«Marine Présidente» heisst es auf den Wahlplakaten des rechtsextremen Front National, die überall in der französischen Metropole Lyon zu sehen sind. Daneben: Das lächelnde Konterfei der Parteichefin Marine Le Pen. Eine Gruppe von jungen Aktivisten ist gerade dabei, die Plakate auch auf dem Universitätscampus aufzuhängen. Die Plakatierer haben keine Glatzen, tragen keine Springerstiefel oder Bomberjacken: Sie sind keine Skinheads, sondern adrett gekleidete Studenten. Den Front National (FN) zu unterstützen, ist salonfähig geworden.

«Früher haben sie das mitten in der Nacht gemacht,» sagt Sylvain Crepon, der an der Universität von Tours die politische Rechte erforscht. «Sie haben Baseball-Schläger dabei gehabt, um sich selbst zu schützen». Heute verstecken sich die jungen Anhänger des Front National nicht mehr, sondern zeigen ihr Engagement am hellichten Tag und vor aller Augen.

Das liegt auch daran, dass die Gruppe der jungen FN-Wähler stark gewachsen ist. Der Front National profitiert mittlerweile stark von der jungen Generation, die durch eine hohe Arbeitslosenquote am meisten betroffen ist.

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Le Pen profitiert von Verbitterung

So prognostiziert das Meinungsforschungsinstitut Ifop, dass Le Pen in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl fast ein Drittel aller Stimmen der jungen Wählergruppen erhalten wird - mehr als jeder andere Kandidat auf sich vereinen kann.

Le Pen hat dabei Erfolg bei allen Untergruppen der jüngeren Stimmberechtigten: Bei jenen unter 25 Jahren, unter 35 Jahren und auch bei der Gruppe der unter 45-Jährigen. Bei den über 65-Jährigen wird Le Pen jedoch regelmässig abgehängt. Ähnliche Entwicklungen sind in den Niederlanden und Italien zu beobachten. Auch dort profitieren populistische Politiker wie Geert Wilders und Beppe Grillo am meisten von jungen Anhängern.

In den USA und Grossbritannien ist es genau umgekehrt: Bei der US-Präsidentschaftswahl und der Brexit-Abstimmung positionierten sich junge Wähler hauptsächlich gegen Trump und den EU-Austritt Grossbritanniens. Hier waren es besonders die Rentner, die den Bewegungen zum Erfolg verhalfen.

Enttäuschte Patrioten

Auf dem europäischen Kontinent ziehen rechtspopulistische Politiker ihren Vorteil aus der Verbitterung der jungen Generation, die kaum eine Möglichkeit sieht, jemals den Lebensstandard ihrer Eltern zu erreichen. «Wir sehen uns überhaupt nicht als rechtsextrem, sondern als Patrioten, die von den anderen Parteien enttäuscht sind», sagt der 26-jährige David Sedoff, der auch an der Plakat-Aktion in Lyon beteiligt war.

Einer offiziellen Statistik zufolge sind in Frankreich fast ein Viertel aller unter 25-Jährigen arbeitslos. Die jungen Menschen, die einen Job haben, arbeiten häufig unter schlechteren Bedingungen als vorherige Generationen. Die ältere Generation möchte diesen Status Quo beibehalten. So befürchten viele Senioren, ihre grosszügigen Pensionen zu verlieren, sollte der Front National bei einem Wahlgewinn Frankreich aus der EU und der Währungsgemeinschaft herausführen. Die jungen Wähler setzen dagegen auf die Versprechungen von Marine Le Pen, wie umfassende Sozialleistungen, staatliche Zuschüsse auf Gehälter und Renten sowie Steuersenkungen.

Rasante Aufstiegsmöglichkeiten

Zusätzlich attraktiv für junge Menschen machen den Front National auch die Möglichkeiten, dort schnell die Karriereleiter aufzusteigen. In den etablierten Parteien sind viele Stellen noch auf lange Zeit von älteren Mitgliedern blockiert, das ist beim FN nicht der Fall. So sind Kandidaten des Front National bei lokalen und regionalen Wahlen allgemein die jüngsten und häufig erst in ihren 20ern und 30ern.

Der 23-jährige Victor Birra hat bereits von den rasanten Aufstiegsmöglichkeiten im FN profitiert. Der Wirtschaftsstudent ist vor fünf Jahren der Jugendorganisation FNJ beigetreten und ist jetzt deren Chef in der Region um Lyon. Er beschreibt den FNJ als «Akademie für FN-Kader» und vergleicht es mit den grossen öffentlichen Elite-Instituten, die traditionell viele französische Politiker hervorbringen. Eine weitere Karriere für junge FNJ-Aktivisten wie Victor Birra hängt jetzt jedoch vom Erfolg von Marine Le Pen bei den nationalen Wahlen ab: «Wir kämpfen, um die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen», sagt Birra.

(reuters/ccr)