Der grösste Job-Beschaffer in der amerikanischen Geschichte wollte er werden, der Vater eines neuen Wirtschaftswunders, der Amerika wieder ganz gross macht. Mit diesem Anspruch ist US-Präsident Donald Trump am 20. Januar 2017 in seine Präsidentschaft gestartet - begleitet von Warnungen und dunklen Befürchtungen vieler Wirtschaftsexperten, aber auch von US-Konzernführern.

Ein Jahr später kann Trump den Skeptikern entgegenhalten: Die US-Wirtschaft brummt und mit ihr weite Teile der Weltwirtschaft. Die Börsen befinden sich seit Monaten im Höhenrausch, via Twitter verkündet Trump immer wieder, er habe Aktionäre binnen weniger Monate um mehrere Billionen Dollar reicher gemacht. «Der Grund, warum der Aktienmarkt so erfolgreich ist, bin ich!», lobt Trump Trump.

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Mehr als zwei Millionen neue Arbeitsplätze

Wie sehen die nüchternen Fakten aus? Nach einem Jahr zeigen die meisten Wirtschaftsindikatoren in den USA nach oben: Die Arbeitslosenquote lag mit 4,1 Prozent im Dezember so niedrig, dass man von Vollbeschäftigung spricht. Mehr als zwei Millionen Arbeitsplätze sind in der Amtszeit von Trump neu entstanden - etwas weniger als im Jahr zuvor unter seinem Vorgänger Barack Obama. Die Jobmaschine ist aber intakt, sagen die Experten. Das Wachstum der US-Wirtschaft veranschlagt der Internationale Währungsfonds mit 2,2 Prozent 2017 zwar nur ähnlich hoch wie derzeit in Deutschland, doch die letzte Quartalszahl lag über drei Prozent und damit so hoch wie seit Anfang 2015 nicht mehr.

Die beschlossene Steuerreform sollte selbst nach Analysen von Trump-Kritikern für einen weiteren Schub sorgen, das Wachstum aber voraussichtlich nicht auf vier bis fünf Prozent beschleunigen, wie Trump glauben machen will. Die US-Aktienmärkte legten seit seinem Amtsantritt um gut ein Viertel zu und in ihrem Gefolge auch die Kurse andernorts in der Welt.

Experten geben Trump wenig Anteil am Boom

Ist Trump also der Vater des Aufschwungs? Die meisten Experten, gleich welcher politischer Couleur, winken ab. «Das hat sehr wenig mit Trump zu tun», meint etwa der Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn. Der grosse Aufschwung habe schon lange vor Trump begonnen. Der habe ihn wenigstens nicht abgewürgt - auch ein Verdienst.

Horns Antipode vom arbeitgebernahen Institut der Wirtschaft (IW), Michael Hüther, sieht in Trump ebenfalls nur eine Randfigur des Booms. Der habe ab und an für «mehr oder weniger unterhaltsame Irritationen» gesorgt, die aber für die tieferliegende wirtschaftliche Entwicklung ohne viel Belang seien. Das Münchner Ifo-Institut ermittelte in einer Umfrage unter Fachleuten aus 120 Ländern sogar eine eher kritischere Grundeinschätzung: Trump habe sich als Bürde für die globale und die US-Wirtschaft entpuppt.

Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Dennis Snower, gesteht Trump zu, Konjunktur und Börsen auf kurze Sicht und oberflächlich betrachtet stärker nach vorne gebracht zu haben als erwartet: «Er hat viel besser abgeschnitten, als es die meisten seiner Gegner befürchtet haben.» Positiv sei das aber nicht, denn Nachhaltigkeit gehe anders. Aber das interessiere die Märkte und viele in der Wirtschaft offenbar zurzeit nicht.

Trump zerstöre die Strukturen

Snower sagt, das erste Jahr von Trump lasse sich mit einem Wort zusammenfassen: «Fragmentierung.» Denn Trump spalte die Gesellschaft. Das Gesamturteil des Amerikaners Snower fällt daher vernichtend aus: «Es ist viel wahrscheinlicher, dass die nächste Krise rascher kommt aufgrund des politischen Handelns von Donald Trump. Und wir sind in einer schlechteren Lage, diese zu bekämpfen, weil viele Probleme, die auf uns zukommen, müssen international geregelt werden.» Diese Mechanismen habe Trump beschädigt. Ein Vertreter des deutschen Aussenhandels stimmt ein: Trump zerstöre die Strukturen zu Hause, aber auch in der Welt.

So hat Trump die Welthandelsorganisation WTO, die er von Anfang an als eine Katastrophe beschimpfte, bei ihrer jüngsten Konferenz in Buenos Aires lahmgelegt. Freihandelsabkommen der USA wie Nafta mit den Nachbarn Mexiko und Kanada droht das Aus. Auch andere Formen der internationalen Abstimmung wie die G20-Gruppe kämpfen unter Trump um ihre Funktionsfähigkeit.

Steuerreform vergrössert Haushaltsdefizit

Mit Trumps überspannten Versprechungen hält die Realität bislang nicht mit - abgesehen von den Aktienmärkten. Der US-Aufschwung verläuft in relativ ruhigen Bahnen, beim Job-Aufbau ist der Präsident bisher nicht überdurchschnittlich erfolgreich. Mit seiner Steuerreform macht er den Standort USA zwar wieder attraktiver, zugleich vergrössert sie aber auch das US-Etatdefizit, weil der Staat auf Einnahmen verzichtet.

Die Reform dürfte nach Berechnungen von Experten die ohnehin schon hohe Staatsschuld der USA von über 20 Billionen Dollar um weitere rund 1,5 Billionen Dollar in den nächsten zehn Jahren erhöhen. Dabei hat der US-Schuldenberg bereits eine Höhe von 130 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung der USA - damit ist die Schuldenstandsquote fast doppelt so hoch wie in Deutschland. Noch macht die Refinanzierung der Schulden wegen der niedrigen Zinsen und hohen Nachfrage keine Probleme - das kann sich aber ändern, wenn die US-Notenbank auf Zinsanhebungskurs bleibt.

Kurzfristige Profiteure von Trums Steuerpolitik sind nach dem Befund von Fachleuten vor allem die Wirtschaft und die Superreichen. Den Vorwurf, dass eine solche Politik die mittel- und langfristigen Risiken erhöhe, weist er zurück. Kritiker wie IfW-Präsident Snower warnen deshalb nach einem Jahr Trump-Präsidentschaft: «Natürlich kommt die dicke Rechnung noch».

(reuters/ccr)