Jetzt gilt es ernst. Dieser Tage legt Urs Schaeppi (53) die Bilanz für das Jahr 2013 vor, danach ist er allein verantwortlich für den Geschäftsgang der Swisscom, bei der er seit über 15 Jahren tätig ist. Er hat den Chefposten nicht gewollt, zumindest nicht um jeden Preis. Von seinem vorherigen Posten als Schweiz-Verantwortlicher sprach er als «einem der spannendsten Jobs der Schweiz». Doch VR-Präsident Hansueli Loosli wollte ihn um fast jeden Preis, um nach dem Suizid von Carsten Schloter noch ein Restmass an Kontinuität im Konzern zu wahren. So konnte Schaeppi durchsetzen, dass die Trennung von CEO-Posten und Schweiz-Chef für ihn wieder aufgehoben wurde.

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Während das Verhältnis zwischen Schloter und Loosli über Jahre äusserst gespannt war, gilt jenes zwischen Schaeppi und dem Präsidenten als pragmatisch und lösungsorientiert. Denn anders als Schloter wehrt sich Schaeppi nicht mit aller Macht gegen Eingriffe von oben. Der Berner gilt als bodenständiger Schaffer, als ruhig und verlässlich. Das Visionäre seines Vorgängers geht ihm ab, er ist eher ein Nach- als ein Vordenker. Ob er genug Drive hat, um die Swisscom im heiss umkämpften Telekommarkt vorwärtszutreiben, wird sich zeigen: Bereits ertönen erste Stimmen im Konzern, denen die gewohnten Impulse aus dem Berner Hauptsitz fehlen.

Die Widersacher

Auf dem Schweizer Markt hat Urs Schaeppi leichtes Spiel. Orange-Chef Johan Andsjö muss sich mit ebenso geringen Marktanteilen zufriedengeben wie Sunrise unter CEO Libor Voncina und Präsident Dominik Koechlin – Letzterer war als Swisscom-Strategiechef einst Weggefährte von Schaeppi. Die grösste Gefahr droht derzeit von Cablecom-Chef Eric Tveter. Er setzt der Swisscom bei Fixnetz, Internet und Digitalfernsehen zu und lanciert dieses Jahr auch ein Mobilfunkangebot. Tveter geisselt immer wieder die Tatsache, dass die Swisscom via ihre Tochter Teleclub das Exklusivrecht auf die Liveübertragung vieler grosser Sportereignisse habe. Der Präsident der Wettbewerbskommission (Weko), Vincent Martenet, startete letztes Jahr deshalb eine Untersuchung. Die Weko setzte der Swisscom schon ein paar Mal Schüsse vor den Bug, zuletzt bei der Zusammenarbeit mit den Elektrizitätswerken. Ihre Rekordbusse von 333 Millionen Franken kippte jedoch das Bundesgericht. Preisüberwacher Stefan Meierhans kritisiert regelmässig die Tarife des Konzerns, insbesonders bei den Roaminggebühren. Auch Konsumentenschützerin Sara Stalder und Ex-Nationalrätin Ursula Wyss, wollen Schaeppi den Geldhahn ein Stück weit zudrehen; Wyss lancierte gar eine Motion für verbindliche Höchsttarife. Grünen-Politiker Balthasar Glättli fordert die gesetzliche Verankerung der Netzneutralität, wogegen sich die Swisscom energisch wehrt.

Die Weggefährten

Nach dem Studium an ETH und HSG entwickelte Urs Schaeppi Motoren für den Lastwagenhersteller Iveco, bevor er zur Berner Telekomfirma Ascom wechselte. Dort war er die rechte Hand des späteren CEO Ueli Emch und half bei der Sanierung der Produktion. Dabei arbeitete er zusammen mit dem späteren Post- und heutigen Orell-Füssli-Chef Michel Kunz sowie mit Fritz Gantert, späterer CEO der Schaffner Holding. Danach wechselte Schaeppi als stellvertretender Produktionsleiter zur Papierfabrik Biberist, wo er an der Seite von Jakob Rohner, heute Konzernleitungsmitglied bei Conzzeta, einen wichtigen Beitrag zur Sanierung leistete. 1998 ging er zur Swisscom, als diese privatisiert wurde. Mit den Konzernchefs Tony Reis und Jens Alder kam er gut aus, mit Carsten Schloter war Schaeppi befreundet. Gute Drähte hat er in die Economiesuisse: Präsident Heinz Karrer war einst Marketingchef der Swisscom, GL-Mitglied Kurt Lanz in verschiedenen Kaderpositionen beim Telekomkonzern. Gleiches gilt für Christoph Brand, heute Digitalchef bei Tamedia. Bis Ende 2013 sass Schaeppi im VR der Beteiligungsgesellschaft BV Group. Dort traf er auf Ypsomed-Gründer Willy Michel.

Die Gletscher-Seilschaft

2010 nahm Urs Schaeppi an der Patrouille des Glaciers teil, dem härtesten Skitouren-Rennen der Welt. Die Mannschaft wurde von Carsten Schloter angeführt, Dritter im Bunde war Mario Rossi, heute Leiter des Group Business Steering. Die drei starteten in der Kategorie Senioren auf dem 28 Kilometer langen Teilabschnitt von Arolla nach Verbier und belegten Platz 85 von 115 gestarteten Teams. Diesen April geht Schaeppi mit dem Team «Swisscom 1» wieder an den Start. Den Platz von Carsten Schloter nimmt dann Roger Wüthrich-Hasenböhler ein, der Leiter des KMU-Geschäftes.

Verbündete

Swisscom-Präsident Hansueli Loosli hievte Urs Schaeppi auf den Swisscom-Chefsessel. Bundesrätin Doris Leuthard trägt dafür Sorge, dass der mehrheitlich im Staatsbesitz befindliche Konzern vorteilhafte Rahmenbedingungen antrifft; Schlüsselfigur im VR ist dafür der Staatsvertreter Hans Werder. Auch die Fernmeldekommissionen, derzeit unter Viola Amherd (Nationalrat) und René Imoberdorf (Ständerat), votieren üblicherweise im Sinne der Swisscom. Das Glasfasernetz in den Städten baut Schaeppi in Kooperation mit den Elektrizitätswerken auf; wichtigster Partner ist dabei Peter Messmann, Telecom-Chef des EWZ. Die mit Abstand grösste Auslandsbeteiligung, Fastweb, überwacht Schaeppi als Chairman persönlich, operativ wird sie von Alberto Calcagno geführt.

Der Privatmann

Urs Schaeppi ist nicht verheiratet und kinderlos. Seine Lebensgefährtin, die Berner Arztgehilfin Franziska Maeder, hat jedoch zwei erwachsene Kinder. Schaeppi besitzt eine Terrassenwohnung in Kehrsatz BE. Dass er 2009 seine Papiere ins steuerlich günstige Zug verlegte, obwohl er weiterhin im Bernischen wohnte, sorgte für Irritationen und beschäftigte selbst das Kantonsparlament. Nach Intervention der Behörden meldete er sich kurz vor der Ernennung zum CEO wieder in Kehrsatz an. Bis 1988 fuhr Schaeppi FIS-Rennen im Slalom und Riesenslalom; heute reicht die Zeit noch für gelegentliche Schwünge in Mürren BE. Daneben joggt er und fährt Mountainbike. Mit seinem Enduro-Töff war Schaeppi unter anderem in der Sahara und in der Wüste von Oman unterwegs.