Europa beitragen und ein unerschöpfliches Potenzial des All-inclusive-Clubkonzepts erahnen lassen, auch in entschärften Varianten. Momentan sind vier Aida-Schiffe mit Platz für insgesamt 5800 Passagiere im Einsatz, im nächsten Frühjahr folgt der erste von drei Schiffsneubauten. Sechs Restaurants und ein 2000 Quadratmeter grosser Wellnessbereich mit ausfahrbarem Glasdach zeigen, wohin die Reise gehen soll.

Grundsätzlich gilt: Wer heute eine Reise über die Weltmeere bucht, kann getrost das eine oder andere Klischee über die Reling werfen. Die Reedereien entwickeln immer neue Angebote, um die Attraktivität von Kreuzfahrten vermehrt auch für jüngere Kunden zu steigern. «Die Bereitschaft, ständig Trends aufzunehmen und umzusetzen, ist eine Stärke der Branche und der entscheidende Motor», sagt Aida-Chef Michael Thamm. «Wenn man sich die Bandbreite und die Qualität in puncto Entertainment, Gastronomie und Wellness anschaut, die auf den neuen Schiffen unterschiedlichster Marken geboten werden, ist es sicherlich einfach, unsere Begeisterung zu teilen.» Thamm, ein Mann der ersten Stunde in der norddeutschen Reederei, ergänzt: «Die Cruise-Industrie boomt so sehr, weil die Angebote angenommen werden. Jedes neue Schiff, jede neue Destination eröffnet da neue Chancen.»

Neues Publikum für Kreuzfahrten zu interessieren und Seereisen dank dem hohen Erlebniswert als echte Alternative zu Badeferien zu etablieren, steht im Mittelpunkt der Marketing-Anstrengungen aller Reedereien. Speziell in der Kategorie der Club- und Fun-Schiffe (siehe PDF unten «Top 10») rekrutieren sich die meisten Passagiere aus Menschen, die zuvor verschiedene Urlaubsformen an Land gewählt haben. Schiffe wie die «AidaAura» und die «AidaVita», die Italo-Kreuzer «Costa Magica» und «MSC Sinfonia» oder die amerikanische «Carnival Liberty» tragen wesentlich dazu bei, dass der Markt für Seereisen im deutschsprachigen Europa um rund zehn Prozent jährlich wächst. Für 2010 prognostiziert die Branche hunderttausend Schweizer Passagiere auf Hochseeschiffen.

In diesem Jahr wird die Zahl der Kreuzfahrtschiffe, deren Bruttoraumzahl (BRZ) die magische Grösse von 100 000 übertrifft, auf 25 steigen. Die im April 2006 zur Jungfernfahrt ausgelaufene «Freedom of the Seas» – jüngstes Mitglied der amerikanischen Reederei Royal Caribbean International – toppt mit 158 000 BRZ die «Queen Mary 2» und ist nun das grösste je hergestellte bewegliche Objekt: Die «Titanic» würde gut dreimal reinpassen, die «MS Europa» fünfeinhalbmal. 3600 Passagiere und 1360 Crewmitglieder befördert das 590 Millionen Dollar teure Schiff, das den American Way of Cruising zelebriert und mit jedem Vergnügungsviertel an Land mithalten kann. Zu den vielen Innovationen zählen zwei grosse Whirlpools, die 34 Meter über der Wasseroberfläche seitlich jeweils fast vier Meter über die Reling hinausragen.

Jules Vernes Diktum vom Ozeanriesen als «Stadt auf dem Meer» scheint auf den Schiffen von Princess Cruises, Royal Caribbean International und Carnival kein bisschen übertrieben (siehe Nebenartikel «Die führenden Reedereien: Carnival an der Spitze»). Die klobigen Brummer mit anmutigen Namen wie «Caribbean Princess», «Explorer of the Seas» oder «Carnival Miracle» kreuzen auf den immer gleichen Sieben-Tage-Touren fast ausschliesslich in der Karibik und bieten überwältigende Unterhaltungs-, Speise- und Einkaufsmöglichkeiten rund um die Uhr. Für Entscheidungsschwache ist das Dilemma vorprogrammiert, aber zum Glück bleibt ja auch noch die Möglichkeit, auf Deck die Meeresbrise zu geniessen und gar nichts zu tun.

Während die Megaliner dem Konzept «Bigger is better» folgen und auf die Resort-Philosophie unter dem Motto «Destination Schiff» setzen, überzeugt die Flotte der Seabourn Cruise Line mit der Devise «Small is beautiful». Selbst bei voller Auslastung mit rund 200 Gästen geniesst man auf den drei sportlich-schicken Kreuzern «Seabourn Spirit», «Seabourn Pride» und «Seabourn Legend» die intime Überschaubarkeit und das Privileg, kleine Häfen anzulaufen, die für die grossen Schiffe nicht zugänglich sind. Alles ist so familiär, als wäre man beim Schiffseigner zu Gast. Die meisten Passagiere könnten sich vermutlich selbst eine hochseetaugliche Yacht leisten und ziehen es doch vor, zusammen mit Gleichgesinnten auf grosse Fahrt zu gehen.

Der Nachteil dieser Edelyachten, zu denen auch die «SeaDream» oder die «Hebridean Spirit» gehören: Trotz den luxuriösen Kabinen kann man sich wegen des begrenzten Raumangebots an Bord irgendwann in der Falle wähnen. Zudem haben die Luxusyachten ihren Preis. Eine Reise mit den Seabourn-Schiffen beispielsweise ist nicht unter 625 Euro pro Person und Tag zu haben, eine zehntägige Kreuzfahrt zu zweit kostet schnell so viel wie ein Kleinwagen. Nichts fürs normale Reisebudget also.

Etwas günstiger – ab 480 Euro pro Passagiertag – ist es auf den grossen Luxuskreuzern von Crystal Cruises (rund 1000 Passagiere) und Seven Seas Cruises (500 bis 700 Passagiere). Obschon Aufwand und wirtschaftliches Risiko hoch sind und die Zahl der echten Weltenbummler eher klein, fahren die «Crystal Serenity», die «Crystal Symphony», die «Seven Seas Voyager» und die «Seven Seas Mariner» ständig um die Welt. Da kann es dann leicht passieren, dass man auf der Seestrecke von Acapulco nach Nuku Hiva kreuzt, wo der Kreuzer halb leer ist, doch die Routen und Destinationen sind fantastisch, die Passagiere können in jedem Hafen zu- und aussteigen.

Der Unterschied der beiden Gesellschaften liegt im Serviceverständnis und in der Grösse der Kabinen. Auf den Crystal-Schiffen wird die Perfektionierung des Service geradezu als Sportart betrieben, während man bei Seven Seas eine entspanntere Gästeansprache vorzieht und auf modern gestaltete Aussenkabinen setzt, die mindestens 30 Quadratmeter gross sind.

Ein guter Indikator bei der Wahl des optimalen Schiffs ist das Verhältnis von Schiffsgrösse (BRZ) zur Anzahl Passagiere: Liegt diese Zahl über 50, kann an Bord ein überdurchschnittliches Platzangebot erwartet werden. Wem weit reichende Rückzugsmöglichkeiten auch auf hoher See wichtig sind, hat auf den vier schneeweissen Schiffen der italienischen Nobelreederei Silversea die Nase vorn. «Silver Whisper», «Silver Shadow», «Silver Wind» und «Silver Cloud» bieten ihren Passagieren eine Weitläufigkeit an Bord, die weltweit ihresgleichen sucht. Im Preis – ab 450 Euro pro Passagiertag – ist fast alles inbegriffen: Trinkgelder, Hafengebühren und Transfers, sämtliche Mahlzeiten sowie Getränke einschliesslich erlesener Tischweine, Spirituosen und Champagner.

In der Kategorie der aussergewöhnlichen Komfortschiffe (Passagiertag zwischen 140 und 300 Euro) repräsentiert die «Norwegian Jewel» das heutige Mass der Dinge. Das Flaggschiff der Norwegian Cruise Line prägt den Begriff des Freestyle Cruising und lässt den Passagieren viele individuelle Freiheiten bei Essenszeiten, Kleiderwahl und Aktivitätenprogramm. Auch die «Millennium» von Celebrity Cruises steht für ein lockeres Lebensgefühl und eignet sich besonders für Menschen, die keinen Wert auf den traditionellen Stil einer Kreuzfahrt legen, dafür grosse und supermoderne Schiffe mögen.

Die Wohlfühl- und Verwöhnschiffe der Holland America Line, allen voran die «Westerdam» und die «Prinsendam», setzen auf klassische Moderne und diskretes Understatement. Man reist als guter Geist unter guten Geistern und geniesst das unaufgeregt elegante Ambiente an Bord, während der Horizont ganz leicht schwankt und ab und zu ein Crewmitglied vorbeihuscht, um nachzuschenken.

Wer eher eine aus Tradition gewachsene Schiffskultur schätzt, ist auf dem TV-Traumschiff «MS Deutschland», der «MS Delphin» oder der «MS Astor» gut aufgehoben. Auf diesen drei deutschen Schiffen prägen Silberhaarige die Klientel, und auf festlichen Dresscode an den zahlreichen Galadiners wird Wert gelegt.

Genusspiraten, die sich unter dem Paradies auf hoher See eher stolz geblähte weisse Segel und individuelle Naturerlebnisse vorstellen, bekommen beim Wort «Sea Cloud» glänzende Augen. Die 1931 erbaute und 1979 renovierte Segelyacht hat den Boom der Segelkreuzfahrten ausgelöst und beschert ihren Passagieren noch immer die schönen nostalgischen Wonneschauer, auf historischen Planken zu segeln. Viele der 34 Kabinen sind nur 9 Quadratmeter klein: für die authentischen Windjammer-Freuden jedoch ein unerheblicher Preis. Die junge Schwester der alten Lady, die «Sea Cloud 2», ist etwas grösser und sehr viel luxuriöser, die 48 Kabinen messen zwischen 20 und 30 Quadratmetern, und die 60-köpfige Crew tut alles, um möglichst jeden Wunsch zu erfüllen.

Höchste Aufmerksamkeit und Bewunderung in jedem Hafen der Welt verschaffen sich auch die Fünfmaster «Wind Surf», «Royal Clipper» und «Club Med 2». Wenn der Himmel über einem dieser Traumschiffe voller Segel hängt und die Bugwelle rauscht, dann ist das Glück total.